Wirtshaus

[Mercedes Bueno]

"Senorita", verbesserte Dr. Bueno Javier nahezu automatisch, auch wenn sie sich direkt danach ärgerte. Das ging den doch gar nichts an, ob sie verheiratet war oder nicht! "Oder Dr. Bueno." Sie räusperte sich und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war. "Und Sie irren sich, Senor Javier. Ich zweifle weder an Ihrer Kompetenz noch an Ihrer Motivation." Die Leute hier waren zwar alle jenseits der Zivilisation, aber bisher hatte Dr. Bueno eher den Eindruck gehabt, als hätte die hiesige Bevölkerung mehr Interesse daran, sie außerhalb des Dorfes zu wissen. Dass Javier sie lieber hier als im Dschungel haben wollte, war entweder ein deutliches Warnsignal oder Anzeichen dafür, dass er tatsächlich nur ihr Bestes wollte.

Sie befeuchtete sich die Lippen und setzte sich etwas aufrechter. "Allerdings ist es nicht so, als hätte ich eine große Auswahl. Sehen Sie, ich bin Teil einer Expeditionsgruppe, und diese befindet sich bereits im Dschungel. Derzeit ist meine Beweglichkeit etwas begrenzt, aber noch ein oder zwei Tage, und ich werde sicher in der Lage sein zu reisen. Dann muss ich zu ihnen aufschließen, Raubtiere hin oder her. Die Option, nicht zu reisen, besteht dann gar nicht. Und da diese Option ausfällt, bin ich bemüht, trotz Ihrer Warnungen eine sichere Reise zu organisieren. Ich werde nicht hierbleiben." Den letzten Satz sprach sie mit Absicht etwas lauter; vielleicht hörte der Rest der Dorfbevölkerung ihn ja und betrachtete es als geringeres Übel, sie zu ihrer Gruppe zu begleiten als sie in diesem so gastunfreundlichen Dorf zu behalten. Wenn Javier schon als Führer ausschied, konnte ja womöglich jemand anderes in die Bresche springen!

[Oscar Jones]

Oscar blinzelte angestrengt in die Dunkelheit hinein, bis er seine Nichte erkannte. Natürlich nur wegen der Dunkelheit. Und sie hatte er auch schon an ihrer Stimme erkannt.
Oscar drehte sich zu ihr um und stützte sich dabei mit einer Hand auf einem der Barhocker ab. "Perceptua.." Er lächelte sie erfreut an. Und die Senora Dottore tauchte auch nicht neben ihr auf. Anscheinend hatte sie ihr Schachproblem gelöst.
"Wie schön dich wiederzusehen, Kind." Mit seiner freien Hand strich er sich durch das schüttere Haar. Er hätte seine Mütze natürlich auch aufbehalten können. Aber das geziemte sich in einem geschlossenen Raum nicht.
"Ein Drink.." Nickte er und schaute nochmal in die Karte. "Ich nehme einen Brandy. Ruby weiß wo meiner steht."

[Javier Santos]

Javier sah die andere Senora ?- Senorita? zu Oscar hinübergehen.
"Vergeben sie mir, Senorita Bueno," wandte er sich an die Frau- den Doktor, die Senorita und lächelte sie an, während er seine Gedanken ordnete...
... Der Dottore würde also auf jeden Fall in den Dschungel gehen. Aber nein!! Sie fand ja hier keinen Führer! Vom Dorf würde ihr keiner helfen, so sicher war er sich und es würde doch wohl nicht noch ein Fremder auftauchen, der darüberhinaus geeignet wäre, Senorita in den Dschungel zu begleiten. Aber den Fall, es würde unglücklicherweise einer auftauchen? Würde sie den Tempel finden und wie weit waren die anderen überhaupt, verdammt?
Konnte er noch irgendwas tun? Sie vielleicht auf eine falsche Fährte locken? Er rieb sich das Kinn.

"Einen Tempel suchen Sie ja? "Er schüttelte den Kopf, machte aber ein nachdenkliches Gesicht. "Oscar," (armer Oscar dachte er) "hatte mal was erzählt, das er damals eine Expedition in den Dschungel gemacht hatte... und ...er hatte ein ..Amulett im Dschungel gefunden, welches er natürlich verloren hat, er wird sich auch nicht mehr daran erinnern," Javier blickt zu Oscar rüber und zuckte entschuldigend mit den Schultern zu Dr. Bueneo. "Er hatte damals - ich war noch ganz jung- etwas von, also- hm, " Javier überlegt angestrengt oder tat wenigstens so, "....die Expedition ging von San Palabra aus, glaub ich. Hilft Ihnen das irgendwie weiter?" Ein treuherziger Blick wäre wohl übertrieben. Lügen ist doof. Nicht sein Ding. Also fest und freundlich,gewinnend(?) angucken." Allerdings," schränkte er ein, "der Trupp kam in schlechter Verfassung hier an, ziemlich durcheinander, wissen Sie- Fieber, Durchfall.......!"Er seufzte bedauernd -erwartete aber insgeheim, ob sie anbiß.

[Perceptua Jones]

"Ja, Onkel Oscar!" strahlte sie ihren Onkel an und lachte. Er hatte sie erkannt! Perceptua verrenkte sich den Hals nach der Wirtin... ob sie wohl? Sie beugte sich über den Tresen... Unmöglich konnte sie Oscar auf dem Trockenen sitzen lassen! Unmöglich. Vielleicht kam sie ja gleich? Perceptua setzte sich wieder brav auf ihren Barhocker, lächelte Oscar an, blickte zu Mercedes und ihrem Gesprächspartner hinüber und warf dann kurzentschlossen nochmals einen Blick hinter die Theke. Da stand er ja gleich. Der Brandy. Sie schnappte sich ein Glas, den Brandy und schenkte sich und Oscar ein.
"Das geht doch bestimmt in Ordnung, oder?"
Sie beugte sich vertraulich zu Oscar: "Doktor Bueno sucht immer noch Informationen über den Tempel, der hier im Dschungel sein soll- und einen Führer!"

[Mercedes Bueno]

Ein Amulett? Sollte Senor Jones ihr tatsächlich doch keinen Bären aufgebunden haben, als er von dem Tempel erzählt hatte? Sie blickte an Javier vorbei zu jener Stelle an der Theke, an der Perceptua sich gerade mit ihrem Onkel unterhielt. Vielleicht sollte sie ihm eine zweite Chance geben.
"Ein Amulett, sagen Sie? Erinnern Sie sich vielleicht noch, aus welchem Material es war? Gold, Silber, Holz..? Vielleicht hat Oscar es Ihnen ja erzählt oder gezeigt, ehe er es verloren hat?" Und dass er das vergessen hatte, glaubte sie Javier aufs Wort. In all den Jahren hatte sich ja doch viel Wissen in Oscars Kopf angesammelt; sicher sah es darin nicht ordentlicher aus als in seinem Wohnzimmer. "Oder erinnern Sie sich vielleicht an die Namen der anderen Expeditionsteilnehmer von damals?" Womöglich war da ja ein bekannter Name dabei, ein Kollege, der in eine bestimmte Richtung Theorien veröffentlicht hatte. Allerdings klang es eher so, als wäre das keine wissenschaftliche Gruppe gewesen. Sie hatte ja auch im Vorfeld nach Literatur gesucht, die Reisen hier beschrieben hatten - und nichts gefunden.
Apropos Reisen.. "Sie selbst haben aber auf Ihren Reisen durch den Dschungel hier nie eine Ruine oder ein Bauwerk bemerkt, nein? Oder vielleicht einmal etwas gefunden?" Sie rang sich ein Lächeln ab. "Falls ja, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie mich daran teilhaben lassen würden."

[Oscar Jones]

Oscar grinst verschmitzt, als er seine Nichte Perceptua so agieren sah. Na, da hatte er sich aber in seiner Familie getäuscht. Er dachte, er wäre der einzige Flegel gewesen.
"Ja, aber hallo." Brummte er und schaute begehrlich auf das Glas Brandy. Ruby war nicht mal in sich. Ja, und er fragte sich bis heute, warum sie sich von dem ganzen Trinkgeld, was er bereits hiergelassen hat, noch keinen Porsche gekauft hat, oder einen von diesen dünnen Fernsehern, den die jungen Dinger heute alle im Wohnzimmer stehen haben mussten. Pah. Also, das war ja nichts für Oscar. Er erlebte die Abenteuer lieber selbst, als sie in der Röhre zu schauen. Oder auch nicht mehr Röhre. Heutzutage ja..
Oscar wischte einmal kurz über seine Augen, als Perceptua so unvermittelt auf Doktor Bueno zu sprechen kam. Dabei ging es ihm doch gerade noch um die Fernseher von heute. Allgemein die Medien, das war ja schon ein dolles Ding, also..
"Einen Führer?" Oscar lehnte sich ein wenig zurück und schaute Perceptua entgeistert an: "Du willst mich doch nicht auf meine alten Tage noch in den Dschungel schicken?" Wobei er das sicherlich noch packen würde.

[Javier Santos]

Oje. Aus Stein, Holz oder Gold... ? Was sollte er noch für Lügenmärchen auftischen? Sollte er wirklich hier sitzenbleiben und sich weiter ausfragen lassen über spontan erfundene Ereignisse? Oder... den Spieß mal umdrehen?
"Senorita Bueno," sprach er unschuldig, " haben ihre Kollegen im Dschungel denn noch gar nichts gefunden?" Er machte eine kleine nachdenkliche Pause. "Der Expedition ist wohl kein Erfolg beschieden. Wollen Sie wirklich hinterher, um im Dschungel herumzuirren- für gar nichts?"
Er lehnte sich zurück."Ich habe im Dschungel nämlich noch nie irgendein Bauwerk oder auch nur klitzekleine Reste davon gesehen. Warum sind Sie sich nur so sicher, in dieser Wildnis etwas zu finden?"
Ja, was hatte sie überhaupt in der Hand?

[Perceptua Jones]

Perceptua freute sich über Oscars Begeisterung über den Brandy und prostete ihm zu.
Er verstand ihre beiläufig eingeflochtene Bemerkung wieder mal falsch.
Sie lächelte und seufzte- ihre "trickreichen" Bemühungen, Oscar Informationen zu entlocken... würden sie je von Erfolg gekrönt werden? Oder sollte sie am Ball bleiben? Doch! Immer weiter versuchen!
"Du," fragte sie neugierig, "wie ist es im Dschungel? "Sie blickte ihn schwärmerisch an, wie es nur eine dumme Gringa tun konnte. "Hast du mal was Aufregendes erlebt?" Und noch ein erwartungsvoller Blick... Ihre Erwartung oder Hoffnung bestand auch darin, daß er ihr nicht nur von riesigen Termitenkolonnen oder dergleichen erzählte....

[Mercedes Bueno]

Dr. Bueno, die gerade noch beinahe etwas verträumt die Züge ihres Gegenüber betrachtet hatte, blinzelte. Herrje, an was für einen Hinterwäldler war sie denn da geraten, wenn der sich nicht einmal in der Lage sah, ein paar einfache Fragen zu beantworten?

Ihre Nase rümpfte sich von allein, und ihr Mund zog sich zu etwas zusammen, was ihre Studierenden schon diverse Zeit fürchteten, denn diese Grimasse schnitt Dr. Bueno nur, wenn ein Referat, eine Arbeit oder auch nur eine Antwort ihre Erwartungen nicht nur verfehlte, sondern dabei auch noch einen besonders großen Bogen schlug.

"Nun", antwortete sie schließlich etwas gedehnt, "wenn Sie offensichtlich Ihr gesamtes Leben in diesem Dschungel verbracht haben, ohne etwas zu entdecken, wie sollten das meine Kollegen dann in weniger als 48 Stunden, Senor?" Sie reckte ihr Kinn. "Und wie ich bereits sagte", und sie wiederholte sich nur äußerst ungern, "dass ich in den Dschungel reise, steht nicht zur Disposition. Ich werde reisen, ob Sie mir helfen oder nicht."
Ob er mit dieser ominösen Expedition wohl nur Eindruck bei ihr hatte schinden wollen? Das tat sein Deo doch schon zur Genüge - sein vermutlich nicht existentes Deo.

[Javier Santos]

Müssen WissenschafterInnen so sein? So spröde, kratzig und ... distanziert? Seine Fragen mit einer Gegenfrage zu beantworten! Na sowas! War er im Kontakt zu anderen Menschen so außer Übung gekommen? Aber das war keine normale Plauderei, machte er sich nichts vor. Sie standen, etwas theatralisch ausgedrückt, in gegnerischen Lagern- er Selenist- und sie? Wollte partout in den Dschungel und den Tempel entdecken... welche Gefühlregung wäre wohl angemessen? Welche Reaktion?
Alle lobten immer seine Gelassenheit. Gut, er war nicht ängstlich im Moment... aber doch -schauspielern, weggehen, scheinbar kooperieren....??? Was würde helfen, um den Tempel zu schützen?
"Madame... Entschuldigung, Senorita, " meinte er begütigend... Nein. Er brach ab.
Noch ein Frontalangriff. "Mal angenommen, es gäbe einen selenistischen Tempel, sie würden ihn finden... was wäre dann?"
Er bereute es in dem Moment, in dem er es ausprach... nein, sie würde es nicht verstehen... es zählte nur die wissenschafliche Entdeckung, was sonst?