Lager Team Santiago

[Raphael Healy]

"Findest du? Ich hab irgendwie das Gefühl, ich sollte das mit dem Interesse heucheln noch'n bisschen üben."
Er hatte hier ja Zeit. Und genügend Langeweile um tatsächlich halbwegs motiviert bei der Sache zu bleiben. Sollte ihn irgendwann wirklich die totale Verzweiflung übermannen, hatte er ja immer noch Evan's Comics, die irgendwie kiloweise in ihrem zurückgelassenen Rucksack rumschimmelten. Im Stillen wartete er ja immer noch darauf, dass Simon irgendwann die Süßigkeiten erschnüffelte.
"Jah, haste fein gemacht", er schmunzelte leicht. Wirklich kritisieren konnte und wollte er Santiago für die Teamwahl nicht, allerdings machte er nach wie vor keinen Hehl daraus, dass er sie nicht ganz nachvollziehen konnte. Wobei er Powell immer noch einen geringen Nutzen zusprach, während Payne einfach nur meschugge war. "Aber hey, zumindest werd ich am Ende dieses Auftrags wissen welche Insekten ich essen kann und welche nicht. Ist ja auch was wert."

[Santiago]

"Genau. Und vergiss nicht das Geld. Hab' mir sagen lassen, all das Geld ist auch etwas wert." Santiago hatte Healy nie über seine wirklichen Beweggründe ausgefragt, solche Aufträge anzunehmen. Und das nicht nur weil es irrelevant war, sondern auch weil er annahm, die Antwort ganz gut erraten zu können. Niemand tat diese Art von Arbeit wirklich nur, weil man von irgendwas leben musste. Wenn ein Bewohner der ersten Welt nur von irgendwas leben musste, fand immer etwas weniger gewalttätiges zu tun, und sei es nur um das Minimum aufrechtzuerhalten. Sofern man wollte. Man arbeitete auch nicht in diesem Geschäft, nur um reich zu werden. Wer solche Spiele spielte hatte selten viel Zeit und Gelegenheit, ein opulentes Leben zu führen, machte sich nebenbei zu viele Feinde und ging zu viele Risiken ein für mehr als bescheidenen, einsamen Wohlstand. Realistisch gesehen.

Nein, auf irgend eine Art musste man das hier wollen, und sei es nur, weil man der Meinung war dass jeder Mensch etwas haben musste, was er tat, womit er sein Leben füllte- bevorzugt etwas, worin man gut war, sich abhob, profilierte. Der mindeste Grund, und trotzdem schon Höhepunkt eines Weges konstanter Abstumpfung, an dem man irgendwann feststellte dass man schreckliche Dinge tun, und sich morgens trotzdem super im Spiegel in die Augen sehen konnte.

"... Aber wenn dir allein das Insektending so kostbar ist, hey- Niemand wird sich beschweren, wenn du auf deinen Sold verzichtest", fuhr er in jenem Tonfall fort, den man bei Santiago am ehesten noch als Plauderton bezeichnen konnte, während er den voll beladenen Filter über seine Blechtasse hängte und nach dem Wasser sah.

[Raphael Healy]

"Wem soll ich meinen Sold denn geben? Payne? Der versucht nachher nur die Scheine zu fressen." Zumindest war ihm hier draußen noch nichts aufgefallen, für das es Geld gebraucht hätte. Mal abgesehen davon würde er Simon glatt zutrauen, dass der sich seine Klamotten von irgendwelchen erschlagenen Forschern zusammengesammelt hatte. "Und bevor du nur dran denkst; nein, du kriegst meinen Anteil auch nicht."
Er glaubte sowieso, dass Santiago ein wenig wohlhabender war als der Rest von ihnen. Anhaltspunkte hatte er nicht, es war mehr ein Gefühl und nachfragen würde nichts bringen, weil er bereits in vorangegangenen Zusammenarbeiten gelernt hatte, dass ihr Chef nicht von sich selbst sprach. Zumindest nicht über halbwegs interessante Themen. So war es für Healy nach wie vor ein Rätsel, wer Santiago eigentlich war, wo er herkam oder was ihn zu diesem, doch eher ungewöhnlichen Job, bewegt hatte. Und Gott sei Dank war sein generelles Interesse an anderen Personen auch nicht groß genug, dass es ihn wirklich beschäftigen würde.
"Wo hast du den Kerl eigentlich aufgetrieben?" Mal sehen ob er wenigstens diese unpersönliche Frage beantworten würde.

[Santiago]

"Im Dschungel", kam es nicht offenkundig amüsiert klingend, aber eindeutig so gemeint, darauf zurück. Indessen zog Santiago ein Tuch hervor, griff damit nach dem Henkel der Kanne, holte sie brodelnden Inhalts aus dem Feuer, und begann einen Rinnsal des dampfenden Wassers durch den Kaffeefilter in die Tasse laufen zu lassen. Seine Züge blieben reglos, aber sein Blick wandte sich kurz ins Feuer, ehe er gleich wieder gen Waldrand sah, und was auch immer es war- Etwas spielte sich in seinem Blick ab, während er die Zigarette ins einem Mundwinkel verheißungsvoll zum Glühen brachte.

"Wenn man an einem fremdartigen Ort zurechtkommen will, oder lernen will sich dort zu bewegen, braucht man einen echten Einheimischen, der ihn im Blut hat. Und in den verflucht schwärzesten Dschungeln Gottes grüner Erde sind nur verfickte Raubtiere wirklich einheimisch. Der ganze Rest sind bestenfalls Gäste", murmelte er im düsteren Palaverton, während der Kaffee im gemütlichen Tempo in die Tasse tröpfelte. Sein Blick hob sich, untermalte die folgenden leichthin kommenden, sehr selbstverständlich klingenden Worte. "Und Simon Payne kommt, bei allem was er sonst ist, so nahe an ein einheimisches Raubtier heran wie es nur geht, ohne dass das letzte bisschen Verstand abhanden käme, um halbwegs damit arbeiten zu können." Ein leichtes Schnauben entfuhr Santiago, ehe er mit der Schulter zuckte. "Also haben wir einander gefunden und miteinander gearbeitet. Mehrfach. Und so sehr ich ihn hasse- Man kann vielleicht auf Payne verzichten, ihn aber nicht ersetzen."

[Raphael Healy]

Brav, geduldig und ohne einen Mucks zu sagen hörte er sich Santiagos - doch erstaunlich ausführliche - Antwort an und musste blöderweise zugeben, dass sie nicht nur Sinn machte sondern vermutlich eine sehr viel bessere Antwort war, als er je erwartet hätte. Seufzend ließ Healy also die Schultern hängen und gab sich geschlagen. "Du schaffst mich."
Was nicht bedeutete, dass er Simon gegenüber freundlicher oder verständnisvoller reagieren würde. Er hielt ihn nach wie vor für einen macheteschwingenden Irren, aber zumindest ein macheteschwingender Irrer mit gewisser Existenzberechtigung. Nur ließ ihn das nachts nun auch nicht wirklich besser schlafen. "Bleibt nur zu hoffen, dass er deinen Geduldsfaden nicht überstrapaziert. Ich muss ja nicht mit ihm klar kommen."
Leicht grinsend lehnte er sich gegen eine dickere Wurzel in seinem Rücken. Sein Blick glitt durch die Dunkelheit in Santiagos Rücken, in der nach wie vor nicht mehr als Schemen und Schatten erkennbar waren. Aber nichts weiter auffälliges. Vielleicht blieben sie ja mal ein Weilchen von Raubkatzen verschont.

[Dante Powell]

cf: Irgendwo im Dschungel

*** Dante vergewisserte sich mit einem leichten Fußtritt, dass ihr Gefangener nicht plötzlich auf- und davonspazierte, sondern brav liegen blieb. Sollte Simon ruhig schmollen; er würde jetzt nicht noch einen Fehler machen. Und so logisch Simons Pläne auch für einen klangen, der kein Problem damit hatte, wenn um ihn herum Leute verschwanden - Dantes Erfahrungen mit anderen Menschen deuteten darauf hin, dass auch ein verstorbener Mitstudent Ärger machen würde. Mehr, als Payne derzeit wohl ahnte.

Er wählte Santiagos Nummer, wartete darauf, dass sein Boss sich meldete, und fiel dann gleich mit der Tür ins Haus. "Wir haben ein Problem. Jemand hat uns gesehen. Der Typ liegt jetzt schlafend neben mir."

Mit ein bisschen Glück war jetzt das ihr Maulwurf. Aber irgendwie glaubte Dante nicht, dass er als blindes Huhn so ein großes Korn getroffen haben könnte. ***

[Santiago]

Santiagos Mund verzog sich leicht, ehe er bedächtig antwortete, dabei scheinbar für den Moment darauf konzentriert das Wasser im genau richtigen Tempo durch den Filter zu schicken, indessen weiter beiläufig paffend. Die Tasse füllte sich ganz unaufgeregt mit schwarzer Flüssigkeit. Nicht frisch gemahlen, aber eine gute einheimische Mischung, wie der starke Geruch verriet. Jedenfalls nichts aus dem Supermarkt.
"Um meinen Geduldsfaden mache ich mir weniger Sorgen. Ich kann verdammt geduldig sein, wenn es sich für mich lohnt. Und dieser Ausflug hier lohnt sich überproportional gut." Tropf. Tropf. Tropf. "Payne hingegen stellt sich noch aufgedrehter und durchgeknallter an als zuvor. Streut abergläubischen Dreck zwischen die Fakten, redet im brustton der Überzeugung wirres Zeug. Scheiße, er ist so gut wie eh und je, aber Narracion tut ihm nicht gut. Oder zu gut, wenn das Teil seines verdammten Spiels ist."

Er blickte wieder auf. Es mochte sich eine schicksalsschwere Note in seine Worte geschlichen haben, aber die folgende Trivialität klang kaum anders als das zuvor gesagte, eine seltsame Form des in-such-Ruhens die in seinem Tonfall mitschwang. "Besorg' dir eine Tasse, und uns einen Schuss, wenn du noch Ire genug dafür bist." Sein Mundwinkel zuckte, auch wenn er sogleich etwas ernsteres ergänzte. "Wenn die beiden überfällig werden müssen wir bald los. 'Könnens also brauchen."

EDIT:

In diesem Moment vibrierte Santiagos Satellitentelefon. Einen flüchtigen Blick auf das Display später zückte er es diesmal direkt, hielt es sich ans Ohr, und nahm ab. *** "Dante", stellte er halb fest, halb informierte er damit Healy.
Seine Züge verhärteten sich hinsichtlich dessen, was er zu hören bekam. Die Augenbrauen zogen sich zusammen.
"Wie sieht der Typ aus? Habt ihr seinen Namen?", kam es nach einer kurzen Denk-, oder auch Wutpause überraschend sachlich, aber mit dem Tonfall eines Schleifsteins zurück. ***

[Raphael Healy]

"Abergläubischen Dreck?" Noch mehr als diesen Blödsinn von Katzen, die immer nur im Doppelpack auftauchten? Rauchte der Kerl hier draußen irgendwelche exotischen Kräuter oder wie wurde man so dermaßen bescheuert?
Diese schwarze Brühe wollte er eigentlich nichtmal mit einer Kneifzange anpacken, aber da er ja Ire genug war - wobei er da sowieso erstmal ein Steinchen nach Santiago geworfen und absichtlich knapp daneben gezielt hatte - griff er nach seinem Rucksack und zog ihn ran. Bevor er allerdings mit dem Kramen nach einem Becher und einer von vier Connemara Flaschen, die sowieso ins Marschgepäck eines jeden gebürtigen Iren gehörten, beginnen konnte, klingelte Santiagos Telefon.
Neugierig sah er auf, wobei aus der Neugierde recht bald Verwirrung wurde. Was hatten die beiden Amateure nun wieder angestellt?

[Dante Powell]

*** "Kein Name, nein." Dante war sich sicher, dass das Donnerwetter noch auf ihn warten würde; und seine Fairness drängte ihn, Santiago früh genug davon zu unterrichten, dass es sein verfickter Fehler gewesen war. Was hatte Simon gesagt? Er sei gefallen und hätte dabei geschossen? Klang doch ganz gut als Ausrede, auch wenn es an seiner Professionalität Kratzer hinterlassen würde. Klang aber immer noch besser, als zu erzählen, zeitweise ausgeknockt gewesen zu sein, ohne erklären zu können, warum und wodurch.

Dante blickte auf seinen Gefangenen nieder. "Der Typ ist um die 20, etwa 1,80m groß, halblange dunkle Haare. Ziemlich schlank." Tja, und weil er schlau war, verkniff er sich jetzt mal, dass er ja hatte wissen wollen, wer der Maulwurf war - jedenfalls falls das Glück doch auf den großen Haufen geschissen hatte.

"Payne ist angeschossen und schlägt vor, ihn mitzubringen und hier Blut und Kampfspuren zu hinterlassen, damit sie glauben, dass ihn was gefressen hat. Ich hab mich eher gefragt, ob unser Maulwurf nicht was drehen kann, dass die anderen denken, er sei abgehauen. Weniger Fragen, weniger Chancen auf Polente." ***

[Santiago]

Santiago biss die Zähne zusammen. Da ging sein Fünkchen Hoffnung hin, dass sie sich vielleicht die kleine Canalli-Ratte geschnappt haben könnten. Luca sah älter aus als zwanzig, und halblange Haare hatte er sich kaum über eine Woche hinweg wachsen lassen.

"Das ist beides ganz große Scheiße, Dante", erklärte er dezent gepresst, aber beherrscht, während er die kochend heiße Kanne beiseitestellte. "Ihr könntet weder einen wirklich tödlichen Raubtierangriff nachstellen, wenn ihr ihn nicht gerade tatsächlich abschlachtet, noch im Stockdunkeln alle Spuren beseitigen, wenn Payne verdammt nochmal angeschossen wurde." Die Schärfe in den Worten klang kontrolliert, aber sie war eindeutig da.

Eine weitere Sekunde des Nachdenkens, dann die Art von schneller Entscheidung, die den Kopf einer Operation ausmachte.

"Okay. Blut habt ihr irgendwo sicher schon, übertreibts nicht. Sorgt wenn es irgendwie geht dafür, dass sie möglichst nur eine Menschenspur finden, und zwar zum Fluss. Nicht-tödlicher Raubtierangriff, und der Typ ist in der Annahme dass Katzen nicht schwimmen gen Wasser gerannt, klarer Fall, aber zu weit 'raus, sodass ihn die Strömung mitgenommen hat, kapiert? Mit etwas Glück habt ihr schon Raubtierspuren vor Ort." Suboptimal. Totaler Mist. Aber unter den gegebenen Umständen würde es nur für potenzierte Fehlerquoten im Detail sorgen, das ganze kaputtzudenken und überzuinszenieren. Vor allem mitten in der Nacht.

"Packt ihr das? Oder sollen wir euch entgegenkommen?"