Dorfplatz mit Brunnen

[Mercedes Bueno]

Nett mit den Wimpern klimpern... Dr. Bueno kräuselte abfällig die Oberlippe. Was für ein archaisches Weltbild war das denn? Eine Frau konnte nur durch Erzeugung erotisches Spannung ihr Ziel beim durch die Ausschüttung von Hormonen leicht zu lenkenden Mann erreichen, nicht aber etwa durch Fachkompetenz und rationale, verbale Kommunikation? Oder wie sollte sie diese Andeutungen bitteschön verstehen?
"Nein. Ich denke aber, er wird uns gerne noch einmal ins Haus lassen und uns sogar Erläuterungen geben, wenn er schlicht darum gebeten wird", erklärte sie humorlos und mit sehr gerader Haltung. Hoffentlich war das nicht das Niveau, auf dem sie mit ihm auf ihrem Weg zum Professor auskommen musste!
Hastig überschlug Dr. Bueno die geplante Route. Sollte Professor Williams die Große Hand noch nicht erreicht haben, würden sie schlicht der Laete folgen müssen. Ohne dabei Ausschau zu halten, dürften sie dabei etwa zwei bis dreimal so schnell sein.. mit etwas Glück würde sie also nur einen, vielleicht zwei Tage mit Dr. Carter allein reisen müssen, aber auch das könnten unter Umständen sehr lange 24 bis 48 Stunden werden.
"Wenn Sie mich nun entschuldigen - ich muss mich ausruhen gehen." Und sich auf diesem Weg gleich noch einmal darum kümmern, ob sie Senor Jones am morgigen Tag noch einmal besuchen konnte oder nicht.

tbc: Wirtshaus oder nächster Tag

[Narracion]

[Mercedes Bueno]

cf: letzter Tag (Oscar Jones' Hütte)

Er war schwerer geworden! Dieser verflixte Rucksack war schwerer geworden, seit sie ihn das letzte Mal gepackt hatte! Dr. Bueno setzte das gute Stück ächzend am Brunnen ab, schob den Hut zurück und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Eigentlich hätte sie sich - so ganz ohne Krücke - doch nun befreit fühlen müssen, aber wie sollte sie das tun, wenn so ein Heidengewicht auf ihren Schultern lastete? Fast wünschte sie sich, sie könnten auf ein Boot zurückgreifen wie Professor Williams es mit seinen Begleitern vor drei Tagen getan hatte, aber denn müsste Dr. Carter schon ein kleines Wunder vollbringen! Niemand schien daran interessiert, ihr ein Boot zu verkaufen oder zu leihen, mit dem sie die Laete hätten hinaufpaddeln können. Es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als dem Flusslauf zu Fuß zu folgen.

Dr. Buenos Hand fuhr tastend zu der Brusttasche, in der sie Oscars Amulett verwahrte. Sie war noch nicht ganz fertig damit, die Inschriften zu übertragen, aber sie hatte eine ganze Reihe von vertrauten Symbolen entdeckt, und noch dazu standen sie auch in Zusammenhängen! Dr. Bueno hatte beinahe das Gefühl, als würden sie eine ganze, winzige Geschichte erzählen, eine, die in der Nacht stattfand und in der der Mond und die Schatten des Dschungels eine Rolle spielten - vermutlich eine Metapher für die Dichotomie von Licht und Dunkelheit. Sie würde die Übersetzung fortsetzen, wann immer sie Zeit dafür fand auf ihrer Reise... die so langsam beginnen könnte! Ungeduldig blickte Dr. Bueno sich nach Desmond um. Natürlich war sie überpünktlich, aber das bedeutete ja nun nicht, dass er zu spät kommen durfte!

[Des Carter]

Des schlenderte zum Dorfplatz, wo er sich mit Madame Bueno verabredet hatte. Da war sie ja schon! Er hatte es auch nicht anders erwartet... Die Korrektheit in Person.
Der Doktor sah jetzt schon gestresst aus ... oje... und dann im Schneckentempo durch den Dschungel- toll! Aber strahlend lächelnd begrüßte er seine Kollegin. Nach dem gestrigen Fund mußte man einfach gute Laune haben.
"Doktor Bueno- was für eine Freude Sie munter und bereit zu sehen. Und, konnten sie schon etwas entschlüsseln vom Amulett?"
Er war natürlich hundertprozentig der Ansicht, daß es selenistisch war...und noch gar nicht soo alt!!

[Mercedes Bueno]

"Guten Morgen, Doktor Carter." Endlich. Das hätte ihr auch noch gefehlt: Gerade so eben der Krücke entkommen, immer noch rekonvaleszent, und schon von einem selbst ernannten Abenteurer von zweifelhaft wissenschaftlichem Ruf mitten in der Wildnis zum Warten verdammt! Wobei dieses Dorf wohl noch ein letztes Stück Zivilisation sein musste - was Dr. Bueno nur zähneknirschend ertrug. Was sollte das schon für eine Zivilisation sein, in der nicht nur die Gastwirtin, sondern auch ein Großteil der Bevölkerung gleichzeitig Reisen unternahm (zumindest hatte sie allerorten gehört, dass sich Familie Santos heute auf einen mehrtägigen Familienausflug begab) und in der Moskitos und andere Insekten bemüht waren, ihre Haut mit unansehnlichen Pusteln zu verzieren? Aber wenigstens würden sie jetzt ja wohl aufbrechen können.
"Sagen wir so", fuhr sie mit einem Anflug von Lächeln fort, da der Gedanke an das Amulett sie doch wenigstens eine Spur aufheiterte, "ich hatte einen sehr interessanten Abend." Und wenig Schlaf. Aber dafür erste Ergebnisse. "Es sieht in der Tat aus, als wären die Inschriften mit hoher Wahrscheinlichkeit selenistischen Ursprungs."

[Emma Williams]

Zuerst hatte sie die Ms Caminante verpasst, dann hatte diese sich verspätet und dann war Em der Geduldsfaden gerissen. So dass sie sich am Ende in einem Fischerboot nach Atempo hat bringen lassen. Dafür hatte es nur ein bisschen Lächeln, nettes Gerede und ein wenig mehr Geld gebraucht.
Weil sie damit doch schneller war, als wenn sie mit der MS eintraf, hatte ihr Patenonkel sie nicht abgeholt. Aber sie fand sich auch gut allein zurecht, schließlich war Emma keine zehn Jahre mehr alt.
Mit dem Kopf, den man zum Glück rollen konnte, einem Plan, der Sonnenbrille und einem Rucksack über der Schulter, lief sie zuerst zum Dorfplatz, um sich nach einem Hotel umzuhören, in dem sie unterkommen könnte.
Sie hatte nicht erwartet, dort gleich auf Desmond Carter zu treffen. Aber Emma freute sich umso mehr, als sie ihn sah. Von weitem winkte sie und rief laut: "Des!", während sie auf ihn zu lief.
Die andere Frau, mit der er zu reden schien beachtete sie fürs Erste nicht.
Stattdessen freute sie sich ihren Patenonkel wieder zu sehen. Er kam nicht oft zu Besuch, aber wenn er da war, hatte er immer unglaublich interessante Geschichten zu erzählen, die sich nicht nur als Kind interessiert hatten.
Außerdem hoffte sie mit ihm bei nächster Gelegenheit über diese unangenehme Sache mit der Uni zu reden. Vielleicht hatte er ein paar Tips, wie sie es ihrem Vater am Besten beibringen konnte.
Schon beim Gedanken an das Gespräch mit dem älteren Williams überkam sie ein schlechtes Gewissen.

[Des Carter]

"Wußt ich sofort- instinktiv." setzte er boshaft hinzu. Instinkt war sicher nichts, womit Frau Doktor was anfangen konnte.
Ein wenig foppen konnte man die gestrenge Wissenschaftlerin ja. Er hatte sich natürlich auch die Runen angesehen und einige erkannt! Natürlich. Aber seien wir mal nicht so streng, beschloß er großzügig und lächelte. Schließlich mußten sie ja noch eine Weile miteinander auskommen, und das sie sich eben- andeutungsweise, gefreut hatte, nahm er an, wenn er ihren Versuch eines Lächeln (wiederum) großzügig interpretierte, machte sie das sogar ein wenig symphatisch.
Nein, er hatte ausgesprochen gute Laune.

"Hey, wer ruft denn da?" sagte er und drehte er sich um.
"Emma!!!" rief er freudestrahlend. "Kleine!" Er winkte. Meine Güte, wann hatte er sie das letzte mal gesehen?
Er sah sie noch vor, sich, als Baby, hüpfende vierjährige, altkluge sechsjährige, ach und dann schon 10, 12, ach und so weiter. Sie war immer eine begeisterte Zuhörerin gewesen...und stellte seine Kompetenz nie in Frage...
...und nun war sie schon so groß! Bevor sie angefangen hatte zu studieren, ja richtig, da war er nochmal da! Archäologie natürlich!
Als sie bei ihnen war, umarmte er sie. "Em, schön das du da bist. Genau richtig. Dann können wir ja los!!" freute er sich.

[Mercedes Bueno]

Dr. Bueno blinzelte irritiert, und kritisch betrachtete sie die junge Frau, die da auf sie zukam. Sie kam ihr bekannt vor... und als Desmond ihren Namen rief, wusste Dr. Bueno auch, woher. So wie Dr. Carter selenistische Schriftzeichen vermutlich durch ihre Notizen zu erkennen gelernt hatte - Instinkt, was für eine überbewertete, archaische Eigenschaft! - so kannte sie Emmas Züge von den Fotos, die Prof. Williams ihr während ihrer Assistenzzeit unter die Nase gehalten hatte.
"Senorita Williams." Dr. Bueno lächelte reserviert und streckte Emma die Hand entgegen. "Ihr Vater hatte bereits angekündigt, dass Sie sich der Expedition anzuschließen wünschen." Natürlich hatte er nicht angekündigt, dass Senorita Williams sich verspäten würde. Oder dass Dr. Carter offenkundig irgendwelche Verabredungen mit Senorita Unpünktlich getroffen hatte - was er (sicherlich rein instinktiv) zu erwähnen vergessen hatte. "Erfreulich, dass Sie nun zu uns gefunden haben. Ich bin Dr. Bueno."

[Emma Williams]

Emma grinste über den fröhlichen Empfang ihres Onkels. Sie hatte ihn vermisst. Natürlich. Wie lange war er nicht mehr zu Besuch gewesen? Zu lange.
"Ich freu mich auch." Als sie sich vorsichtig aus der Umarmung löste sah sie ihn an. Verändert hatte er sich nicht. Natürlich nicht, solange war es dann doch noch nicht her.
"Die anderen sind schon los, oder?", fragte sie.
Erst jetzt wanderte ihr Blick zu der Frau. Stocksteif wirkte sie und selbst ein Besenstiel hätte freundlicher Lächeln können. "Nett sie kennen zu lernen, Doctor Bueno."
Das reservierte Lächeln erwiderte sie, mindestens genauso für sich einnehmend. Natürlich zählte der erste Eindruck nicht wirklich und vielleicht stellte sich heraus, dass Doctor Besenstiel doch eine ganz sympathische Person war. Aber sie beschloss trotzdem, dieser Person vorerst nicht zu nahe zu kommen. Und hoffte, dass die anderen Mitglieder der Expedition sich nicht so aufführten.
An Desmond gewandt erklärte sie nun ihr Zuspätkommen. "Erst habe ich das Schiff verpasst, dann ist das nächste zu spät gekommen und dann habe ich ein Fischerboot genommen. Ich hoffe, jetzt stinke ich nicht zu sehr..."

[Mercedes Bueno]

Dr. Bueno zog ihre Hand zurück und musterte kurz skeptisch den Rollkoffer der jungen Studentin, während sie mit halbem Ohr dem Gespräch zwischen ihr und Dr. Carter zuhörte. Ein wehleidiger Zug zuckte an ihrem Mundwinkel. Oh, wenn sie sich doch nur auch Sorgen um Geruch machen könnte! Stattdessen tauchten in ihren Gedanken fußfängerisches Wurzelwerk und riesige, gefährliche Raubkatzen auf. Hoffentlich behielt Dr. Carter recht, und der Einheimische hatte sie nur auf den Arm nehmen wollen.
"Sicherlich können wir die meisten offenen Fragen auf dem Weg klären", bemerkte sie, schon allein um die unwillkommenen Gedanken zu vertreiben. "Sie sind doch jetzt soweit, Senorita Williams?" Es klang nur anstandshalber wie Frage; die Aufforderung lauerte direkt dahinter. Wobei es eine Frage gab, die sie ihr tatsächlich stellen wollte..
"Sie haben nicht zufällig in den letzten Tagen etwas von Ihrem Vater gehört? Der Empfang hier ist... leidlich." Vermutlich ebenso wie die Möglichkeit, aus dem Dschungel heraus Kontakt aufzunehmen, aber vielleicht hatte Prof. Williams sich ja bei seiner Tochter gemeldet, und diese wüsste, wo er sich im Augenblick befand. Es hätte Dr. Bueno auf jeden Fall geholfen, die Zeit einzuschätzen, die sie auf die Führung Dr. Carters angewiesen sein würde.