Lager Team Santiago

[Alejandro Cortez]

Alejandros Gedanken wurden immer düsterer und die Unterhaltung seiner beiden Aufpasser – oder wie immer man das bezeichnen sollte – war so spärlich, dass sie ihn weder genug ablenkte, um irgendwas über den Grund seiner Gefangennahme herauszufiltern, noch zur Ruhe kommen ließ. Dafür waren die hingeworfenen Bemerkungen dann doch zu laut. Nicht, dass die beiden geschrien hätten, aber sie waren zu nahe, als dass er sie so einfach hätte ignorieren können.

Dass der Dritte im Bunde verschwunden war, hatte Alejandro hingegen gar nicht mitbekommen. Dafür war er zu sehr mit sich selbst und seiner beschissenen Lage beschäftigt gewesen. ´ICH hab ihn Euch bestimmt nicht weggenommen´, grollte er innerlich, als er Dantes grimmigen Blick auffing und murmelte, „Vielleicht ist er ja entführt worden.“
´Ha ha.´

Das wäre wenigstens sowas wie ausgleichende Gerechtigkeit, fand er. Und seinen Blick konnte man wohl ebenso deuten.

[Simon Payne]

Nachdem seine Wunde versorgt war, fühlte er sich wenigstens ein wenig besser. Der nächste Griff galt der Wasserflasche, denn er musste dringend Flüssigkeit aufstocken. Die Frage, die ohnehin nicht an ihn gerichtet gewesen war - er war ja nicht hier gewesen und hatte keine Ahnung, was Santiago gesagt hatte. Die nächste Frage galt aber ihm und irritiert sah er sich um. Tatsächlich vom Dritten im Bunde fehlte jede Spur. Nachdenklich stand er auf und schlenderte erst mal zu dem Gefangenen.

"Durst?", erkundigte er sich und hielt dem die Flasche an die Lippen. Entweder würde er schlucken oder eine unfreiwillige Dusche nehmen. Die Flasche wurde danach wieder verschraubt und nachdenklich die Stirn gerunzelt. Der Griff glitt an den Gürtel, wo das Messer hing. Eines von vielen. "Vielleicht hat ihn die Miezekatze geholt?", schlug er schließlich vor. Doch auch wenn seine Stimme Simonmäßig unbekümmert klang, machte er sich durchaus Gedanken. Irgendwie stand diese ganze Unternehmung unter keinem guten Stern und wieder kam ihm der Gedanke, dass er sich absetzen sollte, solange er noch einigermaßen heile war. Eine Verletzung reichte ihm völlig. Beim nächsten Mal würde ihm Dante womöglich ganz versehentlich in den Bauch schießen und das war ein echt grausamer und langatmiger Tod.

Er schüttelte sich etwas und nickte dann schwach. "Entführt ... gut möglich. Simon geht nachsehen. Bleib hier", murrte er Dante zu und verschwand damit auch schon bei dem Gefangenen ins Dickicht. Zu Simons Verteidigung sollte man wohl sagen, dass er wirklich nach Healy suchte und nichts fand. Allerdings wurde es ihm auch nach etwa 20 Minuten zu blöd. Ein letzter Blick wurde in Richtung Lager geworfen, dann fiel der Blick auf die verbundene Verletzung und mit einem Kopfschütteln drehte er ab und verschwand im Dschungel. Finden würde man ihn nicht. Simon Payne wurde nicht gefunden. Wenn überhaupt fand er dich.

(Abgang Simon)

[Dante Powell]

"Witzig", brummte er zynisch in Alejandros Richtung. Herrje, wenn der Kleine jetzt auch noch Ambitionen als Komiker entwickelte, würde das eine unerträgliche Wartezeit bis zu Santiagos Rückkehr werden. Dann könnten sie sich wohl seines unnützen Ballasts entledigen und weiter ihren Job machen. Na, zur Not würde er ihn einfach knebeln, damit er die Klappe hielt, jawohl!

Während Simon den Gefangenen tränkte - ein verschwundener Healy und ein zur Menschlichkeit neigender Payne, großartige Voraussetzungen für ein Stimmungstief im Hause Powell - verschaffte sich Dante sorgfältig einen Überblick über ihr kleines Lager, aber wie nicht anders zu erwarten brachte auch der zweite Blick keine Gewissheit über Healys Schicksal. Musste in den Dschungel gegangen sein, der Idiot, vielleicht pissen, und... und jetzt marschierte auch noch Payne da hin!
"Fuck, nein! Santiago hat gesagt, wir sollen hier warten, Payne. Payne!" Zornig blickte Dante Simon nach, als dieser im Dschungel verschwand. Scheiße. Na, aber vielleicht würde er ja echt was finden.

Dante atmete tief durch und drehte sich zu Alejandro. Gut, dann blieb ihm wohl keine große Wahl, als auf den Hosenscheißer aufzupassen. Healy entführt... Warum sollte sich den einer aufhalsen? Und die Katze... also Payne durfte ja gern an seine Gruselgeschichten glauben, aber bloß, weil er sich jetzt seit ihrer ersten Begegnung mit dem Vieh ein wenig verfolgt fühlte, hieß das ja wohl nicht, dass sie sich wirklich eine Raubkatze zum Feind gemacht hatten! Da musste es eine andere, eine logischere Erklärung geben. Und vielleicht hing sie mit der Identität ihres Gastes zusammen. "Wie heißt du?", fragte er finster, während er mehr zur Beruhigung seine Waffe zog und entsicherte. Wenn da wirklich eine blutrünstige Katze in der Nähe war, wollte er sich wenigstens wehren können! Auch wenn das natürlich sicher Quatsch war.

[Alejandro Cortez]

Als der Angeschossene auf ihn zukam, wäre Alejandro am liebsten zurückgewichen, aber das ging ja – aus bekannten Gründen – nicht. Als ihm Payne dann die Wasserflasche an die Lippen hielt, stutzte er nur kurz, bevor er anfing zu trinken. Er hatte Durst und was auch immer den Schwarzen geritten hatte – eine Runde Mitleid oder von der Wunde herrührende geistige Halbumnachtung – sollte ihm egal sein. Er bekam Wasser. Aus welchen Händen und von welcher Flasche, war nebensächlich.

Dann murmelte der Bursche was von einer ´Miezekatze´ und verschwand – und ließ einen verwirrten Alejandro zurück. Und zwar allein mit dem brummigen Grobian!
Der junge Gefangene drückte sich so eng an den Baumstamm wie er nur konnte und als der Typ an seiner Pistole rumfummelte – das Klicken klang so wie im Film, wenn sie die Waffen scharf machten – wurde ihm gleich noch ´nen Deut mulmiger.

„John Smith.“, ´antwortete er ohne zu zögern – schließlich konnte ihm niemand das Gegenteil beweisen – und schloss für ein paar Sekunden die Augen. Nichts geschah. Alejandro blinzelte vorsichtig und starrte wie hypnotisiert auf die Waffe. „Bevor du mich erschießt…“, begann er mit rauer Stimme, „sag mit wenigstens, was ich getan hab.“

[Dante Powell]

Dante schnaubte abfällig. John Smith, alles klar. Und seine Hobbys waren vermutlich lesen, schwimmen und Rad fahren.
Seine Blicke glitten wieder zu der Vegetation, die sie mit - in Dantes Augen zumindest - viel zu kleinem Abstand umgab. War nicht gerade wieder ein Knacken gewesen, dass da sicher nicht hingehörte? Vielleicht Payne, der sich einen Spaß daraus machte, sie jetzt unsichtbar zu umkreisen? Oder Healy, der vom Kacken zurückkam, oder Santiago, der von wo-auch-immer zurückkam? Oder sollte es doch diese Katze...
Unwillig schüttelte Dante den Kopf und wandte sich wieder dem Gefangenen zu. "Das hat noch Zeit", brummte er. Am besten suchte er sich einen Platz, von wo aus er den Jungen im Blick haben konnte, aber der es ihm auch erlaubte, die Umgebung.. Dante stieß einen genervten Laut aus, als er den Gedanken wegen Dämlichkeit fallen lassen musste. Er befand sich in einem beschissenen 360°-Urwald, wie sollte er den denn im Auge behalten? Allein? Während alle um ihn herum zu verschwinden schienen?
Er musste sich auf irgendwas anderes konzentrieren. Schnell. Ehe er noch den Verstand verlor.
"Und was machste so bei der Expedition?", erkundigte er sich daher halbherzig und blieb gut zwei Meter entfernt von Alejandro stehen, die entsicherte Waffe immer noch in der Hand.

[Alejandro Cortez]

Der Bursche ignorierte seine Frage und fing stattdessen mit der Expedition an. Ging es DARUM? Aber wieso hatten sie dann ausgerechnet IHN… ´Weil du einen Spaziergang machen musstest, du Idiot.´ Alejandro seufzte leise.

„Ich trage Seesäcke“, sagte er, da ihm ein unschuldig dahin gehauchtes ´Welche Expedition?´ bestimmt ziemlichen Ärger eingebracht hätte. Ging den Typen schließlich nichts an, dass er also studentische Hilfskraft mit dabei war. Sonst fing er womöglich noch an, ihn nach irgendwelchen Details zu fragen.

„Und was macht IHR hier?“ Zufällig waren die bestimmt nicht da. „Oder seid Ihr wegen UNS hier?“
Fragen kostete ja nichts.

[Dante Powell]

"Als Hobby, oder was", schnaubte Dante abfällig und musterte vielsagend die Teile von Alejandros Körper, die dessen zerrissenes Hemd freilegte. Sah eher schlank, fast sehnig aus; bei einem Träger hätte Dante jetzt mehr Muckis erwartet. Waren diese Forscher wirklich so arm dran, dass sie jedes Würstchen engagierten - oder halt jeden John Smith? Na, er wollte es gar nicht wissen; ging ihn ja nun auch eher wenig an - in etwa so wenig, wie den Jungen kümmern musste, was sie hier taten. Er würde nicht lange genug leben, um es weiterzuquatschen, also musste er es auch gar nicht erst wissen.

Gerade als Dante den Mund öffnete, um Alejandro darüber aufzuklären, dass er mal besser die Klappe hielt als blöde Fragen zu stellen, auf die er eh keine Antwort bekommen würde, schreckte ihn ein Geräusch auf - eines, das ursprünglich mal laut gewesen war, durch den Dschungel aber gedämpft wurde. Ein - Brüllen? Und war das nächste, das gleich darauf durch die Luft tanzte, etwa ein Schuss? "Fuck", murmelte Dante fast lautlos und schnellte auf die Füße. Das war - nicht gut. Einfach nicht gut.

Er warf Alejandro einen Blick zu, während seine Gedanken sich überschlugen. Er war allein. Sein Boss und alle Informationen über einen Maulwurf und die spätere Art der Kontaktaufnahme, um seine Kohlen zu kassieren, war weg. Seine Kollegen - der irische Säufer, die Östrogen-Quasselstrippe und der durchgeknallte Irre - waren ebenfalls weg. Er hockte hier mit einem Gefangenen, den sein verschwundener Boss noch befragen wollte, und um ihn herum waren Bäume und Büsche und Viecher und viel zu viel Grün. Irgendwie war das das Geld nicht wert, das er vielleicht nicht mal einsammeln konnte.

Dante rang kurz mit sich, dann fasste er einen Entschluss: Er würde den anderen einen Tag geben, um zurückzukommen. Und wenn der Tag vorbei war, ohne dass irgendwer aufgetaucht war, würde er den Zeugen entsorgen und zusehen, dass er wieder eine Zivilisation zu Gesicht bekam, und wenn es nur San Palabra war - fürs erste.

"Du hältst jetzt besser die Schnauze", knurrte er in Alejandros Richtung, während er sich ganz langsam wieder niederließ. Er würde warten. Und solange würde er den Jungen im Auge behalten. Und wenn es den ganzen Tag dauern würde! Dante hatte Geduld.

tbc: nächster Tag

[Narracion]

[Dante Powell]

cf: letzter Tag

Die Luft stand. Selbst hier, unter den Bäumen, wo das Sonnenlicht zu einem flirrenden Zwielicht geworden war, stand die Luft. Dante hatte das Gefühl, sie in Stücken zu atmen. Vielleicht lag es natürlich auch daran, dass er in den letzten 30 Stunden kein Auge zugetan und kaum etwas gegessen hatte. Manchmal war er aufgesprungen, hatte die Pistole hochgerissen und für einen Moment in den Dschungel gestarrt, weil er geglaubt hatte, jemanden oder etwas zu hören, aber es war nie etwas geschehen.
Sie kamen nicht zurück. Mit dieser Erkenntnis musste Dante sich mehr und mehr beschäftigen. Das einzige, was ihn davon abhielt, sie sich ständig in den Kopf zu hämmern und seine Konsequenzen daraus zu ziehen - den Jungen, den Zeugen entsorgen, das Zeug der anderen vergraben oder in den Fluss kippen und zusehen, dass er Land gewann - das einzige war der dauernde Kampf gegen die stetig wachsende Müdigkeit. Seine Füße schienen zu flackern, und ein Teil von ihm wünschte sich nichts sehnlicher als Schlaf: tiefen, ruhigen Schlaf. Er bräuchte nicht einmal eine Matratze dafür, sondern dieser Stamm hier würde reichen, damit er sich anlehnen und die Augen schließen könnte. Nur für einen Moment.. einen ganz winzigen..

[Alejandro Cortez]

Ob als Hobby oder nicht, ging den Grobian nun wirklich nichts an, aber wenigstens schien er Alejandro dessen Antwort abzunehmen. Auch wenn der – wie erwartet – auf SEINE Frage keine bekam… ‘Egal.‘ So wirklich hatte er eh keine erwartet und eigentlich hatte er auch andere Sorgen, irgendwie.
Allerdings nicht nur er.

Der Andere fing an zu fluchen und sprang auf, während Alejandro keine Ahnung hatte, was den Älteren gebissen hatte. Er hatte weder was gehört, noch konnte er was Beunruhigendes sehen – bis auf das Rumpelstilzchen eben – und dass der Kerl so nervös war, machte alles nur noch schlimmer. Er würde schön brav den Mund halten – wie es Mister Grobklotz um einiges unnetter ausgedrückt hatte – und in den Boden starren. So konnte er wenigstens nichts falsch machen.

[Nächster Tag]

Der junge Gefangene hatte kaum ein Auge zugetan. Jedes Mal, wenn er so halb weggenickt war, war dieser Idiot wieder aufgesprungen wie von der Tarantel gestochen und vorbei war’s mit Alejandros Nickerchen. Und schön langsam bekam er den Eindruck, dass mit dem Kerl noch weniger stimmte als bisher angenommen. Er konnte nämlich beim besten Willen nicht nachvollziehen, was den anderen immer aufschrecken liess. Vielleicht eine Art… Dschungelfieber?

Inzwischen war die Sonne aufgegangen und Alejandro versuchte die müden Glieder zu rühren, damit sie ihm nicht doch noch abfielen. Als er die Finger streckte, bemerkte er, dass er die Handgelenke bewegen konnte, und sein Herz fing an, ganz laut in seiner Brust rum zu hämmern. Wieso waren die Fesseln auf einmal locker? Hoffentlich – er warf einen Blick auf seinen Aufpasser, der an einen Baum gelehnt dastand und aussah, als ob er kurz vorm Einpennen wäre – kam der nicht auf die Idee, da jetzt rum zu kontrollieren! Sollte stattdessen eine Mütze voll Schlaf kriegen und… ‘Soll ich ihm ein Gute-Nacht-Lied singen?‘[