von Dante Powell » So 17. Mär 2013, 16:53
Dante schrak auf. Im ersten Augenblick war er nicht sicher, wo er sich befand. Er spürte das harte Holz in seinem Rücken, das Wurzelwerk unter seinem Hintern, den beruhigenden Griff seiner Waffe in seiner Hand - aber da war auch eine schwammige Erinnerung in seinem Kopf von einem großen, verlockend glänzenden Edelstein, von einem hinter Schleiern liegend scheinendem Gebäude und einem kreisrunden See, der im Mondlicht silbern glänzte...
Dante schüttelte den Kopf. Das war nur ein Traum gewesen, ein dummer, nutzloser Traum, der sich komisch anfühlte - als wäre er ihm von jemandem eingeflüstert worden. Jetzt, mit wachem Verstand, verblassten die Bilder zusehends und machten in seinem Kopf Platz für einen seltsam würzigen Geruch in seiner Nase - konnte es sein, dass dieser Baum harzte und ihm ein paar Tropfen irgendwie auf die Kleidung gekommen waren? Vor allem aber machten sie Platz für ein erschreckend reales Bild: das vom leeren Stamm nicht weit von ihm entfernt, an dem vor seinem Nickerchen noch der Gefangene gefesselt gesessen hatte. Jetzt war der Junge fort.
Der Fluch ließ sich nicht aufhalten, der durch seine Zähne wollte. Zorn gegen sich selbst, gegen diesen blöden Dschungel, in dem man nichts fand, gegen Santiago, der ihm untersagt hatte, den Zeugen gleich zu beseitigen, gegen Healy und Payne und Evans, die alle einfach verschwunden waren, überflutete Dante, und gerade als er die Wut herausschreien wollte, klopfte die Ungewissheit an, was wohl dafür gesorgt hatte, dass alle, die hergekommen waren, nun verschwunden waren. Dante war nicht abergläubisch, und dass Evans einfach unfähig gewesen war und Payne einen an der Klatsche hatte und deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verschollen war, sondern sich einfach abgesetzt hatte - nun, das war nicht von der Hand zu weisen. Aber Healy und Santiago? Der Gefangene, der sich befreien konnte? Gut, dass der so eine Memme war - Dante selbst hätte mit einem eingeschlafenen Wächter kurzen Prozess gemacht, weil Tote einen nicht mehr verfolgen konnten.
Einen Moment blieb Dante einfach sitzen und starrte ins Leere. Was tun? Den Jungen verfolgen und erledigen? Auf die andere warten, die vielleicht gar nicht mehr kamen, und ihnen seinen Misserfolg beichten? Den Auftrag alleine weiterführen? Das erste war nicht sonderlich erfolgsversprechend - seine Fährtenleskünste waren schlicht nicht gut genug dafür, und wer wusste schon, wie viel Vorsprung der Junge hatte? Das zweite war wenig verlockend. Und das dritte - nun, er wusste nicht einmal, wer ihr Maulwurf im Team war! Außerdem bevorzugte Dante es, Pläne auszuführen, statt sie sich selbst auszudenken.
Schließlich traf er eine Entscheidung, und langsam erhob sich Dante, um sie entschlossen in die Tat umsetzen.
Eine gute Stunde später war von dem kleinen Lager nicht mehr viel übrig. Das Gepäck der anderen war sorgfältig von allem, was ihm nützlich erschien, entfernt worden; den Rest hatte er in die Flammen oder den Fluss geworfen, einen Teil auch im Dschungel vergraben. Was sich zu Geld machen ließ, würde er in San Palabra versetzen und sich eine Passage in die nächste Stadt mit Flughafen besorgen. Vielleicht würde das ein paar Tage dauern, und bis dahin würde er auch das Satellitentelefon bei sich tragen, über das sich Santiago oder einer der anderen bei ihm melden konnten. Danach würde er diesem Landstrich Adios sagen - irgendwo wartete sicher ein neuer Job auf ihn. Einer ohne Dschungel.
tbc: mal sehen, vermutlich Ausstieg