Oscar Jones' Hütte

[Narracion]

Das Haus von Oscar Jones steht am Rand des Dorfes; es ist gut daran zu erkennen, das es als einziges einen Fahnenmast mit dem Union Jack im Garten stehen und eine Holzterrasse mit Geländer hat. Betritt man die einfache Hütte, fühlt man sich in ein Antiquitäten- oder Kuriositätengeschäft versetzt, denn der alte Abenteurer hat Truhen voller Andenken und Schränke voller Fotoalben mit nach Atempo gebracht, dazu noch ausgestopfte Tiere ("selbst geschossen!"), ein Arsenal von Hieb- und Schusswaffen ("nee, nee, die knallen schon Jahre nicht mehr") und eine vollständige Star Trooper-Rüstung. Kein Wunder, dass Oscar seinen Wohnraum nur selten betritt und sich entweder auf seiner Veranda und im Schaukelstuhl in seinem recht leeren Schlafraum aufhält. Seine kleine Küchenecke ist relativ unbenutzt, seit seine Urenkelin (die Dings eben!) nach Atempo gezogen ist. Er hat allerdings darauf bestanden, dass sie in eine eigene Hütte zieht, weil ein Mann in seinem Alter etwas Privatshäre braucht. Nichts destotrozt hat er noch einen fast leeren Raum mit einem Fremdenbett und einer verschlossenen Truhe darin ("falls mich mal ein alter Freund besuchen kommt"). Wie alle anderen Räume hat auch dieser ein von Oscar noch selbst verlegtes Holzparkett, das "die Dings" zu ihrer hellen Freude regelmäßig fegen und bohnern muss.

[Narracion]

[Perceptua Jones]

cf: Vortag

Perceptua erwachte am nächsten Morgen im "Fremdenzimmer". Lächelnd ließ sie ihren Blick durchs karge Zimmer schweifen, beinahe wohltuend im Vergleich zum Wohnzimmer.
Am Abend hatte Oscar aus seinem schier unerschöpflichen Vorrat an Stories, anhand der Fotoalben begonnen, Familiengeschichten zu erzählen, von seine Abenteuern...Perceptua hörte vergnügt zu -was Oscar auch völlig ausreichte.
Sie hoffte, das sich dieser Vorrat nicht erschöpte und skizzierte im Bett noch einiges davon.

Beim Frühstück (gebratene Tomaten mit Zwiebeln und Brot) hörte sie die Glocken zur Messe läuten. Ob es eine gute Idee war, zur Messe zu gehen? Sie fragte Oscar um seine Meinung. Er sagte zwar:"Um Himmels Willen Nein!" aber- Kopf hoch und los!

tbc:Kirche

[Perceptua Jones]

Perceptua blickte verschwörerisch zu Dr. Bueno. "Ich glaube ehrlich gesagt nicht, das er angeln ist..." Sie machte einen gespielt verwunderten Gesichtsausdruck. "Er hat gar keine Angel mitgenommen?"
Sie lachte."Vielleicht wollte er nur nicht sagen, das er anstatt in die Kirche zum ... " *flüstert* "Wirtshaus geht."
Perceptua drehte sich um und hantierte, um den Kaffee zuzubereiten. Sie schwieg einen Moment, denn sie hatte bemerkt, das Dr. Bueno nicht so überschwänglich auf ihre Neugierde reagiert hatte. Wo war nur ihre vornehme britische Zurückhaltung?
Mit je einer Kaffeetasse in der rechten und linken Hand dreht sie sich wieder um, und setzte sich an den Tisch in der Küche, an dem Dr. Bueno Platz genommen hatte. Sie schob ihr eine Kaffetasse hinüber.
"Und?" fragte sie. Sie hatte ihre vornehme britische Zurückhaltung schon wieder vergessen! "Ein noch nicht entdeckter Tempel der Inka- sagenhaft- wie schlimm ist es, daß Sie nicht dabei sind ?" Sie verzog das Gesicht mitfühlend- schmerzhaft und lächelte dann aber. "Zucker?"

[Mercedes Bueno]

cf: Dorfwege

Sie lächelte höflich. Aha, Alkoholismus war also auch kein unbekanntes Phänomen hier. Bisher hatte sie so etwas immer für Horrorgeschichten gehalten, die man sich über die unerschlosseneren Gebiete ihrer Heimat erzählte, aber ein Mann, der das Wirtshaus der Kirche vorzog - viel eindeutiger konnte es doch nicht sein.

Dr. Buenos Blick glitt prüfend über die Küchenzeile. Ein leises Brummen verriet den Generator, der für Strom sorgen musste, doch abgesehen davon schien auch hier die Zivilisation andere Maßstäbe zu haben. Erleichtert sank sie auf einen Stuhl, lehnte die Krücken gegen die Wand und massierte sich den schmerzenden Knöchel behutsamer, als wäre er ein rohes Ei. Man musste Schmerzen ja nicht fokussieren.

Als Perceptua mit dem Kaffee kam, hob Dr. Bueno den Kopf. "Danke, ich trinke ihn schwarz", sagte sie und nahm die Tasse entgegen, auch wenn sich ihre Stirn bereits wieder leicht runzelte. Madre de Dios, wie kam es, dass die Leute zu wissen schienen, warum sie hier waren, aber niemand ihnen Hinweise zu diesem Tempel geben konnte? Auch Professor Williams hatte gestern, als sie das letzte Mal miteinander gesprochen hatten, von alles anderem als Hilfsbereitschaft oder Kooperation der Dörfler berichtet. Entweder wussten sie nichts oder wollten nichts wissen! "Es ist nicht das, was ich mir von dieser Reise versprochen hatte", antwortete sie zurückhaltend und rührte in ihrer Tasse. "Aber unter Umständen wird es mir möglich sein, mich der Suche mit etwas Verspätung wieder anzuschließen." Sie befeuchtete sich die Lippen. "Woher wissen Sie davon?"

[Perceptua Jones]

"Oh, ich kam mit Professor Canalli und seinem Neffen- Luca hierher nach Atempo. Einer der Träger, Mister..."
sie überlegte- Mister Elvis? Sie hatte seinen Nachnamen vergessen. "Nun, einer der Träger, die mit uns reisten," setzte sie fort, " erzählte mir von dem Inkatempel und " betonte sie, "erläuterte ausführlich die Beschwernisse des Dschungels für eine Gringa." Ihre Mundwinkel zuckten.
"Aber sagen Sie, wie wollen Sie hinterher gelangen- doch nicht ganz allein?" Aufmerksam sah Perceptua Dr. Bueno an.

[Mercedes Bueno]

So, so. Einer der Träger hatte also gequatscht. Im Stillen bat Dr. Bueno den Professor um Entschuldigung; sie hatten so einige Male heftig darüber diskutiert, ob die Maskerade mit dem Inka-Tempel tatsächlich von Nöten war. Aber wenn jetzt schon nachreisende Hilfskräfte dafür sorgten, dass sich ihre Ziele unter der Bevölkerung verteilten, war das wohl in der Tat die bessere Taktik gewesen.
"Tja." Dr. Buenos Mundwinkel zuckte ebenfalls leicht, und ihr Blick glitt zu ihrem malträtierten Knöchel. "Über die Beschwernisse hätte er mich besser auch einmal informiert." Sie nahm einen Schluck vom Kaffee.
"Und nein, allein werde ich mich ganz sicher nicht auf den Weg machen." Sie schüttelte entschieden den Kopf. Sie war doch nicht lebensmüde! Wenn sich ein Stück Weg, der laut Einheimischen fast schon eine 'Straße' sein sollte, für sie schon als Falle entpuppt hatte, würde sie gewiss nicht ziel- und orientierungslos ihrer Expedition hinterhertaumeln! "Erst einmal muss ich meine Verletzung auskurieren, und dann werde ich sehen, ob sich nicht jemand als Führer finden lässt." Und jemand als Träger, fügte sie in Gedanken hinzu. Jemand, der sie zur Not auch huckepack zurück in dieses Kaff tragen konnte. "Wenn mir Professor Williams mitteilt, wo sie sich zu diesem Zeitpunkt aufhalten, dürfte das ja kein Problem sein. Und solange", sie bemühte sich um ein zuversichtliches Lächeln, "höre ich mich hier ein wenig um. Lokale Legenden können sehr aufschlussreich sein, wenn man nach etwas sucht. Ihr Onkel hat Ihnen nicht zufällig früher Geschichten von hier erzählt?" Sie versuchte, ihre Stimme fast scherzhaft klingen zu lassen, doch ein gewisser, lauernder Unterton ließ sich nicht ganz daraus verbannen.

[Perceptua Jones]

Perceptua konnte Dr. Bueno ja verstehen. Sie saß hier fest, während die anderen gerade einen Inkatempel versuchten zu entdecken. Und sie fand wohl Atempo nicht so reizend wie Perceptua. Und der Knöchel tat weh. Aber ob sie sonst anders war- offener? Konnte die Frau auch lachen? Oder war sie nicht so der Typ dafür?
Perceptua war bisher nicht bewußt gewesen, das die Expedition anscheinend nicht sicher wußte, wo der Tempel war- oder ob es ihn auch wirklich gab?
Sie krauste bei ihren Überlegungen die Stirn aber beantwortete Dr. Buenos Frage: "Legenden? Die Legenden, die Onkel Oscar mir gestern aufgetischt hat"- nun mußte sie doch lächeln- "handelten eher alle aus der Zeit der Prohibition. Vom Dschungel war jedenfalls keine dabei." Sie lächelte entschuldigend und zuckte mit den Schultern. "Aber," sie deutete lachend mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer, "im Wohnzimmer liegen allerhand Artefakte!"
Perceptua nahm einen Schluck Kaffee. Auch wenn Dr. Bueno reserviert wirkte, war sie zu neugierig und konnte sich nicht enthalten, zu fragen:"Warum nehmen Sie eigentlich an, daß es einen Tempel im Dschungel gibt?"

[Mercedes Bueno]

Überrascht weiteten sich Dr. Buenos Augen. Artefakte, nur einen Raum weit von ihr entfernt? Das klang ja immer mehr so, als wäre dieser Besuch hier ein reiner Glücksfall, Anwesenheit des Onkels hin oder her! Natürlich war es unwahrscheinlich, dass auch selenistische Artefakte darunter waren, aber selbst das konnte sie nicht ausschließen, ehe sie sie nicht untersucht hatte!
Sie setzte die Tasse ab und bemühte sich etwas umständlich um eine geradere Sitzposition, während sie sich nervös ihre Lippen befeuchtete. "Oh, es gibt zahlreiche Hinweise auf ein Gebäude in dieser Bucht - in Erzählungen, alten Legenden, Liedern und so weiter. In einer Kultur, die ihr Wissen vor allem mündlich tradiert", Dr. Bueno erinnerte sich selbst daran, dass sie das vielleicht übersetzen sollte, "also mündlich überliefert, sind solche Zeugnisse besonders wertvoll, und in Narracion haben wir das Glück, mit der Forschung der letzten Jahrzehnte bewiesen zu haben, dass überraschend viele Erzählungen, Märchen oder traditionellen Lieder bis in das 15., 16. Jahrhundert oder noch weiter zurück reichen. Dazu kommt, dass in dieser Bucht die Naturschutzgesetze sehr früh in Kraft traten und so flächendeckende Erkundungen oder Forschungen, die in anderen Teilen des Landes stattfanden, hier Mangelware blieben." Sie hob die Brauen. "Dennoch zwingen diverse Fundstücke die Vermutung geradezu auf, dass es hier ein Kultur- und auch Handelszentrum der Inka" - eigentlich ja der Selenisten - "gegeben haben muss."
Dr. Bueno räusperte sich. "Diese Artefakte, die Sie gerade erwähnten - Ihr Onkel hätte doch sicher kein Problem damit, wenn ich sie mir einmal ansehen würde?"

[Perceptua Jones]

Perceptua hörte interessiert zu. Märchen, Legenden- sie war schon hin und weg und hätte zu gern welche gehört. Aber Dr. Bueno war sicher nicht in Erzähllaune. Vielleicht hatte Oscar tatsächlich was aufgeschrieben, immerhin war er durch seine Reisen und Abenteuer auch schriftstellerisch tätig gewesen. So wie sie, nur war sie weniger abenteuerlich als Oscar. Die Expedition wäre allerdings eins gewesen- aber sie erinnerte sich an die weisen Ratschläge- Dschungelexpeditionen = schweißtreibend und insektenverseucht- oder Schlimmeres!
Sie stand auf und überlegte- Oscar wäre es sicher nicht so recht, wenn 2 Damen in seinen Sachen wühlten... aber nur mal gucken?
"Wir gucken mal." entschied Perceptua."Wenn wir tatsächlich etwas finden sollten, fragen wir Oscar, ob Sie sich das ansehen dürfen."
Sie wies in den Wohnraum. "Nach Ihnen."