Hafenkneipe "Piranha"

[Homer Canalli]

"Sie sind zu bemitleiden, weil sie nicht verstehen, wie die Wahrheit aussieht", verbesserte Canalli seinen Neffen selbstsicher. Diese Schmeichelei streichelte zwar sein Ego, war aber vollkommen fehl am Platz. Natürlich war er genial; seine Karriere, sein wissenschaftlicher und politischer Ruhm, sein Wohlstand gaben davon ausreichend Zeugnis. Dass diese Mondanbeter-Kultur aber reines Hirngespinst war, konnte nicht nur ein Genie erkennen - viele von Williams' Kollegen schafften das ja auch.
Canalli erhob sich, legte Geld auf den Tisch, dessen Summe trotz des schlechten Eistees durchaus ein kleines Trinkgeld beinhaltete, und ordnete mit raschen, geübten Handgriffen seine Kleidung. "Dann bringen wir dich mal zu deinen 'Kollegen'", verkündete er augenzwinkernd. Hach, noch einmal jung genug sein, um auch ein paar abenteuerliche Wochen im Dschungel zu verleben.. allerdings zu einem ehrenvollen Zweck.

tbc: Hafenbezirk

[Narracion]

[Des Carter]

c.f: Pier für kleinere Transport- und Passagierschiffe

10 Minuten waren nun wirklich nicht die Welt und wer sowieso passionierter Weltenbummler war, dem machte ein wenig Warterei nichts aus. Die Zeit nutzte er, um mit dem Wirt eine Übernachtungsmöglichkeit auszudiskutieren, die ihm auch prompt geboten wurde, zusammen mit einem weiteren, wenig koscheren Buch - nicht Jane Austen, aber auch nicht unbedingt besser - und guter Dinge konnte er sich der abendlichen Unterhaltung widmen, jetzt wo der Schlafplatz gesichert war.
Als er Teo sah, klappte er erleichtert das Buch zu und schob es so weit wie möglich über die Tischplatte von sich. Er war Gentleman genug gewesen, mit seiner Bestellung zu warten. Schließlich hatte er ja versprochen, sie einzuladen.
"Na, alles wieder sauber bekommen?"
An seiner Hand, die er ihr gereicht hatte, waren auch nach gründlichem Schrubben noch ein paar leichte, graue Schlieren, die ihn allerdings nicht sonderlich zu stören schienen.
"Was darf's denn sein?"

[Teo Howard]

cf: Pier

Der Piranha war um diese Zeit noch überschaubar gefüllt, und Teo, die ohne schlechtes Gewissen wegen der Verspätung und mit einigen Flecken an der Kleidung (das Konzept eines Overalls hatte sich der Hitze wegen nie bei ihr durchsetzen können) durch die Tür spaziert kam, winkte ein paar bekannten Fischern zu, als sie Desmond auch schon entdeckt hatte und auf ihn zusteuerte.
"Leidlich", lachte sie und schüttelte Desmonds Hand. Ihrer Erfahrung nach war ein bisschen Schmutz auf der Haut nichts Schlimmes; sie behauptete sogar, er schütze sie vor Sonnenbrand und konserviere den hellen Ton, aber das zu überprüfen fiel schwer. "Es färbt zumindest nicht mehr ab."
Sie ließ sich auf einem der Stühle fallen und bemerkte dabei eher zufällig das fortgeschobene Buch. "Ich nehm ein Bier", erklärte sie fest und angelte dabei bereits nach der verschmähten Lektüre. "Deins?", fragte sie grinsend und mit einem spöttischen Blick, während sie das für narracitische Verhältnisse nahezu obszöne Cover musterte und amüsiert ein wenig blätterte. "Lass das mal nicht den CMWV sehen. Eh Vau", schob sie hinterher.

[Des Carter]

Er grinste erfreut. "Bier eh? Gute Wahl." Solche Mädels waren ihm doch direkt noch einen Tick sympathischer. Wobei er Teo nicht als Cosmopolitan-Trinkerin eingeordnet hätte. Ihm dämmerte immer mehr, dass er sie tatsächlich von irgendwoher kannte, aber er war sich nach wie vor nicht sicher, woher. Vielleicht traf er einfach ständig zu viele neue Menschen, vielleicht wurde er auch wirklich einfach nur alt.
"Himmel nein. Seins", womit er unauffällig auf den Wirt zeigte, der ihm bloß fröhlich von der Theke aus zuwinkte. "Ich will gar nicht wissen, was für Bücher der noch hinter seinem Tresen versteckt hat. Das da ist grausam genug." Er zwinkerte ihr einmal belustigt zu, bevor er aufstand und zur Theke ging, um ihre Getränke zu bestellen. Seine Nachtlektüre würde eindeutig aus Rays spärlichen Informationen bestehen, die er ihm in den vergangenen Monaten Stück für Stück übermittelt hatte. Narracische Kinderlieder und anderer derartiger Spökes. Sicherlich hatten die Sachen einen gewissen Wahrheitsgehalt, aber Des war immer ein wenig skeptisch, wenn es um angeblich historische Überlieferungen aus Gedichten oder Gemälden ging.

Er kam mit zwei großen Bier an den Tisch zurück, stellte eins Teo vor die Nase und setzte sich dann wieder ihr gegenüber. "Nicht deine bevorzugte Literatur?" Er schmunzelte leicht und nahm einen großzügigen Schluck. Tat gut sowas, immer wieder. "Wie lang reparierst du eigentlich schon Boote?" Er fands witzig, aber doch irgendwie bemerkenswert, dass eine junge Frau ausgerechnet an Schiffen rumschraubte statt, nunja, das zu machen, was junge Frauen eben so taten. Obwohl er sich da sowieso nur an seiner Patentochter orientierten konnte und die hatte eindeutig zu viele Verhätschelungen hinter sich. Teilweise seine Schuld, ja, aber musste er ja nicht zugeben.

[Teo Howard]

"Nicht ganz", erwiderte Teo, als Desmond mit dem Bier zurückkam, und legte das Buch zur Seite, in dem sie ein wenig herumgeblättert hatte. Beim Anblick ihrer spitzen Brüste, die milchweiß in ihrem Ausschnitt wogten, wandelte sich sein Gemächt in eine pulsierende Lanze der Leidenschaft... - wer sowas freiwillig las, hatte eindeutig zuviel Zeit und sollte sich mal Gesellschaft suchen. Dennoch würde der Christliche Moral- und Wohlfahrtsverein e.V. den Wirt sofort auf die sonntägliche Nachmittags-Tagesordnung setzen, um zu diskutieren, wie man es verhindern konnte, dass er solche verderbliche Schriften am Ende unter die Menschen brachten. Teo fand den Haufen selbst für narracitische Moralverhältnisse ziemlich humorlos, aber als Selenistin war sie eh ein wenig anders erzogen.
Sie prostete ihm zu und gönnte sich einen Schluck zum Feierabend. Alkoholarm, wie es war, genoss sie vor allem die herbe Bitterkeit des Bieres, die gut gegen den Durst half. Und sowas nannten ausländischen Besucher manchmal respektlos 'Plörre'!
"Ich repariere keine Boote", verbesserte sie Des streng und hob die Brauen. "Ich betreue den Motor und die Technik der Caminante, und die ist ein Schiff. Auch wenn das viele Leute anders sehen." Sie grinste wieder, auch zum Zeichen, dass sie das ganze nicht so ernst nahm, wie es vielleicht geklungen hatte. "Aber das mache ich jetzt schon seit ein paar Jahren. Ich hab schon zu Schulzeiten bei meinem Onkel ausgeholfen." Sie legte den Kopf schief. "Und seit wann machst du schon - was auch immer du machst?"

[Des Carter]

„Pardon“, ihr Grinsen erwiderte er, vermutlich um ein bisschen zu demonstrieren, dass er seine Entschuldigung genauso wenig ernst meinte, wie sie ihre Empörung. Ob er die Caminante wirklich als ‚Schiff’ bezeichnen wollte, wusste er auch noch nicht so recht, aber er würde sich mit Sicherheit nicht selbst in den Fuß schießen, und Reisegelegenheit sowie Mechanikerin besagter Reisegelegenheit, beleidigen.
„Hm.“ Des lehnte sich, mit dem Bier in der Hand, im Stuhl zurück und schien einen Moment tatsächlich nachrechnen zu wollen, bis er sich doch auf ein „Schon ein Weilchen“ beschränkte. „Angefangen hat’s mit zu vielen Abenteuerromanen, weiter ging’s mit einem Studium und geendet hat es hier“, wobei er mit einer ausholenden Geste die gesamte Bar beschrieb.

Schließlich rang er sich doch zu einer Erklärung durch, was genau er eigentlich machte. „Ich bin Archäologe. Eigentlich. Immer mal wieder.“ Er schmunzelte. Vermutlich war er kein ‚richtiger’ Archäologe mehr, seit die oberste Liga sich weigerte, seine Arbeiten zu veröffentlichen, aber solange er weiter forschte und seine Berichte für sich schrieb, war er, was auch immer zum Teufel er sein wollte. So.

[Teo Howard]

"Archäologe also." Teo nickte, während irgendeine Faust ihren Magen umklammern und zusammendrücken musste - jedenfalls fühlte es sich so an. Noch einer von der Sorte. Das klang nicht nach einem Glückstag. Dennoch lächelte sie fröhlich, als sie fortfuhr: "Und du willst mit deinem Freund zusammen nach dieser Ruine suchen?"
Wie viele von denen gab es denn wohl noch? Und hatten die vor, alle einzeln anzurücken, damit sie jeden einzelnen von ihnen schweren Herzens in die Bucht schippern durfte? Also, das war doch ungerecht! Vielleicht sollte sie irgendwas mit Zuckerrand bestellen, das Zeug heimlich abkratzen und ihren gerade frisch aufgemöbelten Motor für eine Weile ruinieren. Nur würde das diese Expedition auch nicht wieder zurück aus dem Dschungel bringen!
Sie griff nach ihrem Bierglas. Vielleicht konnte sie den Frust ja auch herunterspülen. Seit wann war eigentlich ausgerechnet ihr Tempel zum Mekka der Archäologen erklärt worden?!

[Des Carter]

Kurz stutzte er. Hatte sie grade Ruine gesagt? In seinen Emails hatte Ray eindeutig von einem Tempel gesprochen, was auch durchaus Sinn machen würde. Selenismusforschung führte ab einem gewissen Punkt unweigerlich nach Atempo und den Dschungel dahinter und dass es einen Tempel gab, war tatsächlich alles andere als unmöglich, nur war ihm nicht ganz bewusst, wieso Ray von einer Ruine sprechen sollte. Man musste dabei allerdings bedenken, dass Des schon immer sehr viel forscher und weniger bedacht als sein Freund und Studienkollege gewesen war. Allerdings nicht dumm, weswegen er Rays Geschichte einfach mal aufgriff.
„Hat er dich damit bei der Überfahrt gelangweilt?“ Er grinste charmant. „Ich bin eigentlich gar nicht als Expeditionsteilnehmer geplant, vielleicht schickt er mich auch postwendend zurück, wenn er sowieso genügend Teilnehmer hat.“ Als ob, aber rumscherzen durfte man ja noch. So wie er es an der Teilnehmerliste, die Ray ihm geschickt hatte, gesehen hatte, waren hauptsächlich Studenten im Trupp vertreten, weswegen sein alter Freund ihn eigentlich mit Kusshand begrüßen müsste, sobald er sie im Dschungel gefunden hat.

„Hat er viel geplaudert?“ Er bezweifelte es irgendwie, außer man hatte ihn in den letzten Wochen noch spontan einer Gehirnwäsche unterzogen oder ihn gegen einen Weltallparasiten ausgetauscht.

[Teo Howard]

"Nein, nicht so viel." Teo zuckte mit den Achseln und leckte sich den Biergeschmack von den Lippen. Eigentlich hatte sie mit dem Professor ja gar nicht gesprochen - abgesehen von ihrem kurzen Wortwechsel, als sie ihm verklickern musste, dass ihr Onkel nicht mit an Bord war. "Und wenn, dann hätte er mich nicht gelangweilt. Ich mag so - Zeug. Also so Geschichten", fügte sie hinzu.
So, jetzt musste sie nur irgendwo auf dem Grat zwischen Dichtung und Wahrheit bleiben, dass es nicht auffiel, wenn sie ein bisschen schwindelte. Und es musste genug sein, dass er vielleicht noch etwas aus dem Nähkästchen plauderte. Aber ach - wenn er gar nicht auf der Teilnehmerliste stand, dann würde er ja vielleicht gar nicht mehr so viel wissen? Versuchen konnte sie es natürlich dennoch.
"Bisher weiß ich nur, dass sie irgendeinen Tempel suchen. Einen Inka-Tempel?" Fragend sah sie Des an und wartete gespannt auf seine Reaktion. Und irgendwie kam er ihr immer noch bekannt vor!