Steg

[Garcia Blanco]

Garcia sah Delia verständnislos an. Sollte der Name bei ihm jetzt irgendwelche Glocken läuten lassen? Schuldete sie ihm Geld, oder hatte er noch Schulden bei ihr? Oder hielt sie sich für einen Promi? Sanchez, das war doch ein Name wie Sand am Meer; vermutlich lebten davon sogar ein paar in der Boccacciobucht. Garcia hatte schon vor Ewigkeiten aufgegeben, sich für die Menschen in der Gegend zu interessieren - sie kamen, kosteten ihn Nerven und mussten dafür zahlen, und dann verschwanden sie gottlob wieder. Einige wenige legten es darauf an und kamen zurück, aber da konnte er ja nun auch nichts für.
"Witzig", brummte er trocken und verzog das Gesicht zu einem humorlosen Grinsen. Dann deutete er vorbei an Delia und Viktoria in ihren Abenteuerkleidungen zur Caminante mit der vielen Fracht und der kleinen Gruppe offensichtlicher Städter, die immer noch an Bord diskutierten. "Das da", erklärte er, "sieht mir jetzt schon so aus, als wolltet ihr von Bord gehen. Und nicht nur für 'ne Pinkelpause. Das hier", dieses Mal ließ er seine Hand über dem Kopf kreisen, um mit seiner Geste die gesamte Bucht miteinzuschließen, "ist 'nen Naturschutzgebiet. Umweltzone, alles. Wenn ihr da durch wollt, braucht ihr 'ne Genehmigung. Is' so." Und hielt ihm meistens Touristen vom Leib. Das beste daran war, dass das sogar stimmte und er in diesem Fall tatsächlich offizielle Papiere hatte, die er an Leute mit Genehmigungen ausstellen konnte; blöd nur, dass es die nur für Gruppen brauchte; so Einzelkämpfer wie Mittchell waren da außen vor. Hatte man keine Genehmigung, musste man sich die Scheine halt was kosten lassen. Und wer machte sich schon die Mühe, sich wochen- oder gar monatelang mit der narracitischen Bürokratie herumzuärgern?

[Delia Sanchez]

Delia Sanchez
Delia behielt ihr Lächeln bei und ließ sich von Garcia nicht aus der Ruhe bringen. Im Gegensatz zu Viktoria, die scheinbar gleich ihre Papiere herausholen wollte. Das sagte ihr immerhin schon einmal, dass man von ihr schnell Informationen bekommen konnte. Was nicht immer etwas Gutes war. Gleichzeitig bedeutete es auch, dass Viktoria, vielleicht auch unbeabsichtigt, an andere Informationen weitergeben konnte und das würde sie dann vielleicht auch stolpern lassen. Wie dem auch sei, momentan gab es kaum etwas, was ihr gefährlich werden konnte.
Unbeeindruckt hörte sie der Erklärung des Verwalters zu. Am Schluss nickte sie verstehend. "Ja, das weiß ich. Allerdings komme ich von hier. Ich wohne sogar offiziell noch in dieser Gegend." Mit der Zungen spitze fuhr sie sich über die Unterlippe.
"Aber das spielt auch eigentlich keine Rolle. Der Professor, Professor Williams", korrigierte sie sich, "dürfte alles haben und sie zufrieden stellen."
Mit dem Daumen deute sie über ihre Schulter hinweg zum Schiff. "Er dürfte noch auf dem Boot sein."
Erst jetzt wandte sie sich Scott Mitchell zu. "Ich glaube, es war nichts dergleichen geplant. Aber wenn noch etwas frei wäre, wäre das super."

[Garcia Blanco]

"Offiziell", brummte Garcia und schnaubte abfällig. Wenn die wirklich offiziell von hier kam, müsste sie doch wissen, dass hier offiziell überhaupt keiner wohnte. Und selbst wenn - was sollte das schon bewirken? Wollte sie ihm erzählen, dass die Meute zu einem fröhlichen Familienfest zusammen gekommen war? Pah!
Aber wenn 'der Professor' ihm da weiterhelfen konnte, dann wollte er sich 'den Professor' doch mal zur Brust nehmen!
Ruppig und ohne ein weiteres Wort ging Garcia an Delia und Viktoria vorbei und war dabei nicht unglücklich, auch Scott gleich hinter sich zu lassen. Offiziell! Das war doch ein echter Witz. Und seit wann gab es in Atempo überhaupt Gastzimmer? Da gab's doch nie Gäste! Aber das sollte mal Mittchell der 'Offiziellen' erklären.
Sein Stock hinterließ bei jedem Schritt einen dumpfen Knall auf den Bohlen des Stegs, doch ehe er die Gangway der Caminante erreicht hatte, blieb Garcia stehen. Er sah ja überhaupt keinen Grund, sich auf dieses schwankende Brett zu begeben!
"He!", rief er stattdessen hinüber, ehe er sich erinnerte, dass er womöglich mit Geld sprach. "Buenos dias", fügte er hastig hinzu. "Wer von eu.. Ihnen ist denn Professor Williams?!" Argwöhnisch blinzelte er hinüber an Bord.

[Viktoria Klein]

Viktoria sah mit Besorgnis auf das Schiff, als Garcia mit einer Handbewegung die Passagiere ansprach. Ob der Professor tatsächlich an sämtliche Papiere gedacht hatte?
Natürlich waren sie in der Vorarbeit akribisch gewesen. Sie hatten Gesetze des Landes durchwühlt, jeglichen Fall zu Ausgrabungen und Expeditionen durchackert und die Behörden bis zum Ohrenbluten auf Trab gehalten. Aber konnte es nicht dennoch geschehen, dass ihnen solch eine Lappalie durch die Finger geglitten war? Damit stand die Expedition doch jetzt nicht auf der Kippe, oder? Es konnte Wochen, sogar Monate dauern, um die richtigen Papiere zu beschaffen. Und sie kleines Naivchen dachte an ihren Reiseausweis. Lächerlich!
Viktoria warf einen kurzen Blick zu Delia. Oh gut, sie schien die Ruhe in Person zu sein, sie war nicht nur gelassen, sondern absolut positiv. Sie mühte sich ein kurzes Lächeln ab, ehe sie sich gespannt, angespannt, wieder zu Garcia herumdrehte, um auch jedes Wort vom Professor mit zu bekommen.

[Scott Mitchell]

Mit einem verschmitzten Lächeln hörte sich Scott das kurze Geplänkel zwischen Delia und Garcia an. Die würde Garcia wohl nicht ausbluten lassen können. Ach ja, diese ausgleichende Gerechtigkeit freute ihn schon irgendwie. Und dass er Ruby auch noch Kunden mitbringen konnte, war die Kirsche auf der Sahnehaube. Ganz abgesehen davon, dass er diese unechten Konfektkirschen hasste.
Scott lächelte Delia fröhlich zu: "Ein paar Tische sind immer frei." Und selbst wenn nicht, würde Miss Ruby schon dafür sorgen, dass die Einheimischen etwas zusammen rückten. "Und das Ambiente ist wirklich nett. Wenig touristisch, sehr einheimisch." Scott zuckte mit den Schultern, so langsam gingen ihm die Adjektive aus.
"Ich kann euch hinbringen, wenn ihr wollt." Wobei er jetzt zunächst vorallem Delia anschaute.

[Mercedes Bueno]

cf: MS Caminante/Vorderdeck

Land. Land war toll. Und es wackelte auch ganz anders als dieses vermaledeite Schiff! Gern hätte sich Dr. Bueno auf den Steg geworfen und das ausgeblichene Holz geküsst, aber zum einen hätte das doch recht albern ausgesehen, und wer wusste schon, was für Parasiten da lauern konnten? Sie hatte sicher nicht vor, diese Expedition mit einer Magen-Darm-Geschichte oder ähnlichem zu beginnen!
"Buenos dias. Professor Williams kommt gleich", versicherte sie daher lediglich ein wenig steif in Garcias Richtung, und als der nur irgendwas als Antwort brummte, ging sie hoch aufgerichtet an ihm vorbei. Ein komischer Kauz war das. Dabei fiel ihr Viktorias angespannte Miene auf, und irritiert runzelte Dr. Bueno die Stirn. Viktoria beobachtete den seltsamen Mann, an dem sie gerade vorbei gegangen war; ob es nicht doch klüger gewesen wäre, beim Professor zu bleiben?
Sie blieb bei Viktoria stehen und erkundigte sich mit gedämpfter Stimme: "Gibt es ein Problem, Senorita Klein?"

[Viktoria Klein]

Viktoria nickte Bueno freundlich zu, als diese den Steg herunter.. wankte. Und verkniff sich ein Lächeln, als sie ihre Erleichterung, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren, sah.
Vertraulich senkte sie ihre Stimme, als Bueno sie ansprach. "Das kommt ganz darauf an."
Sie nickte leicht zu Garcia herüber. "Er ist hier anscheinend die Bürokratie, die jetzt gewisse Formulare einfordert."
Und blickte dann zu dem Schiff herüber. "Wissen Sie, ob der Professor Genehmigungen für die Naturschutzzonen hat? Davon hängt zur Zeit der Start unserer Expedition ab."
Und sie war sich nicht sicher, ob das reine Schikane oder tatsächlicher Behördenwahnsinn war. Was aber auch zur Sache nichts tat, so oder so brauchten sie die Genehmigung.

[Mercedes Bueno]

"Eine?" Dr. Bueno lachte humorlos auf. Wenn sie sich an die mühselige Vorbereitungsphase und insbesondere diesen ganzen Genehmigungswahnsinn zurückerinnerte, wurde ihr jetzt noch ganz schwindelig. Oder das kam von dem herrlichen Gefühl, nicht mehr jeden Moment ertrinken zu können. "Wir haben ungefähr ein Dutzend: fürs Betreten und Durchqueren, für den Aufenthalt, für den Aufenthalt ohne feste sanitäre Anlagen, für den Umgang mit offenem Feuer", dafür hatte es sogar eine Pflichtschulung gegeben!, "für die Entnahme floraler, fossiler und insektoider Proben für den wissenschaftlichen Gebrauch, für mineralogische Bohrungen, für das Anlegen eines Camps unter Berücksichtigung der Rückführung aller unverrottbaren Zeugnisse unseres Aufenthalts.." Sie atmete schwer aus und verdrehte die Augen. "Ich glaube kaum, dass es irgendeine Genehmigung gibt, die sich momentan nicht in unserem Besitz befindet." Lächelnd tätschelte sie Viktoria die Schulter. "Machen Sie sich keine Sorge, Senorita Klein. Wir sind ausgezeichnet vorbereitet." Also mit Ausnahme der Sache mit den Trägern, aber darüber sollten sich andere den Kopf zerbrechen, hatte sie beschlossen.
"Ich wollte mich umsehen, ob es hier einen Ort gibt, wo wir unsere Ausrüstung zwischenlagern können, bis wir ausreichend Träger gefunden haben. Begleiten Sie mich?"
Sie hatte sogar schon etwas Passendes erspäht. Da vorne schien es einen Unterstand zu geben...

[Delia Sanchez]

Delia Sanchez
Delia zog verschmitzt lächelnd eine ihrer Augenbrauen nach oben.
"Ja, das dachte ich mir." Immerhin verirrten sich nicht gerade viele in diese Gegend. Das war ihr durchaus bewusst. Vielleicht hatte er nicht genau zugehört, als sie sagte, dass sie aus dieser Gegend kam. Wer weiß.
"Ich weiß nicht genau, ob wir wollen." Sie drehte ihren Kopf zurück Richtung Schiff. Immerhin war bei ihrem Abgang nicht genau klar gewesen, was sie nun machten. Aber das musste Scott ja nicht erfahren.
"Aber ich denke, das wird sich noch klären. Vorerst ist der Verwalter ja eh erst einmal damit beschäftigt, sich unsere Papiere anzusehen." Sie drehte ihren Kopf wieder zurück zu Scott und musterte ihn mit unternehmungslustigen Augen.
"Aber so lange könntest du uns," ihr Blick blieb gleich darauf an Dr. Bueno und Viktoria hängen, "oder mir erzählen, was in letzter Zeit hier so passiert ist. Irgendetwas aufregendes?" Ein wenig Smalltalk zu führen, war immer noch besser, als hier dumm in der Gegend herumzustehen.

[Viktoria Klein]

Erleichtert wich angestaute Luft aus Viktorias offenem Mund, bevor sie sich zu einem Lächeln durchdrang. "Oh gut!" Automatisch fasste sich Viktoria an ihr Herz und meinte beinahe zu spüren, wie ein kleiner Geröllhaufen sich von ihren Schultern löste.
"Das klingt als hätten wir für jeden Fall ausgesorgt. Sogar für absurde." Viktoria begann ihre Hände unternehmenslustig aneinanderzureiben.
Das klang doch so, als könnten sie tatsächlich sofort starten. Aufgemuntert lächelte sie Bueno an. Auf Land schien sie plötzlich um einiges entspannter sein.
"Das klingt nach einem ausgezeichneten Plan." Sie nickte Bueno bestätigend zu und machte ein paar Schritte auf den Unterstand zu. "Ich bin schon wirklich gespannt, wie und wo wir diese Nacht unterkommen."