Hafenkneipe "Piranha"

[Luca Canalli]

Der Student unterdrückte ein überhebliches Lächeln, als er die Frage Santiagos hörte. Was ihn qualifizierte? Was glaubte der eigentlich, mit wem er es hier zu tun hatte?
Er musterte Santiago nochmals kurz und lächelte dann selbstsicher: "Ich könnte euch das gleiche fragen." Nachdem er kurz bedeutsam die Augenbrauen hochgezogen hatte, fügte er jedoch vertraulich hinzu: "Aber ich bin sicher, mein Onkel hat sich davon bereits überzeugt, also werde ich ihm vertrauen so wie er mir vertraut."
Luca gestikulierte leicht mit einer Hand, während er fortfuhr: "Ich bin Student der Universität, die diese Expedition ins Leben berufen hat. Ich kenne die Leute" - okay, zugegeben, einige mehr vom Sehen als privat oder so.. - "ich kenne die Hintergründe und Theorien und ich würde es nicht bedauern dem einen oder anderen von ihnen ein Bein zu stellen." - Vor allem nicht diesem kleinen, frigiden Miststück, wegen dem er durch die Prüfung gerasselt war..
Er verzog seinen Mund leicht: "Ganz davon abgesehen habe ich im Gegensatz zu euch etwas zu verlieren, wenn ich auffliege... Aber wie ich bereits sagte, ich vertraue meinem Onkel, also vertraue ich darauf, dass wir es hier mit Profis zu tun haben und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit." Er grinste gewinnend.

[Santiago]

Santiago entging Canallis Missfallen an seiner Antwort nicht, wie ihm generell nur wenig entging. Er kannte auch Damian gut genug, um zu ahnen, dass ihm dieser Teil des Auftrags gar nicht schnell genug vorbeigehen konnte - entsprechend zurückhaltend verhielt er sich auch im Gespräch. Und ihr Auftraggeber hatte anscheinend beschlossen, seinem Neffen das Wort zu überlassen, der offensichtlich über ein gesundes Selbstvertrauen verfügte.

Auf die nur angedrohte aber letztlich nicht gestellte Gegenfrage verzog Santiago nur amüsiert einen Mundwinkel. Die Tatsache, dass Lucas Onkel substanzielle finanzielle Ressourcen für sie auszugeben bereit war, müsste eigentlich Qualifikationsbeweis genug sein, und das sah offenbar auch Luca ein. Santiago hörte ihm ruhig zu, zog an seiner Zigarette und blies gelegentlich etwas Rauch aus der Nase. "Mhh...", brummte er. War ja gut und schön, er also kannte die Leute, er kannte das Fachgebiet - das immerhin reduzierte das Risiko, dass er sofort aufflog. "Und wie oft hast du solche Undercover-Arbeit schon gemacht? Wie oft hast du schon überzeugend gelogen und betrogen, dich nachts weggeschlichen und am nächsten Tag überzeugende Ausreden dafür erfunden? Wie oft hast du schon Leute aus dem Weg geräumt, die dir auf die Schliche kamen?" All diese Fragen stellte Santiago in freundlichstem Konversationston als wären sie die selbstverständlichsten Dinge der Welt.

[Luca Canalli]

Luca grinste selbstsicher, nachdem er ruhig den Fragen Santiagos gelauscht hatte. Na, der dachte wohl wirklich, er hatte es mit einem völlig unbeschriebenen Blatt zu tun...
"Oft genug. Ich habe kein Problem damit, kreativ zu sein und auch nicht damit, diese Kreativität überzeugend rüberzubringen. Wer könnte schon glauben, dass diese Augen lügen können..." Amüsiert schürzte er die Lippen. "Aus dem Weg räumen musste ich bisher niemanden, allerdings gehe ich davon aus, dass das im Zweifelsfall du und deine Leute übernehmen, sollte es wirklich notwendig sein." Damit würde er sich nicht die Hände schmutzig machen oder seine Zukunft verbauen, wofür wurden diese Typen sonst auch bezahlt, wenn sie dafür nicht zu gebrauchen waren...
"Undercoverarbeit im herkömmlichsten Sinn habe ich bisher zwar noch nicht gemacht, allerdings ist dies bei Weitem nicht das erste Mal, dass ich mich anderen gegenüber verstellen muss." Fast ein wenig gelangweilt warf er einen kurzen Blick zu seinem Onkel und blickte dann Santiago wieder an: "Wie werden wir miteinander kommunizieren?" Er könnte ihm seine Handynummer geben, wie man derartige Spuren verwischte, war ja nicht besonders schwer, allerdings hatte er keine Ahnung, wie weit sie damit im Dschungel kommen würden, wenn sie erst unterwegs waren. Der Empfang war vermutlich sehr beschränkt.

[Homer Canalli]

Canalli konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Ach ja, die Jugend! In ein paar Jahren würde sein Neffe vielleicht auch die Freude anerkennen, die es machen konnte, jemanden aus dem Weg zu räumen. Oh, nicht mit den primitiven Waffen der Gewalt, mit grobschlächtiger Brutalität oder unästhetischem Blutvergießen - es gab so viele angenehme Wege, sich eines unerwünschten Rivalen oder Nebenbuhlers zu erwehren. Es gab doch immer jemanden, der einem noch einen Gefallen schuldig war. Eine Offerte, die wie eine günstige Gelegenheit klang, sich für den anderen aber als geschickt getarnte Falle entpuppte, die ihn geradewegs aufs akademische Abstellgleis führte. Ein paar Informationen an der richtigen Stelle gestreut, also entweder bei der Presse oder bei der Ehefrau - schon war man einen politischen Gegner losgeworden, dem man vorher ein liderliches Frauenzimmer ins Hotelzimmer geschickt hatte. Ein Umweltaktivist, der plötzlich Aktien des größten Industrieschmarotzers in seinem Portfolio fand? Eine Journalistin, die ihre Glaubwürdigkeit an ein paar dubiose Quellen verlor? Ein unhöflicher Fernsehtechniker, der bei seinem Vorstellungsgespräch für eine besser dotierte Stelle einen unfähigen Taxifahrer hatte, der ihn an der vollkommen falschen Adresse herausließ? Oh, es gab so viele Mittel und Wege.
Canalli entdeckt ein Katzenhaar auf seinem Hemd und entfernte es beiläufig mit spitzen Fingern. Bisher schlug sich der Junge gut. Er konnte stolz auf ihn sein - und natürlich auf sich selbst. Man musste ein Talent ja auch entdecken und fördern!

[Santiago]

Santiago hielt seinen Blick unverwandt auf Luca gerichtet und wirkte wenig beeindruckt. "Ein völliges Greenhorn also...", er warf Canalli einen leicht vorwurfsvollen Seitenblick zu, bevor er Luca erneut fixierte. "Du hast noch nie Undercoverarbeit gemacht und noch niemanden aus dem Weg geräumt, und der Dschungel hier ist ein einziger, lustiger, grosser Abenteuerspielplatz...", Santiago klang nun etwas sarkastisch. "Dir ist schon klar, dass du in der Gruppe auf dich allein gestellt sein wirst, oder? Dass keiner von uns da ist, der dein Händchen halten kann, dass du selbst sehen musst, wie du damit fertig wirst, wenn deine Tarnung plötzlich auffliegt. Wir werden ziemlich Abstand halten müssen, wir werden nur mitkriegen, was du es schaffst uns zu übermitteln..." Santiago übertrieb absichtlich ein bisschen. Selbstredend würde er sich nicht ausschliesslich auf das Greenhorn verlassen können, er würde noch andere Augen und Ohren brauchen, zumindest bis klar war, ob der Junge zu was zu gebrauchen war oder nicht.

"Kann gut sein, dass dein Leben davon abhängt, dass du selbst jemanden aus dem Weg räumst, leise und diskret, so dass es nach einem Unfall aussieht. In einem Dschungel können ja so viele unglückliche Dinge passieren..." Er lächelte maliziös. " A propos Dschungel: Du hast kein Problem mit Schlangen, Spinnen und Jaguaren, hoffe ich." Santiago stiess etwas Rauch aus und lehnte sich zurück. "Kommunizieren werden wir hiermit." Er griff an seinen Gürtel und legte ein Gerät auf den Tisch, das nur wenig grösser war als ein durchschnittliches Smartphone, aber eine kleinen Antenne hatte. "Satellitentelefon, state of the art, funktioniert immer und überall. Allerdings auf deiner Seite nur einsetzbar, wenn es niemand mitbekommt."

Er wendete sich Canalli zu. "Ihnen ist klar, dass ich keine Verantwortung dafür übernehmen kann, wenn der Junge etwas vermasselt. Wenn etwas wegen ihm schief geht... dann ist das Ihr Problem." Mit anderen Worten, er erwartete, die zweite Tranche des Geldes dennoch zu kriegen. "Ich habe auch nicht vor, Babysitter zu spielen, dass das klar ist. Wenn er nicht auf sich selbst aufpassen kann..." Santiago beendete den Satz nicht sondern hob nur vielsagend seine Schultern.

[Homer Canalli]

Canalli ließ das Katzenhaar achtlos zu Boden fallen und richtete seinen Blick auf Santiago. "Er wird keinen Babysitter benötigen", stellte er ruhig fest, ohne das säuerliche Lächeln auf seine Lippen zu lassen, nach dem ihm zumute war. Der tat ja tatsächlich so, als müsste er Luca jeden Schritt vorsagen, damit dieser nicht auf die Nase fiel. Canallis Überzeugung war natürlich auch als Botschaft an seinen Neffen gedacht: Ein Versagen war induskutabel. Aber noch war er bereit, Luca sein Vertrauen zu schenken. Sein Neffe war schließlich kein Idiot. "Und er wird nichts 'vermasseln'."
Sein Mundwinkel zuckte leicht, und Canalli beugte sich leicht vor. "Wenn Sie über diese Form der Kommunikation verfügen, steht es übrigens frei, mich hin und wieder auf dem Laufenden zu halten. Ich benötige keinerlei Detailwissen, mich interessieren lediglich Ergebnisse." Er befeuchtete sich die Lippen. "Sollten Sie noch etwas benötigen - ich werde erst am Montag zurück nach Primera reisen." Er wüsste zwar nicht, was noch anfallen sollte, denn so wie er an Lucas Fähigkeiten glaubten, so war er auch davon überzeugt, dass Santiago und sein Team für diesen Auftrag ausreichend vorbereitet waren und alle nötigen Vorkehrungen getroffen hatten. Im Idealfall würde nie jemand erfahren, dass sie überhaupt in der Gegend gewesen waren.

[Luca Canalli]

Äußerlich entspannt und offen hörte er sich an, was Santiago ihm zu sagen hatte, auch wenn es ihm innerlich durchaus missfiel, wie herabwertend das aus Santiagos Mund herüberkam. Der hatte eben keine Ahnung, aber gut... er war ja auch nur ein Handlanger seines Onkels und wichtig war ja auch, dass der Kerl seinen Job machte und nicht, dass er ein guter Freund wurde...
Sachlich: "Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen und als völliges Greenhorn würde ich mich auch nicht bezeichnen." Selbstsicher nickte er zu diesen Worten, verzichtete aber darauf, sich noch weiter vor dem anderen zu rechtfertigen. Das hatte er nicht nötig, zumal sein Onkel bereits das Wort ergriff.

Ruhig lauschte er dessen Worten, so wie er auch den Informationen über ihr Kommunikationsmittel gelauscht hatte. Ach nee, dass er das nur benutzen konnte, wenn er völlig ungestört war, darauf wäre er ja nie gekommen... Mühsam hatte er das genervte Augenrollen unterdrückt und stattdessen nur ein höfliches Lächeln angedeutet und genickt.

Bekräftigend rieb Luca seine Hände, als sein Onkel nochmals betonte, dass er nichts vermasseln würde und blickte kurz zu seinem Onkel, dann zurück zu Santiago. "Ganz genau. Für mich steht hier einiges auf dem Spiel - und Versagen ist ohnehin ein Fremdwort für mich."
Er deutete ein Lächeln an und zeigte mit einer Hand auf das 'Smartphone' auf dem Tisch: "Ist dieses hier für mich? Und ist dort eine Nummer eingespeichert, unter der ich dich erreichen kann, sollte ich Informationen haben?"

[Santiago]

"Na, wollen wir es hoffen", brummte Santiago nach den Versicherungen der beiden Männer, dass der Neffe schon genug drauf hatte, um mit allen Problemen fertig zu werden. Er bezweifelte es zwar weiterhin, aber er hatte seine Warnungen ausgesprochen und Canalli auch klar gemacht, dass der Junge nicht seine Verantwortung war, sondern wenn, dann die seines Onkels. Mehr konnte er nicht tun. Und beide interessierten sich dann auch sehr schnell viel mehr für das Satellitentelefon als für alles andere.

Santiago lächelte. "Ich halte Sie auf dem Laufenden, falls es etwas Aufregendes zu berichten gibt, Doc. Rechnen Sie einfach nicht mit täglichen Grüssen vor dem Einschlafen..." Dann sah er Luca an, der das Handy offensichtlich am liebsten gleich eingepackt hätte. "Leider bin ich kein Hellseher. Wäre ich das, hätte ich vielleicht ein Gerät für dich dabei. Aber da ich vor fünf Minuten zum ersten Mal von deiner Existenz erfahren habe..." Er runzelte die Stirn, griff nach dem Gerät und steckte es wieder ein. "Das hier ist meines, aber ich denke, jemand aus dem Team wird wohl seines entbehren können, da wir ja mehr oder weniger gemeinsam unterwegs sein werden." Dass er noch zwei Geräte für Notfälle in der Hinterhand hatte, musste er den beiden ja nicht auf die Nase binden. Canalli sollte sich ruhig ein bisschen schuldig fühlen, dass er diese Überraschung in letzter Sekunde aus dem Hut gezaubert hatte.

[Homer Canalli]

Ts, und wieder wirkte Santiago verstimmt ob der zusätzlichen Unterstützung, die sich ihm hier so unverhofft bot. Canalli lächelte dünn. Nicht jeder war in der Lage, flexibel genug auf neue, positive Situationen zu reagieren - oder Santiago bemühte sich gerade, einen Extrabonus herauszuschlagen. Wäre dieser Ort nicht am Ende der Zivilisation hätte Canalli ihm jetzt ja mitgeteilt, dass er seine Technologie ruhig behalten sollte, und seinem Neffen anschließend das allerneuste Modell zugesteckt, aber das Satellitentelefon, das er an Bord seiner Yacht hatte, hatte schon seine Zeit auf dem Buckel, und bei den unsicheren Funknetzen hier unten wollte er auf das Telefon nicht verzichten, bis sie wieder in einem Hafen anlegten, der einen anständigen Flugplatz hatte. Außerdem war Canalli nicht bereit, sich von ihm reizen zu lassen oder dieses Spiel vom stärkeren Mann mitzuspielen. Im Fall der Fälle würde ein Homer Cesare Canalli immer am längeren Hebel sitzen als ein Santiago! Solange er aber so dicht bei ihm war, dass ein kurzer Zug an einem Hebel genügte, um die Machtverhältnisse zu verändern, sollte Santiago sich ruhig im Aufwind fühlen.
"Wenn das so ist..." Canalli wandte seinen Kopf und blickte Senor Cochrane mit unverhohlener Aufforderung an. Jemand aus Santiagos Team konnte auf sein Telefon verzichten - das konnte ja eigentlich nur Damian sein, wenn nicht der Rest des Teams gleich durch diese Tür spaziert kam, um ihm artig Hallo zu sagen.

[Damian Cochrane]

Damian Cochrane
Damian Cochrane hatte der Unterhaltung, wenn man es denn so nennen konnte, zwischen den drei Herren gelangweilt zugehört. Dennoch hatte er alles in sich aufgenommen und wusste immer noch jedes Detail. So hatte er auch Santiagos letzte Worte mitbekommen.
Na wie gut, dass er das Handy noch nicht mit irgendwelchen wichtigen - für ihn wichtigen - Nummern gefüttert hatte.
Ohne Santiago noch einmal anzusehen - denn das würde nur unprofessionell wirken - oder auch nur mit der Wimper zu zucken, zog er sein Gerät aus der Hosentasche und ließ es über den Tisch zu Luca hinüber schlittern. Fangen würde der Junge wohl noch können. Er war sowieso gespannt darauf, was das mit ihm noch werden würde. Lediglich für den Neffen des Auftraggebers hoffte er, dass dieser Grünschnabel keine großen Fehler machen würde. Aber das würden sie ja noch sehen. Früher oder später. Zumindest konnte das noch amüsant werden.