Hauptraum

[May Comida]

May hielt den Löffel an ihren Mund heran und pustete vorsichtig darüber. Zu oft schon hatte sie sich in ihrem Leben den Gaumen verbrannt, weil sie zu ungeduldig war. Nun, sie war der Überzeugung, dass man bis ins hohe Alter noch nicht ausgelernt hatte. Und vielleicht würde es Allegra auch irgendwann schaffen, nichts zu verbrennen. ... Nun, das würde nicht ihre Mission werden.
May lächelte Allegra schief an: "Danke." Und nahm nun den ersten Bissen. Tatsächlich schmeckte es hervorragend. Für einen kurzen Moment hatte sie ja bezweifelt, ob Allegra nicht auch in Luftlinie schlechten Einfluss auf das Essen hätte.
Während sie aß, hörte sie Allegra aufmerksam zu und nickte letztlich bestätigend.
May befreite mit einem Räuspern ihren Hals, ehe sie zu sprechen begann: "Das sollten wir versuchen." Sie nickte noch einmal bekräftigend, auch wenn sie sich nicht all zu viel davon versprach. Schließlich gehörten Allegra und sie nicht zu den stärksten Visionären. "Zu schade, dass die anderen Priesterinnen noch nicht da sind." Seufzte sie. Nicht nur, dass sie gemeinsam viel mehr Kraft hätten, sie hatten schließlich eine Visionärin unter ihnen.

[Allegra Dominguez]

Ja, sie hatte es auch anders erwartet. Zumindest die Priesterin, deren Visionen immer am stärksten waren, hätte Allegras Meinung längst hier sein müssen. Wenn selbst sie spürte, dass etwas nicht stimmte... Andererseits gab es vielleicht auch einen guten Grund dafür, dass sie ihren Weg noch nicht zu ihnen gefunden hatte. Vielleicht wurde nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Aber ein Jammer, dass sie noch nicht hier war, blieb es dennoch.
Allegra nickte zustimmend, während sie schweigend mit dem Essen begann. Die Hitze, die sich auf ihrer Zunge breit machte, verriet ihr, dass sie besser erst noch darauf gewartet hätte, bis es etwas abgekühlt gewesen wäre, aber sei's drum. Vielleicht war es nur die Rache des Essens, das normalerweise von ihr verbrannt wurde; jetzt bemühte es sich halt, ihre Zunge zu versengen. Hastig griff Allegra nach etwas zu trinken, um den Brand zu löschen.
"Willst du es gleich versuchen", erkundigte sie sich und sog dabei möglichst unauffällig kühlere Luft in ihren Mund, "oder warten wir auf die Dunkelheit?" Wo sie selbst schon nicht die besten Seherinnen waren, half es vielleicht, aufs Mondlicht zu warten.

[May Comida]

May schüttelte den Kopf. "Lass uns bis zur Dunkelheit warten." Mit einem kleinen nicht ganz furchtbar ernstgemeinten Seufzer fügte sie hinzu: "Es gibt sicherlich noch einiges vorzubereiten."
Tief in Gedanken versunken löffelte May ihren Teller leer und wischte ihn schließlich mit einer Scheibe Brot aus. Sie hasste es, wenn Lebensmittel verschwendet wurden. Und sei es auch nur ein Tröpfchen auf dem heißen.. äh auf dem Teller.
Auch in Atempo hatte sie mit einigen erst einmal über den Wert von Lebensmitteln reden müssen. Ein ebenso große Verschwendung von Lebensmitteln konnte die falsche Zubereitung sein. Ach, da hat sie schon Reden gehalten! Lag das daran, dass sie in ihren jungen Jahren nur sehr wenig zur Verfügung hatte oder daran, dass es letztlich Geschenke der Selen waren? Apropos Selen.. May zuckte für sich die Schulter, brachte dann mit einem entschlossenen Kloing den Löffel auf den Teller nieder und blickte Allegra wild entschlossen an: "Also, womit starten wir?"

[Allegra Dominguez]

"Einiges, ja," Allegra nickte, während sie ihren Mund und ihren Magen mit der besten Mahlzeit seit Mays letztem Besuch füllte. Sie war ja nun wirklich die letzte, die an den Kochkünsten der Tempelwächter herummäkeln durfte, aber wenn die bei May in die Kochlehre gehen würden, hätte sie ja nun nicht wirklich was dagegen.
Allegra schob schließlich bedauernd den leeren Teller fort und lehnte sich zurück, während sie im Kopf ihre To-Do-Liste aufrief. "Selbst wenn Fremde im Dschungel sind: Das Wichtigste ist es, den Weg für die anderen vorzubereiten." Einige der älteren oder jene, die erfahren genug waren, um sich um Dschungel ordentlich orientieren zu können, würden es sich auch ohne Hilfe schaffen, den Tempel zu erreichen, aber so mancher Kleinstädter aus San Palabra war ebenso hilflos in der Dschungelumgebung wie jeder andere Städter. Den Dschungel mied man besser, das war gesünder für Mensch und Natur.
"Wir wollen doch nicht, dass noch jemand den Umweg statt der Abkürzung durch den Tunnel nehmen muss." Sie grinste May an, während sie aufstand und die Teller zusammenschob. Für den Abwasch war nachher noch Zeit. "Javier wird sicher schon auf uns warten."

[Narracion]

[Allegra Dominguez]

cf: letzter Tag

Mit leichtem Ächzen wuchtete Allegra ein viertes Säckchen auf die Tischplatte. Erstaunlich, wie schwer Sand werden konnte, wenn man ihn in ein Tuch einnähte! Da konnte man sich glatt daran erinneren, dass das mal massiver Stein gewesen war. Allegra zog mit einigen energischen Handbewegungen ihren Zopf wieder stramm. Es war ein Fehler gewesen, alle drei Tempelwächter auszuschicken - Javier ins Dorf, die beiden anderen noch einmal auf die Suche nach der Bedrohung. Normalerweise hätte sie sich jetzt mit ihnen besprochen, ob sie den Sand ausstreuen gehen sollten oder nicht. Sollte da jemand auf der Suche nach ihnen sein, wäre es ja nahezu idiotisch, hänsel- und gretelgleich die Brotkrumen auszustreuen. Andererseits war es höchste Zeit, wenn sie verhindern wollten, dass die anderen Gläubigen, die auf dem Weg zum Tempel waren, um am Ritual teilzunehmen, sich im Dschungel verliefen. Familie Santos aus Atempo war da weniger betroffen - Mama Santos würde "ihren" Tempel auch mit verbundenen Augen finden, solange sie zwei bis drei Leute stützten, damit sie nicht allein gehen musste, und auch viele der übrigen Dörfler kamen schon so viele Jahre her, dass sie den Weg finden würden. Und die Gläubigen aus San Palabra? Nun, vermutlich galt für die dasselbe, auch wenn sie nicht so dicht am Dschungel lebten wie ihre Brüder und Schwestern aus Atempo. Aber konnten sie es denn riskieren? Und welches Risiko war höher?

Die letzte Nacht hatte Allegra die Schutzkreise an den acht Königinnen noch einmal verstärkt; eigentlich würde jeder Nicht-Selenist an diesem Ort orientierungslos vorbeigehen und ihn gar nicht erst bemerken. Zu schade, dass der Tempel zu groß war, dass dieselben Runen auch bei ihm wirken würden - obwohl Allegra die Theorie hatte, dass sie es durchaus schaffen könnte, einen solchen Schutzkreis zu erschaffen: direkt nach dem Ritual, wenn ihre Kräfte aufgefrischt und alle Gläubigen versammelt waren. Mit der Gemeinschaft im Rücken müsste es ihr eigentlich gelingen, und dann wäre der Tempel - nun ja, für eine Zeitlang geschützt. Vielleicht sogar für einen ganzen Monat. Falls das reichte...

Seufzend strich sie über einen der vier Säckchen auf dem Tisch und ließ die Schultern hängen. Sie war bereit, etwas zu tun - wenn sie nur wüsste, gegen wen oder was!

[Narracion]

[Javier Santos]

cf Hochplateau

"Gut, tun wir das -Zeit für einen gepflegten Tee!" Gemeinsam gingen sie zur Küche im Haupthaus.
Javier betrat als erster den Raum. "Rubyyy!! Alles fertig? Wir wollen Tee!" lachte er. Ruby deutete auf die Becher, die auf dem Tisch standen.
"Hoffentlich kommen die andern bald..." bemerkte Javier und nahm Platz, sprang jedoch noch mal auf "Oder soll ich was helfen?" und trat zu Ruby. "Hm, lecker..."
Ruby machte anscheinend noch einen Salat und brummelte. "Setzt dich." befahl sie.
"Ja, Ma`am."
Grinsend sah er Allegra und dann die etwas langsamere May reinkommen.

[Allegra Dominguez]

cf: Hochplateau

Allegra schmunzelte, als Javiers Stimme von den Wänden der riesigen Halle zurückgeworfen wurde. Weder ihm noch Diego hätte man vorwerfen können, dass es am Rad des Mondes still vorginge, solange sie da waren. Nicht, dass Allegra etwas gegen Ruhe einzuwenden gehabt hätte, aber die ganze Zeit ehrfürchtiges Schweigen hielte ja der stärkste Selenist nicht aus, von daher genoss sie die Fröhlichkeit der beiden Santos.
Sie begrüßte Ruby herzlich, doch während May sich wie selbstverständlich Ruby anschloss und an der Kochstelle zu werkeln begann, schloss sich Allegra um des Wohls ihrer allen Essens lieber Javier an und ließ sich bei ihm an einem der Tische nieder. "Diese Expedition", begann sie nachdenklich. "Was genau weißt du darüber?" Wenn Miguel sich ihr schon anschloss, hatte er doch sicher einen Grund dafür! "Wonach suchen sie?"

[Javier Santos]

"Hm." machte Javier. "Im Dorf erzählen sie, sie suchen einen Inkatempel ..." Das war sicher schockierend genug, er sah zu Allegra hinüber.
Mußte er erwähnen, daß er höchstselbst mit dieser Wissenschaftlerin gesprochen hatte... er könnt sich jetzt noch in den Hintern treten ... geschickt, wie er sich angestellt hatte.
"Diese Doktor, ... Bueno, scheint sehr hartnäckig zu sein. Sie hat sich den Fuß verletzt und mußte im Dorf bleiben und nun schnüffelt sie im ganzen Dorf herum.
Sie hat mich gefragt, ob ich sie in den Dschungel führen kann." setzte er hinzu. "Und hatte gestern abend wohl auch noch jemanden gefunden."