Oscar Jones' Hütte

[Narracion]

[Sofia Pereira]

cf: letzter Tag (Sofias Hütte)

Wenn man Adam so zuhörte, musste Sofia froh sein, an diesem Tag noch am Leben zu sein. Der Mann schwitzte nämlich, und das bedeutete seiner Aussage nach, dass er mindestens Tropenfieber hatte. In dem Zustand hatte der es doch glatt fertig gebracht, sie nach Wadenwickeln zu fragen?!
Sofia strich sich ein paar Haare aus der Stirn, während sie den Korb mit den Einkäufen so balancierte, um die andere Hand frei zu haben und die Haustür - also Hüttentür - öffnen zu können. Adams Hypochonder-Anfall war ein erfreulicher Anlass gewesen, ihn weiter in ihrer Hütte zu verstecken, damit sie sich Tantchen und Uropa erst einmal alleine vorknöpfen konnte. Sofia verspürte keine Lust, diesen Gringos in den Dschungel zu folgen, solange sie nicht die Gewissheit hatte, dass die auch etwas finden würden, und die beiden Jones' würden da doch sicher mehr drüber wissen! Ihre Tante oder Cousine oder was auch immer diese Britin aller Unwahrscheinlichkeit wirklich für ein Verwandtschaftsgrad von ihr war schien ihr von der neugierigeren Sorte, und wenn der alte Knacker mal seinen gesprächigen Tag hatte und der Kalk nicht zu schnell rieselte, brabbelte der doch auch hin und wieder was Brauchbares. Sofia hatte jedenfalls mal eingekauft, um ein bisschen für gutes Wetter zu sorgen.
"Hola!", rief sie, als sie die Tür aufstieß und zu spät daran dachte, dass Oscar um die Zeit vielleicht ein bisschen Siesta halten könnte. "Jemand zuhause?"

[Oscar Jones]

Oscar schlurfte aus seinem Wohnzimmer in die Küche. Warum war es nur üblich seine Türen nicht abzuschließen? Grummelte er in sich hinein. Schließlich hatte man ihn gerade bei intensiven Schachstudien gestört. Dass er über die Zeitung hinweg seine Augen geschlossen hatte, hing natürlich nur damit zusammen, weil er so besser nachdenken konnte.
"Sofia.." Begrüßte er das junge Mädchen, das mit einer riesigen Tüte in seiner Küche stand. Er musste gar nicht ihre Stimme hören, um sie zu erkennen, nein, ihr Parfüm schien ihr jedes Mal voran zu eilen.
Er stütze seine Hände auf einer Stuhllehne ab und beobachtete sie, "Wie geht es dir?" Und was wollte sie? Dachte er argwöhnisch, während er sie allerdings wohlwollend von Kopf bis Fuß musterte.

[Perceptua Jones]

So, nun waren sie weg. Seufz. Nunja. Sie saß mit Onkel Oscar im Wohnzimmer, er döste, sie arbeitete an ein paar Geschichten ...
Da kam doch schon wieder jemand? Onkel Oscar schlurfte los... Die Stimme einer jungen Frau? Mercedes war es nicht. Jemand aus dem Dorf? Sie wartete noch einen Moment, dann ging sie hinterher in die Küche.
Sofia! Die Enkelin! Sie kannten sich noch nicht.Vielleicht würden sie sich gut verstehen?
"Hallo!" sagte sie offen und freundlich und streckte ihr die Hand entgegen. "Du hast aber viel Besuch zur Zeit, Onkel Oscar!" wandte sie sich lachend an Oscar.
"Sie kommen extra aus der Stadt, um ihren Großpapa zu besuchen? Wie nett. Darf ich Ihnen das abnehmen?" und deutete auf die Tüte.
"Achso, ich bin Perceptua, die Großnichte, extra aus Großbritannien angereist, um Oscar zu besuchen." scherzte sie.

[Sofia Pereira]

Na, wenn das in Oscars Begrüßung mal nicht pure Begeisterung war... Sofia drehte Oscar den Rücken zu, während sie die Tür schloss, und nutzte die Gelegenheit gleich mal, um ungesehen die Augen zu verdrehen, nur um dann freundlich und heiter zu lächeln, als sie sich wieder zu ihm herumdrehte - und auch gleich die 'Verwandtschaft' mitbegrüßen durfte.
"Mir geht es großartig, danke der Nachfrage", erwiderte sie strahlend, wobei sie jedes Wort besonders deutlich akzentuierte, damit ihre falschen Freundlichkeiten nicht an seine tauben Ohren verschwendet waren, und hob ihre Einkaufstüte etwas an. "Ich habe etwas eingekauft, denn Roberta erzählte, du hättest neuerdings so viel Besuch." Sie setzte die Tüte ab, um Perceptua die Hand zu reichen, und ging dabei mit einem Lächeln über ihr Hilfsangebot hinweg.
"Das geht schon, danke. Ich bin ja froh, dich endlich kennen zu lernen; aber irgendwie war in den letzten Tagen so schrecklich viel zu tun..." Großpapa, ts! So alt, dass der senile Knacker nur zwei Generationen vor ihr entstanden war, sah sie doch wohl echt nicht aus! "Aber euch ist ohne mich ja nicht langweilig geworden, und im Haushalt hatte Oscar dann sicher ja auch etwas Hilfe." Sollte Tante Perceptua hier doch ruhig die ollen Böden wischen, ha!

[Oscar Jones]

Oscar Jones lächelte Perceptua nur halbamüsiert zu. Gegen etwas mehr Ruhe hatte er überhaupt gar nichts einzuwenden. Dann könnte er vielleicht endlich das dumme Schachproblem in der Fernsehzeitung lösen und sich dem Boule widmen auf dem Dorfplatz. Und mit seinem besten Freund über die jungen Dinger wettern, die zwar keine Ahnung hatten aber dennoch den ganzen Tag schnatterten.
"Das ist sehr großzügig von dir." Er nickte Sofia zu, ehe er sich den Stuhl vom Tisch zog und sich umständlich hinsetzte.
"Und, Sofia?" Knarrte er versöhnlich. "Was gibt's Neues da draußen vor meiner Tür?"

[Perceptua Jones]

Aha, das war also die Nichte!
Einerseits schien Oscar erfreut über den netten Anblick derselben und die nette Geste von Sophia, andererseits schien er
sich auch nach etwas Ruhe zu sehnen. Oscar brauchte auch seine Ruhephasen nach dem ganzen Geschnatter, doch.
Sie kam auch damit zurecht, mal allein zu sein. Nein, sie brauchte das- nach so einem Familienbrimbamborium-
kurzer Gedanke an Mutter...genoß sie es, für sich zu sein.
Vielleicht könnte sie ja noch später im Dorf rumstromern, an ihrer Geschichte weiterarbeiten oder zum Handelsposten aufbrechen, um noch wichtige Papiere von ihrem Vater abzuholen, ging ihr durch den Kopf.
Sie lächelte, setzte sich und blieb stumm, um zu hören, was Sophia zu erzählen hatte.

[Sofia Pereira]

Okay, versteckte Andeutungen, dass sie gern mehr über den Besuch bei Oscar und Tante hören wollte, waren schon mal völlige Reinfälle. Warum mussten ihr eigentlich alle immer alles so schwer machen? Reichte es nicht, Adam an der Pobacke kleben zu haben und Senor Richard Allwissend in San Palabra auch ziemlich nah dran? Aber gut - sie war diejenige, die etwas wollte; da musste sie wohl erst noch etwas schön Wetter machen. Nur gut, dass diese Frau im Laden wie der reinste Wasserfall quasselte! Mit Adam im Haus kam sie schließlich zu wenig raus.
"Hm, mal sehen", überlegte Sofia laut, lehnte sich mit dem Hintern gegen die Küchenfront und tippte sich ans Kinn. "Diese furchtbare dicke Frau mit dem ganzen Voodoozauber hat den halben Laden für Marschgepäck leer kaufen lassen, weil sie zusammen mit ihrer halben Familie einen Ausflug nach San Palabra macht." Hätte sie das vorher gewusst, hätte sie Adam ja mit denen mitgeschickt... "Und die andere Familie hat Besuch von irgendeiner Tochter bekommen, die irgendwas total Wichtiges in Primera macht und mit Absätzen herumläuft, die jeder normalen Frau auf diesen Wegen hier die Knöchel brechen würden." Laut Roberta. Sofia hatte weder die Abreise der Santos-Familie noch diese zugereiste Bolivar gesehen. Den polizeigesuchten Fälscher in ihrer Hütte verschwieg sie mal.
"Und was gibt's so Neues bei euch? Ich hab gehört, diese Fremden waren hier zu Besuch?" Neugierig blinzelte sie zwischen Oscar und Perceptua hin und her. "Sind das etwa Bekannte oder Freunde von euch?"

[Oscar Jones]

Jones seufzte, mit diesem neumodischen Geplapper kam er kaum noch mit. Welche Frau war denn die mit dem Voodoozauber? Also auf so ein albernes Gewäsch gab er doch gar nichts. War denn Atempo so groß geworden, dass man sich die Namen der Leute hier nicht mehr merken konnte? Das war doch Blödsinn.
Und was für eine andere Familie?
Oscar schüttelte den Kopf: "Sofia, wie lange bist du schon hier?" Leicht tadelnd: "Meinst du nicht, dass es langsam etwas Zeit wird, die Namen zu lernen?" Hilfesuchend schaute er sich nach Perceptua an.
"Und da kannst du auch gleich mit unseren Freunden anfangen: Des und.. Naja, sie ist keine Freundin, eher eine.. Geschäftspartnerin?" Er wußte auch nicht, wie er sie betiteln sollte. "Des ist ein Abenteurer.. Genauso wie ich.. Habe ich dir schon mal von der Geschichte erzählt, als ich in den grauen Grotten Frankreichs auf der Suche nach sehr geheimnivollen Pilzen fast mein Auge verloren hatte?"

[Perceptua Jones]

"Sophia," kam sie ihrem Onkel zu Hilfe. "Sie haben doch bestimmt mitbekommen, das eine Expedition hier in den Dschungel gestartet ist. Dr. Bueneo und Dr. Carter, die uns besuchten, sind Teil dieser Expedition und wollten unbedingt an Oscars reichem Erfahrungsschatz teilhaben. " Und das meinte sie kein bißchen ironisch. Sie lächelte. "Sie suchten irgendwelche Hinweise, die für die Expediton hilfreich wären." erklärte sie weiter.
"Interessiert Sie das, Sophia?" fragte sie und sah die junge Frau freundlich an. Den Eindruck machte sie eigentlich nicht. Vielleicht suchte sie bloß Gesprächsstoff. Ganz so wie eine emphatische Altenpflegerin sah sie auch nicht aus- ging ihr durch den Kopf...aber nein, nicht urteilen, Perceptua, schalt sie sich.
"Dann hol ich uns mal ein Kakao oder sowas und wir hören die Geschichte von den Grauen Grotten!" Herrlich. Sie lachte und sah dann aufmerksam zu Sophia, wie diese reagierte.