Dorfplatz mit Brunnen

[Mercedes Bueno]

"Falls sie der Raubkatze genügt, genügt sie mir auch." Dr. Bueno nickte beinahe huldvoll. Falls sie über Raubkatzen hinaus auch noch große Schlangen und andere Biester erlegen könnte, wäre ihr diese Waffe auch tatsächlich besonders willkommen, auch wenn sie in der Regel nichts von solchen Dingern hielt. Safety first.
"Meinen Sie?" Sie zog die Brauen hoch, spürte aber, dass sie tatsächlich etwas unsicher wurde. In ihren Reiseberichten aus dieser Gegend waren ja auch keine Warnungen vor solchen Tieren erschienen. Der Gedanke, dass sie sich umsonst gesorgt hatte, verlockte allerdings, in diesem Falle Dr. Carter zu glauben. "Ist es denn völlig ausgeschlossen, dass es sich dabei hier um eine gewisse Ausnahme von der Regel handelt?" Bitte, bitte, sagen Sie jetzt Ja!

[Des Carter]

"Ausnahmen gibt es zu jeder Regel." Er zuckte leicht mit den Schultern. "Aber zumindest mir sind noch keine aggressiven Großkatzen aufgefallen und ich bereise schon seit Jahren diese Wälder." Was nichtmal gelogen war. Des fungierte schließlich hin und wieder als Touristenguide und Abenteueranbieter.
"Ich denke nicht, dass Sie sich da wirklich Sorgen machen müssen. Und falls doch haben wir Mittel und Wege uns zu wehren." Ihm wiederstrebte allein der Gedanke, ein so wunderschönes Tier zu erschießen. Also lieber darauf versteifen, dass man die Dottore schlicht und ergreifend veräppelt hatte. Würde ihn nicht wundern. Wenn sie der Dorfgemeinde ebenso herzlich entgegen trat wie ihm, würde es ihn nicht überraschen wenn die Schindluder mit ihr trieben.

[Mercedes Bueno]

Eine gewisse Erleichterung machte sich in Dr. Bueno breit. Nun, es lohnte sich doch in der Tat, sich jemanden als Begleiter auszusuchen, der sich mit solchen Dingen auskannte. Hätte er sich natürlich nicht wie ein kleines Kind störrisch monatelang geweigert, ihnen in diesem Bereich als Berater zur Verfügung zu stehen, hätte sie das auch vorher gewusst. Nur gut, dass Professor Williams Erfahrungen mit der Organisation von Expeditionen hatte, auch wenn auch er ein gewisses Maß an Sorglosigkeit an den Tag gelegt hatte. Dr. Bueno hätte diese Fahrt eigentlich nicht antreten wollen, solange nicht mindestens sowohl eine ausreichende Anzahl an Trägern als auch deren Ersatzleute zur Verfügung gestanden hätten - und im Nachhinein hätte sich das Anheuern von medizinischem Fachpersonal auch rentiert. Beim nächsten Mal - bestimmt!
"Sehr gut", lächelte sie schwach. "Wie planen Sie zu reisen? Professor Williams ist mit dem Boot aufgebrochen." Eigentlich hatte das nach einem guten Plan geklungen, denn jeder Kilometer, der bequem auf dem Wasser statt quer durch den Dschungel zu Fuß zurückgelegt wurde, war ein guter Kilometer.

[Des Carter]

"Wenn Sie es schaffen mit Ihrer bestechend liebenswürdigen Art ein Boot aufzutreiben, können wir gerne den Wasserweg nehmen", herrlich, wie liebenswert er dabei noch lächeln konnte. Ray und er waren teilweise vielleicht ähnlich verplant, aber der Lausbubencharme fehlte dem werten Professor Williams allemal.
"Ray erzählte, dass Sie die Expertin für Wegmarken wären?" Dann konnten sie sich auf dem Weg zumindest nicht verirren. Es wäre natürlich gut gewesen, zu wissen auf welchem Punkt der Strecke Ray sich inzwischen befand, aber früher oder später würden sie schon aufholen. Eventuell eher später, je nachdem wie sehr sich die Senorita Dottore anstellte oder auch nicht. Er ließ es sich nicht anmerken, aber ein wenig angefressen war Des schon. Schließlich warf sie grade seine gesamte, ohnehin mehr als spärliche Planung über den Haufen.

[Mercedes Bueno]

Dr. Bueno ignorierte die unterschwellige Kritik an ihren sozialen Fähigkeiten; das tat sie seit Jahren erfolgreich, und es schien ihr nun wirklich nicht, als sei jetzt der beste Moment, das zu ändern. Sie würde in dem Laden nachfragen, der hier das Zentrum aller monetären Verschwendungsgelüste zu sein schien. Hoffentlich reichte ihr Budget aus! Dr. Carter wollte sie ungern um seine Beteiligung bitten; jedenfalls noch nicht jetzt.
"Wenn Professor Williams das so formuliert, werde ich ihm nicht widersprechen." Selbstbewusst drückte sie die Schultern durch. "Zumindest ist es mir gelungen, einige Wegmarken zu identifizieren." Und die Hoffnung, dass es dem Professor 'im Feld' nicht anders erging, wenn er etwa die Große Hand sah, vermischte sich mit der Befürchtung genau davor. Eigentlich hatte sie gehofft, selbst diejenige zu sein, die quasi als Kompass fungieren würde.

[Des Carter]

"Aufgrund diverser Kinderreime, wenn ich das richtig verstanden habe", es war mehr eine Feststellung, als eine Frage und ja, er war nach wie vor skeptisch, wie viel Glauben man in etwas stecken sollte, das Kinder beim Seilchenspringen oder kurz vor dem Einschlafen sangen. Vor allem wenn es sich dabei um Kinder handelte, die nun schon einige Jahrzehnte tot sein dürften. Hoffentlich.
"Wenn wir uns auf dem Weg ein bisschen ranhalten, dürften wir die Expedition recht bald eingeholt haben. Waren sie schonmal im Dschungel unterwegs, Dr Bueno?" Das interessierte ihn nun doch brennend. Allein schon weil er wissen wollte, ob er weiterhin bei seiner Einschätzung ihrer Person als Fachidiotin bleiben durfte oder nicht. Wobei... vielleicht tat er das so oder so.

[Mercedes Bueno]

"Kinderreime, Märchen, alte Reisebeschreibungen - der Korpus war recht umfangreich", nickte Dr. Bueno. Hm, irgendwie hatte der Plan, sich hier draußen über ihre Vorgehensweise wegen Javier klar zu werden und dafür die Ruhe zu nutzen, nicht funktioniert. Andererseits hätte es ja kaum besser kommen können. Sie rutschte auf dem Brunnenrand etwas herum, um eine bequemere Position zu finden.
"Zur Forschungszwecken? Nein." Sie schüttelte den Kopf. "Meine bisherigen Expeditionen waren eher wüstenlastig." Und sie hatte die trockene Hitze erstaunlich gut vertragen - zumindest in ihrer Erinnerung an vergangene Studienzeiten. "Ägypten, Mexiko - aber ich habe die für diese Reise notwendigen Fachprüfungen abgelegt." Was auch eindeutig lange genug gedauert hatte. "Dazu gehörte ein Wochenend-Campingausflug in den Dschungel." Sie verschwieg, dass sie dabei nicht wirklich weit in den Dschungel gegangen und nach einem halben Tag zurück ins Hotel gezogen waren. Es war ein sehr kleiner Trupp Prüflinge, und ein Mitglied hatte dem Leiter der Prüfung ein Geschenk mitgebracht. Dr. Bueno war das nur recht gewesen: Sie verbrachte schließlich jetzt Zeit im Dschungel, nicht wahr?
"Und mein letzter Fußweg durch den Dschungel..." Vielsagend blickte sie zu ihrem Knöchel nieder. Ihre Erfahrungen waren wohl insgesamt eher bescheiden zu nennen.

[Des Carter]

Notwendige Fachprüfungen... sowas gab es inzwischen? Damals, zu seiner Studienzeit, hatte man das 'Trial and Error' genannt. Tatsächlich hatten Ray und er immer wieder versucht sich an diverse Expeditionen ranzuhängen, was ihnen nach den Abschlüssen weitaus besser gelang, als davor. Nur konnte Des sich nicht daran erinnern, jemals eine Prüfung zum Thema Wüstenwanderung abgelegt zu haben.
"Dann dürfte das ja eine besonders spannende Expedition für Sie sein." Er grinste leicht. Im Dschungel unterwegs zu sein war eine Sache für sich und kaum mit der Wüste vergleichbar. "Im Boot dürften wir aber recht sicher reisen, zumindest bis wir zum Wasserfall kommen. Ab da könnte es wieder etwas holprig werden." Ein Boot einen Wasserfall raufschleppen war eine abartige Arbeit, aber es half ja nichts. Seine Meinung bezüglich der Fachidiotin hatte er übrigens nach wie vor nicht geändert. Nichts gegen Bueno persönlich, aber es gab gewisse Leute, denen man einfach ansah, dass sie besser in ihrer Bibliothek geblieben wären.

[Mercedes Bueno]

"Spannend." Sie hob skeptisch die Brauen. Nun, diese Art von Humor mochte verstehen, wer wollte. Sie wollte nicht. Und sie wollte auch gar nicht wissen, was 'holprig' bedeutete, außer.. "In dem Fall könnte dieser Wasserfall die Weiterreise also verzögern, und wir haben tatsächlich eine gute Chance, sie einzuholen. Ich werde auch versuchen, Professor Williams zu erreichen, damit er uns seine Koordinaten geben kann; sonst verfehlen wir ihn am Ende."
Dr. Bueno zögerte kurz. Ob sie die Sache mit Javier erwähnen sollte? Dr. Carter hatte doch gewiss mehr Felderfahrung mit Gerüchten bei Einheimischen in solchen Ecken des Landes.
"Mich hat übrigens vorhin jemand gefragt, was geschähe, wenn wir tatsächlich einen", sie blickte sich um, beugte sich dann vor und fuhr gedämpft fort: "selenistischen Tempel finden. Ist es üblich, dass einfache Dorfbevölkerung über diese Theorie informiert ist? Ich könnte mir vorstellen, dass es auch darauf schließen lässt, dass die Wurzeln dieser Siedlung im Selenismus begründet liegen..."

[Des Carter]

Na ob man einen Expeditionstrupp unbedingt verfehlen konnte, wenn man wusste, wo man suchen musste? Er äußerte sich mal nicht dazu, war allerdings anfangs auch wenig geneigt, es Dr Bueno nachzutun und sich etwas vorzubeugen. Die Erwähnung eines selenistischen Tempels ließ ihn allerdings prompt hellhörig werden.
"Ein selenistischer Tempel? Wirklich?" Jetzt wurde es aufregend. So aufregend, dass er schon sehr an sich halten musste um nicht auf seinem Platz rumzuhibbeln wie ein Kind beim Kaufhaus-Weihnachtsmann. "Ob das üblich ist, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Es ist bemerkenswert, dass ein Großteil der Bevölkerung dieser kleinen Dörfer angeblich entweder nichts vom Selenismus weiß, oder recht vehement erklärt, es wäre ohnehin nur ein Mythos." Genau dort entsprang ja auch seine Theorie, dass der Selenismus nach wie vor aktiv betrieben wurde. Weswegen sonst, sollte man so ein Geheimnis daraus machen? "Es ist allerdings gut möglich, dass einige Bewohner Atempos Selenisten unter ihren Vorfahren hatten." Was das Ganze umso spannender machte. "Wie kam ihr Gesprächspartner eigentlich auf Selenismus. Ich dachte Ray schwindelt allen etwas von einem Inkatempel vor?"