von Sofia Pereira » Fr 13. Jul 2012, 21:50
Sofias Laune hatte einen ungeahnten und ihr bisher völlig unbekannten Tiefpunkt erreicht. Sie verfluchte den Tag, an dem sie beschlossen hatte, sich in dieses nicht nur Gott,- sondern von allen Göttern und guten Geistern verlassene Nest zu begeben. Ihr angeblicher Urgroßvater, der scheinbar eben so wenig wie sie sicher war, ob sie in irgendeiner verwandschaftlichen Beziehung standen, hatte sich zwar als so alt wie erhofft, aber weitaus halsstarriger als erwartet erwiesen. Egal was sie tat, egal wieviel Honig sie ihm ums Maul schmierte – er sagte einfach gar nichts. Wenn man von den Beschwerden über ihr Essen einmal absah. Dabei gab die junge Frau sich ehrliche Mühe. Nicht weil sie dem Alten, der sie bei sich wohnen ließ, damit sie ihm den Haushalt führte, glücklich sehen wollte, sondern damit er keinen Grund zu Klage hatte und ihr vertraute. Tat er aber nicht. Er maulte und schikanierte sie und was noch viel schlimmer war; er schwieg wie ein Grab. Nichts mit Reichtum und Schätzen, dafür aber zu schrubbende Fußböden. Der Rest des kleinen... ja was überhaupt? Selbst "Dorf" wäre für die paar herum stehenden Hütten noch übertrieben gewesen, zeigte sich ihren Bemühungen gegenüber zwar nicht ganz so verschlossen, dafür aber ungleich ärmlich. Alles in allem war ihr Aufenthalt hier zumindest bisher der totale Reinfall. Wenn man einmal von den Gerüchten absah, die in den letzten Tagen verstärkt im Dorf kusierten. Sofia hatte von Archäologen und einem tief im Dschungel versteckten Tempel gehört. Und wo ein versteckter Tempel lag, da lagen doch auch Gold und Schätze, oder etwa nicht? Vielleicht lag da auch gar nichts ausser von Grünzeug überragten Steinen, aber das wollte Sofia einfach nicht glauben, so daß sie sich kurzerhand an ihre beiden ... Freunde konnte man nicht sagen. Gehilfen vielleicht? Das traf es schon eher, zumindest nach Sofias Einschätzung. Die beiden mochten das natürlich momentan vielleicht noch anders sehen, aber letztendlich waren sie genau das und Sofia kontaktierte sie nicht, um ihnen etwas Gutes zu tun, sondern weil sie irgendwen brauchte, der die zu erhoffenden Schätze mit ihr aus dem Dschungel schleppte.
Sie hatte das Ganze ein wenig ausgeschmückt und von sicherem Reichtum und Anderen, die die eigentliche Arbeit übernehmen würden gesprochen. Vielleicht war das einfach die Verzweiflung darüber, in diesem verfluchten Kaff ganz allein fest zusitzen. Wie auch immer, schlußendlich freute sie sich sogar darüber, daß zumindest einer der Beiden sofort her kommen würde. Als Vorhut so zusagen. Sie sollten mehr Informationen einholen und alles in die Wege leiten. So weit war Sofia mit dem Plan auch einverstanden. Allerdings würde sie ganz sicher nicht die ganze Arbeit erledigen, damit ein Dritter sich dann an ihren Bemühungen bereichern könnte. Aus dieser Perspektive betrachtet war es also vielleicht auch ganz gut, daß Adam als erster hier auftauchen würde. Wenn sie genug Zeit hatte, würde sie ihn vielleicht davon überzeugen können, daß Drei im Grunde genommen mindestens einer zu viel sind...
Es dauerte seine Zeit, bis sie endlich den Handelsposten erreichte und der Gedanke, daß sie zu Fuß weitaus schneller gewesen wäre, drängte sich ihr auf. Ausserdem hätten sich ihre Arme dann nicht angefühlt, als hätte sie die letzten vier Tage damit verbracht Liegestütze zu üben. Sofia war kein besonders sportlicher Mensch, harte Arbeit war sie auch nicht gewöhnt und rudern schon gar nicht. Es war das erste und garantiert das allerletzte Mal, daß sie sich in eine solche Nussschale begab, um sich dann halb die Schultern aus zukugeln in dem Versuch vorwärts zu kommen. Ohne dabei um zukippen und in die richtige Richtung steuernd. Eine Herausforderung, die sie so nicht erwartet hatte. Immerhin fuhren hier selbst die Kinder mit Booten herum, da konnte das doch nicht so schwer sein. Hatte sie zumindest geglaubt und wurde eines besseren belehrt. Schließlich erreichte sie aber doch noch den Steg des Handelspostens (das sogar trocken und an einem Stück), dafür aber am Ende ihrer Kräfte und ihrer Nerven. Wenn sie jetzt auch noch gezwungen sein würde stundenlang auf das Schiff zu warten, das Adam hier absetzen sollte, würde sie ihn mit einem Paddel erschlagen. Auch wenn er eigentlich nichts dafür konnte.
Wärend die junge Frau ein Paddel quer über ihre Knie legte, versuchte sie mit dem anderen steuernd dem Steg so nahe zu kommen, daß sie sich daran festhalten konnte. Wie genau es dann weiter gehen sollte, wie sie aus dem Boot kam und wie sie dafür sorgte daß es nicht wegtrieb, würde sie sich dann überlegen. Erst mal war wichtig, den Steg überhaupt zu erreichen. Ich muß aussehen wie die letzte, dämliche Touristin, schoss es ihr durch den Kopf, als sie Menschen in der Nähe erblickte und davon ausgehen konnte, daß diese sie und ihre wenig professionellen Bemühungen ebenfalls sehen konnten. Wohl eher mit Glück als durch wirkliches Können gelang es ihr sogar tatsächlich eine Hand auf das Holz zu legen und sie hielt sich krampfhaft daran fest. Steg erreicht. Das war schon mal gut.