Irgendwo im Dschungel

[Dante Powell]

Vorsichtig tastete er sich rückwärts, aber auch, wenn er immer mal wieder langsam einen Blick über die Schulter riskiert - das Vieh aus den Augen lassen wollte er nicht - musste er doch ein wenig die falsche Richtung eingeschlagen haben, denn plötzlich war hinter ihm etwas Hartes, das sich verdächtig nach dem Stamm eines massiven Baumes anfühlte. Gerade als er Healy darauf aufmerksam machen wollte, dass sie sich weiter rechts halten mussten, hörte er das leise, vertraute Klacken, mit dem die M82 entsichert wurde - und im selben Moment spürte er einen zuvor nicht vorhandenen Druck auf seiner Fußspitze. Healy, der verdammte Mistkerl, stand auf seinem Fuß! Wie sollte er denn da rasch wegkommen? Wenn Raphael jetzt noch einen Schritt zurück machte, würden sie beide am Ende das Gleichgewicht verlieren und in der Böschung landen, und ob die Katze sich das entgehen lassen oder gleich zum Angriff ansetzen würde?
Zum 'Glück' schien Raphael nun erst zu zielen.. aber was, wenn sie gleich fliehen mussten? Dante überlegte sehr kurz, ob er Raphael darauf hinweisen sollte, entschied sich dann aber, lieber jetzt gleich seinen Fuß mit Schmackes zurückzuziehen. Gut, vielleicht würde Healy dabei etwas schwanken, aber der würde doch sicher nicht gerade jetzt schießen wollen...

[Simon Payne]

Simon grinste innerlich, als er einen Seitenblick auf Santiago warf. Der Mann war offensichtlich nicht sehr begeistert von seinem Auftauchen. Eigentlich hätte er ja in Atempo auf die Gruppe stoßen sollen, aber das hatte er langweilig gefunden. Er hasste es, berechenbar und vorhersehbar zu sein. Nein. Simon traf lieber auf die Gruppe, wenn ER es wollte. Vielleicht war Santiago im Augenblick sein Vorgesetzter, aber mit Sicherheit würde er nicht buckeln und jeden Befehl sofort ausführen wie ein artiger Sklave oder ein dressiertes Hündchen. Nicht Simon Payne.

"Tz!", meinte er nur, auf die Worte des Anführers hin, der eigentlich kein wirklicher Anführer war. Immerhin erhielt auch er seine Befehle, die er nur befolgte. Zu was machte ihn das? Gewiss nicht zu einem echten Anführer. Nah. Er breitete die Hände aus wie Wagschalen. "Effektiv", damit senkte er die linke Hand in Richtung Boden. "Versus subtil" die Linke ging nach oben und die Rechte weit nach unten. "Merkst du was, Santiago? Die beiden halten sich nie die Waage. Nie. Hörst du? Und was machen deine tollen Auftraggeber, wenn dir die Forscherlein durch die Lappen gehen, huh? Weg mit ihnen, sagt Simon. Dann können wir uns den interessanten Dingen widmen." Er zuckte etwas die Schultern. "Schön. Simon wird sich artig benehmen und brav gehorchen." Er grinste übers ganze Gesicht. "Darf er einen zum Spielen haben? Ja? Bringen die anderen ein Spielzeug für Simon mit?"

Die Nachfrage zu den Schatten ignorierte er geflissentlich. Als würde Simon Payne sein Wissen sofort in der ersten Stunde Preis geben! Für wie dämlich hielt ihn Santiago eigentlich?

[Raphael Healy]

Dass er auf Powells Fuß stand merkte er auch erst, als der ihn ruckhaft wegzog und ihn einen Moment ins Straucheln brachte. „Was zum?!“, kam’s Gott sei Dank nur leise gezischt, aber einen kurzen, sickigen Blick über seine Schulter konnte er sich nicht verkneifen. „Was ist dir lieber? Wenn ich kurz auf deinen Pumps stehe oder wenn dich das Vieh da frisst?!“ Himmel, der Kerl hielt ja gar nichts aus.
Das Gebüsch vor ihm raschelte wieder und sofort hatte er das Gewehr wieder angelegt und den Finger am Abzug. Ihr kleines Geplänkel hatte der Katze anscheinend überhaupt nicht geschmeckt, oder sie hatte grade auf diesen Augenblick gewartet. Das Tier machte sich sprungbereit und noch bevor sie einen Satz machen konnte, durschnitt ein ohrenbetäubender Schuss das Gezwitscher und Gezirpe des Dschungels. Mit einem dumpfen Laut fiel das Tier zu Boden und blieb regungslos liegen.

Einen Moment wartete er noch, dann sicherte er die Waffe und verstaute sie wieder sicher auf seinem Rücken. Neugierig trat er näher an das tote Tier und stupste es leicht mit der Schuhspitze an. War ja schon groß, so’n Vieh. „Sollen wir’s mitnehmen? Vielleicht will Santiago sich ja nen Umhang draus basteln.“ Er grinste schon wieder happy, beinahe so als wäre hier grad gar nichts passiert.

[Dante Powell]

Also, da musste er doch nun wirklich nichts erwidern! War ja klar, dass dem nicht aufgefallen war, dass er ihn in die Enge getrieben hatte und ihm jede Fluchtchance nahm! Dante entschied, dass hier weder der Ort noch die Zeit war, ihn darauf hinzuweisen; außerdem hatte er größere Probleme als einen Kollegen, der schwer von Begriff war!
Er wollte schon endlich die Sackgasse in seinem Rücken verlassen, als der große, dunkle Schatten der Katze in ihre Richtung schnellte. Seine Hand glitt zum Griff seiner Waffe, aber da Healy sein Gewehr schon angelegt hatte, war er natürlich schneller, und als die Katze auf den Boden krachte, zögerte Dante kurz, ehe er die Waffe dann doch zog. Dem Biest näherte er sich lieber nicht unbewaffnet.

"Wohl eher einen Bettvorleger", kommentierte er Healys Vorschlag und hob eine Braue, während er zu ermessen versuchte, wie schwer das Tier wohl war - und ob es wirklich und wahrhaftig tot war. Er umrundete es halb, ehe er ebenfalls seinen Stiefel in die Seite stieß. Da kam nicht einmal ein Ächzen mehr zurück. Erleichtert schob er die Waffe ins Holster zurück. "Hat uns aber doch schon Ärger genug gemacht. Lass es liegen."
Seiner Meinung nach waren sie jetzt eh lange genug hier herumgelaufen! Es war Zeit, Santiago mit den Neuigkeiten über Evans zu versorgen.

[Raphael Healy]

Ob er Powell in die Enge trieb oder nicht, war ihm sowas von egal. Ihm persönlich wär’s eh lieber gewesen, wenn das Tier Dante gefressen hätte, wenn überhaupt einen von ihnen. Irgendwie machte es ihm ja schon Sorgen, Gott weiß wie lange im Dschungel zu bleiben und solche Viecher in ständiger Nachbarschaft zu haben. Blöderweise konnte er sich nichtmal nen Keks drauf backen, dass er das Vieh tatsächlich erschossen hatte. Ein so großes Ziel aus so geringer Entfernung war kein Kunststück. Wobei... Powell hatte ja auch schon daneben geschossen
„Das ist nicht die Selbe wie gestern, oder?“ Irgendwie sah die hier noch massiger aus. Wie viele es von den Katzen wohl in ihrer näheren Umgebung gab? Er wollte gar nicht dran denken. Stattdessen brummte er bloß zustimmend und folgte Dante dann weiter zurück zum Lager. Weit war es von hier ohnehin nicht mehr und er war immer noch gespannt, was Santiago zu der ganzen Geschichte sagen würde.

[Santiago]

"Nur weil du keinen Sinn für Subtilitäten hast, heisst das nicht, dass man damit nicht auch weit kommen kann", kommentierte Santiago bestimmt. "Ausserdem werden uns die Forscher nicht durch die Lappen gehen, völlig unmöglich." Paynes Lippenbekenntnis brav zu sein, nahm er mit Gleichmut hin - es war wenig wahrscheinlich, dass er sich daran tatsächlich halten würde. So gut kannte er den anderen bereits von ihrem Auftrag damals.

"Darf ich dich erinnern, dass du hier unbedingt dabei sein wolltest? Ich habe dir gesagt, worum es geht und dass es nicht das Ziel ist, so viele Gegner wie möglich auszuschalten, geschweige denn mit ihnen zu... 'spielen'." Santiagos Tonfall war nun ziemlich scharf. "Also halte dich daran, klar?" Ansonsten gab es Mittel und Wege, Payne aus dem Team auch wieder zu entfernen. Was ihn daran erinnerte, dass seine beiden Männer noch immer irgendwo da draussen waren und nach Evans suchten. Er sah zur Uhr, wenig begeistert von der Vorstellung, ihnen bei ihrer Rückkehr Simons Anwesenheit erklären zu müssen.

Wie auch immer: "Schatten...?" erinnerte er den anderen daran, dass es da noch eine offene Frage zu beantworten gab.

[Dante Powell]

Dante ließ den Blick ein letztes Mal über den schwarzen Pelz der Großkatze gleiten, während er an dem Kadaver vorbei wieder zu dem ging, was er großzügig bereit war, einen Weg zu nennen. Irgendwie verspürte er Erleichterung, dass Healy und nicht er es gewesen war, der das Tier getötet hatte. Tiere umzubringen gefiel ihm nicht besonders; er aß zwar Fleisch, aber es war doch etwas Anderes, ob man Schlachtvieh züchtete oder eine eigentlich so schöne Kreatur umnietete. Andererseits wäre diese so schöne Kreatur sicher bereit gewesen, ihn ohne großes Bedauern zu erledigen, und darauf war er auch nicht scharf.
"Hab mir den Ausweis nicht zeigen lassen", erwiderte er achselzuckend auf Healys Frage. Ehrlich, woher sollte er das denn bitte wissen - ob das jetzt dieselbe Katze oder nur eine ähnliche war, war ihm ziemlich gleich, Hauptsache, sie würde nicht heute Nacht am Rand ihres Lager hocken und überlegen, wen von ihnen sie als Mitternachtsimbiss haben wollte. Andererseits..
"Aber wie viele wird's davon schon in der Gegend geben?"
So eine Katze hatte doch auch ein Revier, und überhaupt fand er es ziemlich ungewöhnlich, wie aggressiv das Vieh gewesen war! Seiner Erfahrung nach ergriffen die meisten Tiere die Flucht vor Mensch; sie folgten ihnen nicht. Oder war das nur Zufall gewesen, dass ihnen jetzt zweimal ein ähnliches Tier aufgelauert hatte?

[Simon Payne]

Er grinste breit und zuckte die Schultern. "Oh, Simon kann schon subtil sein. Er mag es nur nicht. Und bezeichne nie etwas als unmöglich, Santiago. Bevor du weißt, was passiert ist, sind die kleinen Forscherlein ab durch den Dschungel und dann wird es Simon sein, der sie dir wiederfinden muss." Gelangweilt zückte er sein Messer, ließ sich in einer fließenden Bewegung im Schneidersitz auf dem Boden nieder und fing an, mit dem wuchtigen Buschmesser seine Fingernägel zu säubern. Santiago langweilte ihn heute wirklich.

"Jepp. Simon wollte dabei sein und jetzt ist Simon hier. Aber du änderst die Regeln. Deine subtilen Spielereien sind erlaubt, aber Simon darf auf einmal nicht mehr spielen? Das ist nicht fair." Er schob schmollend die Unterlippe vor und widmete sich wieder seinen Fingernägeln. Da er bereits gesagt hatte, dass er sich benehmen und niemanden einfach töten würde, quittierte er Santiagos erneuten Versuch eine Versicherung zu erpressen, mit absoluter Nichtachtung. Simon wiederholte sich nicht gerne.

"U-hu. Schatten. Dort draußen." Er gestikulierte mit dem Messer in Richtung Bäume. "Dunkle, schwarze, gefährliche Schatten, die ... " er ruckte leicht mit dem Kopf, als er in der Ferne einen Schuss vernahm. "Oh-oh." Simon schüttelte langsam den Kopf. "Nicht doch die Miezekatze tot machen. Kommt doch die Zweite oh, und die ist wütend. Oh ja." Er nickte heftig. "Simon hat den Fehler nur einmal gemacht." Er streckte den Zeigefinger und hob die Hand, damit Santiago sehen konnte, dass er wirklich einmal meinte. "Oh, aber die Lektion, die hat er gelernt. U-hu."

[Raphael Healy]

„Was weiß ich?“ Sah er aus wie jemand, der sich mit dem Revierverhalten von Großkatzen auskannte? „Wahrscheinlich war das hier die Mutter, die sickig war weil du ihrem Jungen in den Arsch geschossen hast“, womit er’s dann doch noch geschafft hatte, Powell dezent und freundlich an den fehlgegangenen Schuss vom Vortag zu erinnern. Hach, war er gut.
Irgendwie beschwingt und guter Laune stapfte er Dante hinterher. Je länger man im Dschungel unterwegs war, desto eher fielen einem kleine Trampelpfade auf und das Vorankommen wurde einfacher. Wäre es zumindest, wenn nicht nach wie vor kiloweise Buschwerk im Weg wäre. Zum Glück war es bis zum Lager wirklich nicht mehr weit – Santiago hatte den Schuss vermutlich gehört, die Expedition eher nicht – und nach nur wenigen Minuten Fußmarsch hatten sie das lichte Fleckchen auch schon erreicht.

Er hatte sich grade wieder eine Zigarette angezündet und wollte Santiago grüßen, als sein Blick auf dieser fremden Kombination von Rocky und Rambo hängen blieb. Wo kam der Kerl jetzt plötzlich her? Da war Evans ja definitiv die ansehnlichere Alternative gewesen. Statt einer Begrüßung kam also ein, eher neugierig als unfreundlich klingendes „Was stellt der dar?“, an Santiago gerichtet.

[Santiago]

Sicher, Payne und subtil... eher überlebte ein Schneeball in der Hölle. Santiago sah ihn an. "Für etwas bist du schliesslich hier, nicht?" Sollte die Expedition wirklich wider Erwarten spurlos im Dschungel verschwinden, hatten sie vor allem Luca und sein Satellitentelefon, aber das musste er Payne ja nicht auf die Nase binden.

Was ihm hingegen mehr zu denken gab, war dessen Geraune über diese 'Schatten'. Er runzelte die Stirn und sah ihn leicht genervt an, weil er weiterhin nur kryptisch vor sich hin faselte und in keinster Weise irgendwas klärte. Aber bevor Santiago sich darüber beklagen konnte, kam der Schuss. Sein Kopf ruckte herum in die Richtung. "Was zum Teufel...?" Er konnte nur hoffen, dass die Expedition das nicht auch gehört hatte. Klar, selbst wenn würden sie wohl eher davon ausgehen, dass das was war, das nichts mit ihnen zu tun hatte, aber trotzdem. Es gab keinen Grund, irgendwelche Pferde scheu zu machen. Simon hatte dann auch gleich eine Theorie. "Kaum zu glauben, du bist lernfähig, ja?" Santiago nickte. "Gut zu wissen. Glaube kaum, dass diese Raubkatzen ein grösseres Problem für uns darstellen. Zurück zu den Schatten..." fügte er an und betrachtete Payne erwartungsvoll.

Kurz darauf raschelte es im Gebüsch und Powell und Healy tauchten auf, ohne Evans. Aber bevor Santiago nach ihr fragen konnte, fragte Healy schon nach ihrem Neuzugang. "Darf ich vorstellen, Simon Payne, unser Guide. Er kennt sich hier in dieser Gegend aus wie in seiner Westentasche, was ziemlich hilfreich sein dürfte. Eigentlich hätte er schon in Atempo zu uns stossen sollen, und ich hatte schon befürchtet, er käme gar nicht." Er zeigte nun auf die anderen beiden: "Dante Powell, Raphael Healy, wie du erfahrene Leute, mit denen ich schon zuvor zusammen gearbeitet habe." Allerdings würde es kaum lange dauern, bis den beiden auffiel, was für ein ausgesprochen merkwürdiger Vogel Payne war - und dann kam die wahre Belastungsprobe. "Was sollte der Schuss? Und wo steckt Evans?"