Außentreppe

[Diego Santos]

"Ich kann ja auch wieder zurückkommen." So wie er grinste, schien es wirklich als wäre für ihn die Welt in Ordnung. Wenn man diese laissez-faire Attitüde nicht schon von ihm gewöhnt wäre, könnte man Diego vermutlich für bescheuert halten. Aber er war nunmal so. "Wenn ich gleich aufbreche sind wir spätestens morgen früh wieder da." Kam ganz drauf an, wie schnell Yane war und ob sie heile wieder zurückkamen. Die Kleine allerdings im Dschungel zu lassen, neugierig und in der Nähe von irgendwelchen Kerlen, die sonstwas mit ihr anstellen könnten, behagte Diego nicht. "Außerdem kann ich auf dem Weg direkt ein paar Sicherheitslücken stopfen und vielleicht ein paar Zeichen legen, dass die Pilger auf dem Weg vorsichtig sein sollen. Zumindest für die Strecke ab der Hand."

[Allegra Dominguez]

Hm, dann würde sie ihre Schwester wohl auch nicht anrufen können. Zu dumm.
"Wir können uns aber nicht hier verstecken, solange die Verhüllten auf dem Weg hierher diesen beiden Gruppen begegnen können, May." So sehr Allegra deren Wunsch auch verstand - und sogar teilte, denn am sichersten fühlte sie sich immer, wenn der Tempel voller Leben war - so sehr teilte sie auch Diegos Bedenken dagegen, Yane in dieser Situation allein zu lassen. Allegra hätte Yane lieber jetzt als gleich im Tempel, und wenn Diego sie dafür fluchend, spuckend und beißend an den Haaren herbeizerren musste! Andererseits genügte Diegos Anwesenheit vielleicht schon, um Yane etwas einsichtiger zu machen. Junge Leute unter sich....?
"Außerdem wird Javier sicher heute schon zurückkommen." Hoffentlich mit Ruby. Vielleicht auch mit Miguel. Oder zumindest mit einer Antwort, was Miguel in San Palabra trieb. Allegra runzelte die Stirn. "Hat Miguel eigentlich mal was davon gesagt, dass er noch etwas aus San Palabra holen wollte, May?" Fragend blickte sie die Priesterin an. Immerhin waren sie doch Nachbarn, und beide wussten um ihre Position bei den Selenisten. Da redeten sie doch sicher über solche Dinge...

[May Comida]

"Und wenn ihr beide wieder hier seid," entgegnete May etwas eigenwillig. "Wer hat dann noch die beiden Gruppen im Blick?"
Sie blickte die beiden mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an. "Sind unsere Leute nicht noch mehr in Gefahr, wenn wir Yane zurück holen?"
May schüttelte entschlossen den Kopf. "Ihr könnt die Gruppen schlecht alleine erledigen oder an einem Ort festhalten." Nein, was sollten sie bloß machen!?
"Und Miguel.. Tja, er hat mir nichts dergleichen erzählt." Frustriert fügte May hinzu: "Ich habe nicht die geringste Idee, was er dort treibt. Er sollte schon längst auf dem Weg hierher sein."

[Allegra Dominguez]

"Stimmt", ächzte Allegra und schloss die Augen. Wenn alle Selenisten sich am Tempel versammelten, war natürlich niemand mehr vor Ort, um ein Auge auf die Fremden zu werfen. Irgendwie schien in diesem Ritual ein Schatten drin zu sein! Das lief einfach nicht nach Plan. Gringos im Dschungel, Tempelwächter auf unverständlichen Reisen, Priesterinnen, die gar nicht ankamen oder lieber einem Fremden folgten.. Sie schüttelte den Kopf, ehe sie die Augen wieder öffnete.
"Wenn es eine Expedition ist, werden sie hoffentlich nicht lange an einem Ort verweilen, und solange sie sich unserem Tempel nicht nähern, müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass unser Ritual stattfinden und möglichst alle Verhüllten und Unverhüllten daran teilnehmen können - schon allein deshalb, weil wir jedes bisschen Kraft brauchen werden, um den Tempel vor den Fremden zu verbergen oder sonstwie zu schützen." Yane und Ruby wären unter Umständen noch in der Lage, durch eigenes Beten einige ihrer Kräfte zu erhalten, aber nur einen Bruchteil derer, die ihnen das Ritual in der Gemeinschaft verleihen würde. Mehr noch - da ihre Fähigkeiten allein selbst im Optimalfall eher schwach waren, war es wichtig, möglichst viele zu bündeln, um wirkliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen - wie auch immer diese aussehen würden.
"Aber wir können Yane dort nicht allein lassen. Sie hat ja auch im Hilfe gebeten."

[Diego Santos]

"Fürs Ritual braucht ihr Yanes Kräfte am Tempel."
Dass es nötig war, die Fremden im Blick zu behalten, war ihm klar, aber das mussten nicht unbedingt Priesterinnen übernehmen. Sobald Ruby am Tempel angekommen war, konnten die Vorbereitungen richtig beginnen und zu Viert konnten die Priesterinnen den Tempel um einiges besser schützen, als quer durch den Dschungel verteilt.
"Ich bring Yane einfach wieder zurück und dann kümmern sich die Tempelwachen um die Fremden. Wozu sind wir denn da?" Es klang so schön simpel, wie immer wenn Diego irgendeine Idee erklärte. Meistens war es nichtmal halb so einfach wie es klang, nur schreckte das ein dermaßen optimistisches Sonnenscheinchen wie diesen Herrn hier natürlich nicht ab.

[May Comida]

"Ihr habt ja Recht." May schüttelte besorgt den Kopf. "Wir haben nur noch zwei Tage, wir brauchen Yane. Dringend." Aber dass die Gruppen im Urwald herumliefen, konnten sie auch nicht einfach ignorieren.
May blickte Diego fragend an: "Warum nimmst du nicht noch einen weiteren Tempelwächter mit? Ihr würdet Yane schnell finden und er oder du könntest bei ihnen bleiben? Oder.." May fasste sich an den Kopf. Diese Kopfschmerzen machten ihr das Denken völlig unmöglich.
"Oder kannst du nicht von hier erspüren, wo die Gruppen sind?"

[Allegra Dominguez]

"Allmählich gehen uns die Tempelwachen aus", mutmaßte Allegra zynisch. Für die Vorbereitungen hatten sie meist alle acht - die Priesterinnen wie die Tempelwachen - alle Hände voll zu tun, aber es musste nun eben so gehen. "Falls Javier sich heute auf den Rückweg macht, könnte es sein, dass ihr euch regelrecht in die Arme lauft; dann kann er gleich bei dir bleiben und dich unterstützen - Yane wird den Weg hierher auch allein finden; sie ist ja nicht das erste Mal hier." Und soweit würden die Selenen sie schon führen!
Wichtig war nur, dass sie für diese Fremden unsichtbar blieben. Aber die Tempelwächter waren es gewohnt, sich bei ihrer Arbeit nicht erwischen zu lassen - in den wenigen Fällen, in denen Gringos unverhofft in der Nähe gewesen waren, hieß das. Aber das kam alle Jubeljahre einmal vor; so eine große Gruppe hatte Allegra noch nie nahe des Tempels gefühlt.
"Hauptsache, ihr seid zum Ritual wieder zurück. Alle. Wenn die Fremden länger in der Nähe bleiben, werden wir alle alle Kräfte brauchen, die uns die Selenen schenken." Eindringlich blickte sie Diego an.

[Diego Santos]

"Wieso guckst du mich jetzt so böse an? Ich bin hier einer der wenigen, der seinen Job noch macht", kam's mehr belustigt als beleidigt auf Allegras Blick hin. Vermutlich war das der Moment, an dem er anfangen sollte das hier ernst zu nehmen, aber... hm, nö.
"Keine Ahnung wo genau die Gruppen sind." Als Tempelwächter wusste er nur, wo die anderen Wächter waren. Und Javier hockte nach wie vor in Atempo, während Miguel mehr und mehr vom Radar verschwand. Er konnte Yane auch problemlos allein zum Tempel zurückbringen oder zumindest dorthin schicken, während er die Gruppen näher im Auge behielt. "Wie wär's, wenn ihr mich jetzt einfach mal Yane zurückbringen lasst und wenn ich Javier auf dem Weg treffe kümmert er sich um die eine Gruppe und ich mich um die andere? Und ja, in zwei Tagen sind wir wieder da, versprochen." Wie gesagt, klang doch herrlich einfach. Wieso man auch alles immer so kompliziert machen musste...

[Allegra Dominguez]

Unwillkürlich musste Allegra schmunzeln. Natürlich hatte Diego nicht unrecht - gerade eben drohten sie, sich vor lauter Planerei und Was-wäre-wenn-Überlegungen zu verzetteln. Wenn man im Dschungel etwas heulen hörte, war es ja auch einfacher, mit der Fackel nachsehen zu gehen, anstatt nächtelang wachzuliegen und zu überlegen, was das denn überhaupt sein könnte, was man da vorfände, wenn man denn überhaupt jemals den Hintern hochbekam.
"Damit du mich auch ernst nimmst", seufzte sie, tauschte einen Blick mit May und nickte dann schwer. "Versuchen wir es. Ihr achtet auf die Gringos und sorgt dafür, dass sie uns nicht zu nah kommen, und wir bereiten den Tempel vor. Ich hole dir noch rasch einen Talisman, den ich neulich gemacht habe; damit dürfte dir das Verstecken leichter fallen. Und May packt dir ein paar Vorräte ein." Das war auf jeden Fall die sinnvollere Aufteilung - und würde sie aus dieser vermaledeiten Tatenlosigkeit befreien!

[Diego Santos]

"Na der Plan gefällt mir doch! Besonders der Teil mit den Vorräten."
Ja, was? Er war eben ein kräftiges Kerlchen, da hatte man entsprechenden Appetit. Grinsend erhob er sich und hielt Allegra die Hand hin, um sie hochzuziehen. Fraglich ob sie annahm, ein Ruck von einem Hünen wie Diego konnte einen leicht aus dem Gleichgewicht bringen, aber allemal besser, als zu riskieren das seine Mutter ihm in zwei Tagen wieder eine lange Rede über Manieren und - in Diegos Fall - dem Fehlen von eben diesen hielt.
Natürlich war es auch ein wenig Taktik gewesen. Wenn er Yane einfach nur zum Tempel schickte und Javier höchstens kurz traf und sich ihre Wege dann wieder trennten, hatte er nicht nur Zeit um die Fremden im Auge zu behalten, sondern auch die Gelegenheit in Ruhe ein paar Schatten anzulocken. Direkt am Tempel war das irgendwie... komplizierter.