Oscar Jones' Hütte

[Oscar Jones]

Oscar Jones lachte heimlich in sein Fäustchen. Ach.. Wenn er sich so Perceptua und Des anschaute,.. Mann O Mann. Ihn könnte er sich wirklich ausgezeichnet als Schwiegersohn oder sowas vorstellen.
"Des.." Lächelte er entschuldigend und tätschelte leicht seine Schulter. "Wenn es dich interessiert hätte, hätte ich dir alles darüber erzählt."
Oscar Jones grinste zufrieden in der Runde herum, ehe er seine altersfleckigen Hände vor sich auf dem Tisch schloss und Senora Bueno ernsthaft musterte.
"Dottore, ich will ihnen ein offenes Buch sein. Was genau wollen Sie wissen?"

[Mercedes Bueno]

Nein, eigentlich sollte sie beleidigt sein! Hatte sie etwa ihre Informationen nicht fast total offen mit ihm geteilt? Nun, sie würde es sich merken. Hauptsache, er brachte sie heil zu Prof. Williams und den anderen; dann hätte er sich als nützlich erwiesen.
Andererseits beschäftigte Oscars Angebot Dr. Buenos Gedanken so plötzlich, dass sie selbst Dr. Carters Faux-pas zu übersehen bereit gewesen wäre - hätte sie es sich nicht schon längst gemerkt.
Was wollte sie wissen? Sie stellte ihre Kaffeetasse ab und zupfte unwillkürlich ihr Notizbuch und einen Kugelschreiber hervor. "Das ist ein sehr freundliches Angebot, Senor Jones." Sie lächelte schmal, während es hinter ihrer Stirn zu rattern begann. "Im Prinzip hatte ich gehofft, Sie könnten uns die Geschichte einfach noch einmal erzählen; vier Ohren hören ja mehr als zwei. Vielleicht erinnern Sie sich ja auch noch genauer an den Weg zu jenem Tempel? Oder könnten uns noch einmal erzählen, wie es dort aussah?" Sie befeuchtete sich die Lippen. "Sind Sie etwa sicher, dass die Schätze dort größtenteils aus Gold waren? Und dass Sie keinen davon..." - tja, wie drückte sie Grabraub jetzt politisch korrekt aus? - ".. für wissenschaftliche Zwecke gerettet haben?"

[Des Carter]

"Und machen Sie sich keine Sorgen Oscar, auch wenn es so klingt: Dr Bueno arbeitet nicht für die Regierung."
Grinsend lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, die Kaffeetasse in den Händen. Auf die Geschichten war er auch mehr als gespannt. Dann war Oscar also derjenige gewesen, der von Schätzen aus Gold erzählt hatte. Wirklich mehr als ungewöhnlich, sollte es sich um selenistische Tempel handeln. Vielleicht hatte der alte Mann tatsächlich irgendwas mitgehen lassen. Zutrauen würde er es ihm.

[Perceptua Jones]

Perceptua schaute zu Doktor Carter. Er war wohl ein anderer Schlag Wissenschaftler als Mercedes.
Das wäre bestimmt... nun etwas angespannt... die beiden im Dschungel. Man merkte Mercedes doch ihre Ressentiments an.
Oscar schien zu allem bereit und sie freute sich schon enorm auf seine Erzählung. Das war aufregend. Ob sie etwas greifbares erfahren würden?
Aufrecht setzte sie sich hin, um ihre Bereitschaft zum Zuhören zu signalisieren und zwinkerte Mercedes zu. "Fang doch von vorne an, Onkel Oscar!" ermunterte sie ihn.

[Oscar Jones]

"Nun, meine Lieben.." Oscar faltete seine knöchrigen Finger vor sich auf den Tisch und betrachtete seine Tasse, ohne sie wirklich wahrzunehmen.
"Es muss wohl gut,30 Ja.. ach was sage ich 35 Jahre her sein. Ach.. um genau zu sein.." Oscar wippte etwas ungeduldig mit dem Knie. Mit den genauen Zahlen und Rechnen hatte er es noch nie gehabt. "Es war im Jahr 1964.." Zum Rechnen hätte er sowieso nachfragen müssen, welches eigentlich das aktuelle Jahr war. Die Welt spielte verrückt! Mandela wurde eingesperrt, die Amis wurden in Vietnam verhauen und die PLO wurde gegründet.. Die Zeitungen waren voll mit politischem KrimsKrams, jeden Tag. Aber hier.. im beschaulichen Atempo tickten schon damals die Uhren ein bisschen langsamer.." Oscar Jones hielt einen Augenblick inne und konnte die Ungeduld der jungen Menschen beinahe hören.
"Wir.." An dieser Stelle senkte er seine Stimme und kräuselte seine Lippen zu einem leisen vergnügten Lächeln. "Wir machten nur die größte Entdeckung aller Zeiten!"
"Junge Junge. Gold haben wir gefunden, Diamanten,.. War das eine Zeit. Aber das Besondere war die einfache Schönheit, die wir in dem Tempel gefunden haben. Man hätte fast meinen können, dass sich jemand immer noch um ihn gekümmert hat." Achja, wenn er das passende Schuhwerk noch hätte.. "Da hinten in der Vitrine, Dottore, ist ein Foto von meiner verstorbenen Frau. Sie trägt eine Halskette aus dem Tempel." Er wandte sich zu den anderen. "Ich hab sie ihr natürlich erst viel später geschenkt. Damals kannte ich sie noch gar nicht."

[Mercedes Bueno]

Diamanten? Dr. Bueno zog skeptisch die Brauen hoch, wagte aber nicht, Oscar in seiner Erzählung groß zu widersprechen, so wie sie ihn auch nicht auf seinen Rechenfehler aufmerksam gemacht hatte. Die Diamanten waren neu. Und auch sie waren nicht wirklich typisch selenistisch, zumindest nicht, was die Theorien betraf, die sie gelesen oder selbst erstellt hatte. Andererseits widersprachen sie auch nicht ihrer Theorie, dass über einen Umschlagplatz an Stelle des heutigen San Palabra Kostbarkeiten in diesen Tempel gelangt waren, die es sonst nirgendwo gegeben hatte.
Ihr Kopf wandte sich unwillkürlich in die Richtung, in die Oscar deutete, und den Schmerz in ihrem Fuß vergesend hatte sie sich schon halb erhoben, als ihr auffiel, dass das als Unhöflichkeit gewertet werden könnte. Dr. Bueno sank zurück auf ihren Stuhl. "Diese Halskette - haben Sie die noch? Und könnte ich sie mir einmal ansehen?" Ein Foto war besser als nichts, aber wenn es ein mehr als 30 oder 40 Jahre altes Foto war - je nachdem, wann Senora Jones in Oscars Leben getreten war - würde die Qualität vermutlich zu wünschen übrig lassen, und gegen ein Original, das man in Händen halten, drehen und wenden und akribisch nach Runen absuchen konnte, war ein Foto sowieso nur ein schwacher Trost.
Ihr Mund fühlte sich etwas trocken an, als sie eine dritte Frage hinterherschob, auch wenn sie befürchtete, den alten Herrn zu überlasten. "Und könnten Sie diese Lage dieses Tempels auf einer Karte wiederfinden?" Sie musste einfach darauf vertrauen, dass Ortskenntnisse etwas anderes waren als Jahreszahlen.

[Des Carter]

Übers aufmerksame Zuhören vergaß Des komplett die Kaffeetasse in seinen Händen, obwohl er das lebenserhaltende Zeug sonst regelmäßig in den Himmel lobte. Perceptua hatte Recht, er musste tatsächlich ein vollkommen anderer Schlag Wissenschaftler sein als Mercedes, weil seine Alarmglocken bei einem ganz anderen Teil der Erzählung losschrillten.
"Es sah aus als hätte sich noch jemand um den Tempel gekümmert?"
Scheiß doch auf Runen und Diamanten und das ganze Gedöns, wenn dort wirklich alles in Stand gehalten worden war wie Oscar berichtete und wenn dieser Tempel tatsächlich selenistisch war, dann hatte er hier vielleicht endlich, endlich die Bestätigung seiner Theorie, dass es den Kult nach wie vor aktiv gab! Kein Wunder also, dass Des mehr oder minder an der Kante des Stuhls saß vor lauter Aufregung.

[Perceptua Jones]

Perceptua blickte ihren Onkel mißtrauisch an. Gold, Diamanten -das klang arg hm, reißerisch...mit der Kette allerdings... Gern hätte sie sich das Foto sofort angesehen.
Sie sah, daß Mercedes skeptisch war, aber begierig, auch Des schien ihm zu glauben...
War er wirklich dem Tempel gewesen, den Mercedes sucht?? Würden sie ein Stück weiterkommen? Konnte Oscar den Tempel auf der Karte wiederfinden? O mein Gott, sie identifizierte sich schon total mit der Suche nach dem Tempel!!! Ja, sie mußte zugeben, daß sie auch aufgeregt war. Sie blickte gespannt zu Oscar.

[Mercedes Bueno]

Ein gequälter Laut kroch aus Dr. Buenos Kehle, und sie widerstand nur knapp dem Bedürfnis, Desmond vors Schienbein oder auf den Fuß zu treten. Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein! Sie nahm ihn mit, damit er hinterher mit ihr gemeinsam die Schilderungen von Senor Jones verifizieren konnte, und was tat er?! Dr. Carter hatte nichts Eiligeres zu tun, als den eventuell einzigen kooperationsbereiten Dörfler nach seinen hanebüchenen Theorien zu fragen! Herrje, sie sprachen hier von einer Erinnerung, die aus den 1960er Jahren stammte! Vielleicht waren Grabräuber dort gewesen, oder vielleicht verwechselte der alte Herr ein paar Erlebnisse, oder womöglich erschien ihm der Ort in seiner Erinnerung einfach viel ordentlicher - aber sie verschwendeten doch kostbare Zeit, wenn Dr. Carter hier seinem Irrglauben nacheiferte, der Selenismus könnte sich bis in die Gegenwart gerettet haben. Unsinn. Das wäre doch wohl irgendwem irgendwann irgendwo aufgefallen!
Weil aber eine narracitische Dame nicht ausfällig wurde, beschränkte Dr. Bueno sich auf einen zutiefst missbilligenden Blick in Desmonds Richtung. Normalerweise kamen nur Studierende in diesen Genuss, die zu spät den Seminarraum oder Hörsaal betraten und damit ihren Unterricht störten; und diese schlossen die Tür in der Regel dann direkt danach wieder - und zwar von außen!

[Oscar Jones]

"Nun.." Oscar Jones betrachtete seine Gäste aus aufgeregt, ja fast fiebrig glänzenden Augen. Junge, Junge. Die legten aber alle ganz schön los.
"Die Kette.." Jones räusperte sich umständlich und fuhr mit seiner Hand durch sein schütter gewordenes Haar. "Die Kette," murmelte er gedankenverloren. "Gina bewahrte ihre Sachen immer im Schmuckkästchen auf, ja ja, damit war sie sehr penibel. Jeder Ohrring musste genau an seinem Platz stecken und wehe, jemand gab ihr was Geliehenes nicht zurück.. Aber wenn was Neues dazu kam, ja, da hatte sie gar nichts dagegen." Mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen schüttelte er in Gedanken schwelgend den Kopf. "Nun, die Schmuckkiste müsste oben unterm Dach stehen, bei den ganzen anderen alten Sachen von ihr." Er ließ sein Blick über die drei wandern und blieb bei Des hängen. "Einer von euch jungen Leuten müsste sie holen." Mit einem Seufzen stützte er eine Hand in seine Seite. "Ich.. sitze hier eigentlich gerade ganz gut. Aber auf einer Karte.." Er widmete Dr Bueno einen langen Blick und zuckte letztendlich den Weg. "Wer weiß, vielleicht erinnere ich mich an was.."
Oscar griff nach seiner Tasse und schlürfte emsig daraus, ehe er sich an Des Frage erinnerte: "Ich kann dir gar nicht so genau sagen, woher mein Eindruck stammte. Der Tempel lag schon recht verborgen, der Weg war kaum zu erkennen, als war überwuchert. Aber.. der Tempel vermittelte den Eindruck, als würde er darauf warten, wiedergefunden zu werden."
Jones lachte leise. "Vielleicht sind das aber auch nur die Hirngespinste eines alten Mannes." Und das meinte er natürlich ironisch. Für sein rüstiges Alter war er immer noch topfit. Vor allem oben in der Birne.