Sofia Pereiras Hütte

[Narracion]

Seit ihrer Ankunft ist Sofia in dieser kleinen Hütte einquartiert, die von gelegentlichen Gästen der Familien Bolivar oder Santos abgesehen unbewohnt war. Die ihr eigene Energieökonomie hat es verhindert, dass sie bisher gestalterische Kreativität an diesen mehr Schlaf- denn Wohnort verschwendet hätte, so dass sowohl die zweckmäßige Küchenzeile in der ansonsten spartanisch mit einer Rattansitzgruppe eingerichteten Wohnküche als auch der zweite Schlafraum mit zwei Einzelbetten und Einbauschrank eher unbewohnt wirken. Im von ihr benutzten Schlafzimmer mit Doppelbett und dem schlichten Duschbad verrät nur die herrschende Unordnung - ungemachtes Bett, Unterwäsche auf der durchs Bad gespannten Leine, Töpfchen und Tiegelchen im Spiegelschrank, herumliegende Kleidung Sofias Anwesenheit. Insgesamt könnte das Haus die Benutzung von Putzuntensilien brauchen, aber da Sofia die für ihren 'Uropa' schon nutzen muss, hat sie in ihrem eigenen Heim darauf keinen Bock.

[Narracion]

[Adam Turpin]

c.f. Vortag

Leises Hämmern auf der Tastatur eines Mini-Notebooks, Rascheln von Papier und hin und wieder klirrte Geschirr. Adam war schwer beschäftigt. Mit arbeiten und Kaffee trinken. Generelle Lieblingsbeschäftigung, dafür musste man nicht raus und brauchte auch keinen direkten Kontakt mit anderen Menschen zu suchen.
Er war bereits seit knapp drei Stunden wach und die Sonne war kaum aufgegangen. Behelfsmäßig mit Spüli und Schwamm ausgestattet, hatte er die notdürftige Küchenzeile bereits geschrubbt, den Wohnraum gefegt, die Betten im Gästezimmer neu bezogen und im Kopf die ganze blöde Bude neu gestrichen. Ein paar Mal. Nach einer Runde gründlichem Sanierens. Oder direkt abreißen und neu bauen. Aus Sofias Schlafzimmer war bisher kein Mucks gekommen und ihre rumbaumelnde Unterwäsche im Bad hatte er beim Duschen auch umsichtig gemieden. Sein Ordnungswahn ging zwar weit, aber nicht so weit, dass er ihre Höschen und BHs bügeln und sortieren würde. Obwohl sie nett waren, musste er ihr lassen.

Während er also halbwegs zufrieden an seinem Kaffee nippte - der war nicht schlecht, aber den hatte er ja auch selbst gemacht - sah er dem Ladebalken seines Softwaredownloads zu. Sein Photoshop brauchte ein Update und ja, er hatte diverse Internetsticks dabei, in weiser Voraussicht, dass es in einem Dorf, das nichtmal eine funktionierend Müllentsorgung hatte, auch sicherlich kein WLan geben würde. Er hatte Recht behalten.

[Sofia Pereira]

Gähnend taperte Sofia in die Wohnküche. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, etwas überzuziehen, denn zum einen war Adam harmlos, und zum anderen konnte es ihrer Meinung nach kaum schaden, wenn er sich von dem überzeugen konnte, was er nie haben würde, solange es nur von einem Schlafshirt verhüllt wurde, das recht viel von ihren Beinen und Armen zeigte. Außerdem witterte ihre Nase frischen Kaffeeduft - und die Zitrusfrische von Spülmittel. Er hatte sich also erneut nützlich gemacht.

"Ist das Frühstück schon fertig?", erkundigte sie sich verschlafen, während ihre nackten Füße über den gefegten Boden patschten. Sie musste sich wirklich gratulieren - es hatte sich jetzt schon gelohnt, dass sie Adam bescheid gegeben hatte. Es fühlte sich gut an, keinen Staub zwischen den Zehen kleben zu haben. Sie folgte ihren Instinkten zur Kaffeemaschine. So ein braver Tropf!

[Adam Turpin]

"Ich weiß nicht, hat sich der Kühlschrank innerhalb der letzten zehn Minuten auf wundersame Weise gefüllt?"
Er sah erst auf, als sie schon halb an ihm vorbei war, erhaschte so prompt einen Blick auf ihre knapp bedeckte Kehrseite und verdrehte leicht die Augen. Wieso war das irgendwie klar gewesen? Also, dass sie jetzt so rumlaufen musste. Also so! Ohne Anstand und Manieren das Kind, ein klarer Fall von elterlichem Versagen und nein, er beschwerte sich nicht - keinesfalls, so blöd war nichtmal er - er stellte die Fakten klar. Er kannte dieses Spielchen, weil Sofia es schon ein Weilchen mit ihm spielte. Das beliebte 'Nutzen wir Adam aus'-Spiel, weil Adam es, dank gewisser neurotischer Zwänge, auch immer wunderbar mitspielte. Und er war inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem es ihn nur noch wenig bis gar nicht mehr wirklich juckte. Manchmal war es einfacher, sich in sein Schicksal zu ergeben.
"Du könntest mal irgendwas einkaufen gehen, wenn dieser eine Laden hier im Ort aufmacht. Und ja, meinem Befinden geht es besser, danke der Nachfrage."

[Sofia Pereira]

Sofia verdrehte die Augen, während sie sich einen Kaffee eingoss. Schade, dass er nicht einfach klaglos tat, was man von ihm erwartete und sich die Kommentare sparte. Hatte sie ihm gestern auf dem Weg vom Bootsstrand zu dieser Hütte hier etwa nicht gezeigt, wo der Laden war? Aber gut, vermutlich hatte er tatsächlich noch geschlossen oder dieses unsägliche Ehepaar saß noch beim Frühstück.

Mit der Kaffeetasse in beiden Händen wandte Sofia sich um, sog den Duft tief in die Lungen und lächelte süßlich, ehe sie in Adams Richtung ging und sich in seiner Nähe niederließ. "Was denn, hast du etwa einen kleinen Muskelkater?" Sie klimperte unschuldig mit den Wimpern. Es wäre verwunderlich, wenn es nicht auch einen Muskelkater in den Stimmbändern hinterlassen hatte, dieses Rudern vom Handelsposten hier ins Dorf. Wären sie gelaufen, hätte er heute sicher Blasen gehabt!

[Adam Turpin]

Hatte er. Würde er aber im Leben nicht zugeben. "Nö."
Womit er sich dann wieder seinem Download widmete. Madame sollte mal schön ruhig sein, sie hatte sich ja gemütlich nach Atempo rudern lassen. Aber die blöde Idee mit dem Boot haben, sowas mochte er ja. Auf einen Fußmarsch war er vorbereitet, hatte sich auch schon halbwegs mit dem Gedanken angefreundet, in einem Zelt zu schlafen, sollten sie sich tatsächlich an diese Expedition dranhängen können. Aber rudern würde er garantiert nicht nochmal!
"Wann wolltest du eigentlich deinen Opa besuchen?" Oder wer auch immer der Kerl war. Sofia behauptete zwar, dass sie tatsächlich mit dem Herrn hier verwandt war, aber Sofia behauptete so einiges, wenn der Tag lang war.

[Sofia Pereira]

"Heimlich trainiert, was?" Sie lehnte sich zurück und zog die Beine an, leistete sich sogar das Vergnügen, sich lasziv über die bloße Haut zu fahren, als sie ein Knie an den Körper zog. Selbst wenn es nur Adam war, genoss sie es doch, ihr privates Publikum zu haben, und Adam eignete sich da besser als manch Klugscheißer, der sich selbst lieber reden hörte als jeder Priester.
Der Gedanke an Uropi verdarb ihr das Hochgefühl allerdings, und so krauste sie die Nase. "Wenn ich angezogen bin. Seit Tante Perceptua", sie verdrehte die Augen, "aufgetaucht ist und dauernd um ihn herumschlawenzelt, gibt es nicht so viel für mich zu tun." Besser gesagt: Die leichteren ihrer üblichen Aufgaben gab es dann nicht zu tun. Oscar schien einen großen Vorrat an Tätigkeiten zu haben, die seit Jahrzehnten unerledigt auf ihre Ankunft gewartet hatten, die man einer Nichte aber nicht zumuten konnte. Und auch, wenn sie bisher immer noch nicht herausklamüsert hatte, in welchem Verhältnis diese Britin wirklich zu ihr stand - Tante? Großtante? Cousine irgendeines Grades? - hatte sie es bisher auch lieber vermieden, sich mit dieser auseinander zu setzen. Dass Oscar ihr Abenteuergeschichten mit Goldinhalt erzählt hatte, hatte sie daher eher zufällig mitgehört, als sie einen ziemlich schweren Teppich vom Ausklopfen ins Haus gebracht hatte.
"Soll ich dich dann gleich mitschleppen und vorstellen?"

[Adam Turpin]

"Mich? Was soll ich bei deinem Opa?"
Und als was wollte sie ihn bitte vorstellen? Adam war hier wegen dieses angeblich riesigen Schatzes, irgendwo da draußen im Dschungel, in den er dabei so absolut nicht wollte. Wie Sofias Angeblich-Verwandter ihnen da helfen sollte, wusste er nicht. Und Adam war es sowieso am liebsten, wenn so wenig Menschen wie möglich seine Bekanntschaft machten. "Willst du nicht lieber auf Rick warten? Der ist ja schließlich dein Papa." Hin und wieder zumindest. Das Notebook gab mit einem leisen >Pling< bekannt, dass es den Download beendet hatte und sofort lag Adams Aufmerksamkeit wieder auf dem piepsenden Ding. Website des National Geographic, nur ein kurzer Blick und der Herr war zufrieden und klappte das Notebook zu.

[Sofia Pereira]

Sofia verdrehte die Augen; jetzt fing der schon wieder an herumzuzicken! "Ach, und den soll ich dann als seinen verlorenen Enkel präsentieren?" Sie schüttelte entschieden den Kopf. "Das wäre dann der dritte Verwandte in ziemlich kurzer Zeit, der bei dem alten Sack auftaucht, und der kauft mir die Story schon nicht so recht ab. Und das, obwohl Sofia sich fast sicher war, tatsächlich ein paar Gene aus dem Jones-Genpool zu teilen; die Geschichte der Romanze ihrer Urgroßmutter mit einem dahergelaufenen Abenteurer war so oft durch die Familienfeiern gegeistert, dass da doch was dran sein musste. Wie sonst hätte ihr Onkel auch sonst den alten Knacker ausfindig gemacht? Wieso man soviel Energie in die Familienchronik stecken konnte, war Sofia zwar schleierhaft, aber es war ja nicht ihre Zeit, die Onkelchen damit vertrödelt hatte, und jetzt kam es ihr vielleicht zu Gute.
"Nein, da stelle ich dich doch lieber als Foto-Bobby vor, der ganz wild darauf ist, ausgerechnet von Oscar ein Bild zu knipsen." Sie zuckte mit den Achseln. "Wenn ich nach seinen Schätzen frage, will er höchstens wissen, ob sie schon alle abgestaubt sind; aber dir erzählt er hoffentlich mehr." Sie hob die Brauen. "Oder willst du dich hier nur auf die faule Haut legen, bis Rick die große Güte hat, endlich aufzuschlagen?"