Steg

[Miguel Bolivar]

Miguel runzelte die Stirn. Umweltzone, Lizenz? Bullshit. Er sah den Verwalter von oben bis unten an. "Wer würde hier schon fischen wollen, ausser die Fischer von Atempo?" Er schüttelte den Kopf. "50 Prozent... du solltest froh sein, dass jemand Fische für dich hier rauszieht, die du kaufen kannst." Lieber würde er hier nichts verkaufen, als diesem Typen 50 Prozent seiner Einnahmen abzugeben. Die Idee war eh nur ein Vorwand gewesen für den Fall, dass er ihn hätte wegjagen wollen, was aber offenbar nicht der Fall war. Vielleicht allerdings nur solange nicht, wie er in ihm eine Einnahmequelle sah.

"Ich habe noch nie gehört, dass..." Bevor er seiner Verwunderung weiter Ausdruck geben konnte, rief eine Frauenstimme vom Boot seinen Namen. Miguel stoppte mitten im Satz, sah in ihre Richtung und realisierte, dass es Teo war, die offenbar Hilfe beim Anlegen wollte. "Holà!" Er winkte ihr zu, bewegte sich von Garcia weg und hin zum Rand des Stegs, seine Arme ausgebreitet, bereit ein Tau zu fangen oder sonst irgendwie zu helfen..

[Garcia Blanco]

"Wenn du die Leute in Primera fragst", erwiderte Garcia achselzuckend, "soll hier gar keiner die Fische fangen. Um das ökologische Gleichgewicht nicht zu zerstören." Er ruckelte mit der Nase, weil sie zu jucken begann, und zog sie schließlich ungeduldig hoch. Wenn ihn der kleine Netzauswerfer reizen wollte, musste er früher aufstehen. Auf Fische war er doch nicht angewiesen; die Caminante brachte ihm auch in schöner Regelmäßigkeit liebevoll gepackte Proviantkisten von seinen Vorgesetzten in San Palabra. Hmm, lecker Trockenfleisch und Ölsardinen.
Garcia hätte beim Gedanken an die Dosen am liebsten ausgespien, aber wenn er zwischen miesem Essen und vielleicht ein paar Dollar entscheiden musste, gewann das Geld. "Ist natürlich deine.."
..Entscheidung, hatte er sagen wollen, aber da kam der Ruf vom Schiff, und gleichgültig sah er zu, wie Miguel hilfbereit zum Rand des Stegs ging.
Jetzt würden sie ja gleich erfahren, wen die Caminante da anschleppte.

[Miguel Bolivar]

Miguel schnaubte. Was ging es die Leute in Primera an, was sie hier taten? Sollten die sich um ihren eigenen Kram scheren! Garcia sah aus, als ob er gleich niesen musste und schien darüber nachzudenken, wie er auf Miguels Verhalten reagieren sollte. Doch bevor ihr Gespräch in einen echten Streit ausarten konnte, mischte sich Teo ein, was Miguel gerade recht kam.

Das Boot war nun kurz davor anzulegen, und die Gesichter an Deck deutlich zu erkennen. Fast nur Gringos, und eine Menge Material. "Holà Teo, wirf mir das Tau zu, ich binde euch fest!" schrie er in ihre Richtung. Wenn er sich hier hilfsbereit zeigte, war sie vielleicht eher bereit, ihm zu erzählen, was es mit diesen Leuten auf sich hatte. Er stellte sich einsatzbereit an den Rand des Stegs, seine Aufmerksamkeit voll auf Teo gerichtet.

[Garcia Blanco]

Gelangweilt musterte Garcia die Passagiere der Caminante, während die kleine Howard auf der Reling herumturnte und Miguel ein Seil zuwarf. Kam ihm keiner von bekannt vor von den Visagen. Seine Brauen zogen sich zusammen, als er Delia sah, aber sahen diese jungen Mädchen nicht eh alle gleich aus? Vielleicht war sie schon mal hier gewesen, vielleicht auch nicht.
Allerdings, wenn er die Leute so betrachtete.. die sahen nicht aus wie die typische Ladung Fischer und Handwerker aus San Palabra auf dem Weg nach Atempo! Diese Klamotten waren doch eher die von... naja, in Anbetracht eines besseren Wortes nannte Garcia sie mal 'Touristen', auch wenn die Bucht sicher kein Reiseziel aus irgendeinem Katalog war. Aber hatte es diesen Radfahrer nicht auch herverschlagen?
Und Touristen bedeuteten Geld. Immer. Er musste sie nur rasch loswerden, nachdem er sie erleichtert hatte; dann waren Touristen nämlich erträglich.
Unwillkürlich streckte sich Garcia, und in seinen Augen begann erwartungsvoll die Gier zu glänzen.

[Miguel Bolivar]

Miguel war nun voll auf das Boot und Teo konzentriert und ignorierte den Verwalter komplett. Erst hatte einer der Gringos das Tau in der Hand gehalten, aber sie redete mit ihm, nahm es ihm aus der Hand und Sekunden später flog es in seine Richtung. Geschickt fing er es auf (jahrelange Erfahrung), wickelte es um einen der Pfähle am Steg und machte einen fachmännischen Knoten. "Alles klar!" rief er ihr zu, als das Boot vertäut war, und ging ein paar Schritte Richtung Bootsmitte, um auch gleich noch mit der Gangway zu helfen. Dabei fiel sein Blick auf Garcia, der immer noch dastand und so tat, wie wenn ihn das alles nichts anging - offenbar hatte er nicht vor, auch nur einen Finger zu rühren.

Miguel griff sich die klapprige Gangway, die Teo ihm über die Kante des Boots entgegen balancierte und platzierte sie stabil auf dem Steg, so dass nun die Bahn frei war für die Passagiere, von Bord zu gehen. Nach dieser freundlichen Hilfeleistung, war Teo bestimmt bereit, ihm zu erzählen, wer diese Leute waren und was sie wollten. Und wer weiss, vielleicht brauchten sie ja wirklich noch ein bisschen Proviant.

[Garcia Blanco]

Das Gewicht auf seinen Stock gestützt betrachtete Garcia seelenruhig, wie sich Miguel als hilfsbereiter Trottel erwies. Wo wohl der Kapitän steckte, der diesen Zirkus sonst immer gemeinsam mit seiner Nichte veranstaltete? War jetzt ja nun wirklich nicht anderer Leute Problem, wenn die Caminante nicht mit voller Besatzungsstärke unterwegs war! Vielleicht soff der Alte jetzt auch noch.
Was ihn stärker irritierte, war aber das Verhalten der Passagiere. Garcia schirmte seine Augen mit der Hand vor dem Sonnenlicht ab, um sie genauer beobachten zu können. Doch, eindeutig: Die gluckten da jetzt an Bord zusammen und schienen irgendwas zu überlegen! Auch wenn es natürlich immer einen Moment dauerte, bis so ein Schiff vertaut und die Gangway sicher ausgelegt war: Touristen verbrachten diese Zeit für gewöhnlich damit, maulaffenfeil zu halten oder sich gegenseitig zu erzählen, wie toll und grün der Urwald von ihrem Platz aus aussah!
Er runzelte die Stirn. Normal waren die eindeutig nicht.

[Teo Howard]

cf: MS Caminante/Vorderdeck

Leichtfüßig lief Teo über die Gangway. Das unbekümmerte Grinsen auf ihren Lippen fiel ihr allerdings schwer, denn ihre Gedanken schlugen immer noch Purzelbaum hinter ihrer Stirn. "Miguel, das ist ja wirklich ein glücklicher Zufall, der dich hertreibt!", begrüßte sie den Fischer dennoch mit relativ unbeschwerter Stimme und machte Anstalten, ihn wie zur Begrüßung zu umarmen. Das war die einfachste Möglichkeit, jemandem so nah zu kommen, dass man unauffällig in sein Ohr wispern konnte, und was sollte Miguel schon dagegen haben?
"Ich muss mit dir reden. Dringend", wisperte sie ihm eindringlich entgegen, verlor aber alle Ernsthaftigkeit, als sie deutlich lauter fortfuhr: "Hilfst du mir beim Abladen?" Was war schon unauffälliger, als zwei Menschen bei der Arbeit?

[Miguel Bolivar]

Miguel ignorierte Garcia völlig und lächelte Teo freundlich entgegen. Sie schien ehrlich erfreut ihn zu sehen, was ihn ein wenig überraschte. So gut kannten sie sich nun auch wieder nicht. "Echt? Naja, falls deine Passagiere hungrig sind..." Er wies mit einer Hand in Richtung seines Boots mit dem Fang, während sein Blick über besagte Passagiere wanderte. Aber da marschierte Teo schon in sein Gesichtsfeld und machte Anstalten ihn zu umarmen. Bevor er sich noch über ihr ungewöhnliches Verhalten wundern konnte, hörte er sie auch schon Wispern. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er sie überrascht an, aber dann spielte sie ihre unbekümmerte Rolle bereits fröhlich weiter, und Miguel hatte gar keine andere Wahl als mitzuspielen. "Klar, kein Problem", gab er locker zurück und machte einen Schritt Richtung Gangway, über welche die anderen Passagiere nun nach und nach von Bord gingen.

Innerlich aber überschlugen sich seine Gedanken. Sie musste dringend mit ihm reden? Worüber? Es musste mit den Gringos zu tun haben! Und sie hatte wirklich besorgt gewirkt, in jenen zwei Sekunden, in denen sie so nahe gewesen war, dass niemand anders ihren Gesichtsausdruck sehen konnte.

[Teo Howard]

Teo schnitt eine belustigte Grimasse, während ihr innerlich ein erster kleiner Kiesel aus dem riesigen Felsen auf ihrem Herzen brach. Erst jetzt hörte sie Schritte auf der Gangway, und als sie sich umdrehte, sah sie, wie Viktoria und Delia sich kurz nacheinander auf den Weg vom Schiff machten. Ihr persönliches Gepäck schienen sie schon dabei zu haben - nun, es würde lang genug dauern, Zelte und Vorräte und einige geheimnisvolle Kisten von Bord zu tragen, dass sie dabei alles Wichtige mit Miguel besprechen konnte. Da vieles den Charakter von zwanglosem Geplauder haben konnte, mussten sie nicht einmal dabei heimlich flüsternd die Köpfe zusammenstecken. Auffälliger ging's ja gar nicht mehr.
"Bietest du jetzt auch Sushi an?" Sie boxte Miguel spielerisch gegen die Brust und wandte sich zur Gangway, wo sie erst einmal die Passagierinnen passieren ließ. "Oder hast du einen Ofen auf deinem Boot?" Sie lachte und ging zügig zurück an Bord. "Das Zeug ist achtern verstaut."
Und auf dem Weg dorthin konnte sie ihren restlichen Passagieren sicher versichern, dass die Gangway stabil genug war, um sie zu benutzen - falls es doch zu ein paar Worten kam, die nicht jeder hören musste.

tbc: MS Caminante/Vorderdeck

[Miguel Bolivar]

Miguel lachte mit, auch wenn er gar nicht so ganz genau wusste, was denn dieses Sushi war, das Teo erwähnte. "Über einem Feuer gegrillt, mit ein paar Gewürzen... es gibt nichts Besseres", gab er zurück. Und hätte ihn nicht gerade so sehr beschäftigt, um was es gehen könnte bei Teos geheimnisvollen Worten, hätte er vielleicht bei dem Gedanken daran Hunger verspürt.

So aber lächelte er den beiden Neuankömmlingen die gerade von Bord gingen, nur freundlich zu und folgte Teo so rasch wie möglich auf das Boot, in der Hoffnung, bald mehr zu erfahren. Und je weiter er der Gangway entlang lief, desto mehr Material sah er an Deck. Die waren nicht nur für einen kurzen Ausflug hier, realisierte er.

tbc: MS Caminante/Vorderdeck