Salon

[Catarina Bolivar]

Eine erkleckliche Freizeitbeschäftigung. Na wenn der wüsste.
"Da müssen Sie sich wahrlich keine Sorgen machen. Tratschen ist besonders in Atempo beliebt."
Einzig ihrer perfekt einstudierten Contenance hatte sie es zu verdanken, dass Canalli nichtmal ansatzweise erraten konnte, wie sehr sie der Gedanke an Atempo anwiderte. In Wahrheit war ihr grade danach, einmal herzlich gegen einen der Poller am Steg zu treten oder in ein Kissen hineinzuschreien. Stattdessen lächelte sie weiter, als würde sie das alles gar nicht interessieren.
"Ihr Neffe wird schon sicher bis zum Wochenende wieder in San-"
Das Klingeln von Canallis Handy unterbrach sie und sie bemühte sich, nicht neugierig aufs Display zu schielen. Sowas gehörte sich schließlich nicht.

[Homer Canalli]

Obwohl diese Sache noch meilenweit davon entfernt war, geklärt zu sein, fühlte Canalli sich gleich ein Stück fideler, und er nahm noch einen tiefen Schluck von seinem Eistee. So ein kühles Getränk war doch genau das Richtige, um auf den Abschied seiner Sorgen anzustoßen!
Als das Mobiltelefon klingelte, blinzelte Canalli irritiert. Ob das jetzt etwa Luca mit der Botschaft war, dass sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hatte? Er blickte aufs Display und runzelte kurz die Stirn, ehe er sich erinnerte, wessen Nummer das war. Sein Herz schlug schneller. Es war doch noch nichts geschehen?
"Entschuldigen Sie, Catarina." Er erhob sich und wanderte mit dem Mobiltelefon am Ohr von den Sesseln fort, ehe er den Anruf annahm.
*** "Ja?" ***

[Santiago]

*** Santiagos Stimme klang unaufgeregt, trocken und nüchtern wie eh und je, über den Dingen und routiniert. Diesmal verzichtete er allerdings auf den allzu gedämpften Tonfall, da er im Hintergrund eine wirtshausartige Klangkulisse vernahm, die dahingehend Schwierigkeiten bereiten könnte. Abgesehen davon war der Angerufene schließlich kein Maulwurf im Dschungel und auf Unauffälligkeit angewiesen.
"Professor Canalli. Es hat sich eine Möglichkeit ergeben, die Expedition von außen zu stören." Er hielt sich nicht lange mit Förmlichkeiten auf, wie auch nicht mit der Nachfrage, ob Canalli offen sprechen konnte oder nicht- Der Professor hatte immerhin abgenommen und wusste wer anrief. Also war zumindest fest davon auszugehen, dass der Mann zuhören konnte.
"Zwei Männer sind mit einem der Boote wieder flussabwärts unterwegs. Ein Mister Lemaitre wird zurück nach San Palabra gebracht. Die Expedition reist morgen mit nur einem Boot weiter. Sollten irgendwelche trivialen bürokratischen oder anders gearteten Schwierigkeiten die sofortige Rückreise des Bootes verzögern... müsste Williams weit länger als geplant mit nur einem Boot auskommen."

Pause. Es war damit zu rechnen dass Canalli das Format dieser Ansage nicht zwingend gefiel, da es nur wenig von einem Bericht und mehr von einer Forderung hatte- Aber Santiago hatte nicht vor zu palavern, und viel für den Professor relevantes gab es nicht zu berichten. Er würde beispielsweise den Teufel tun, Evans zu erwähnen. ***

[Catarina Bolivar]

Sie nickte bloß schlicht und tat dann einen auf schwer beschäftigt, während sie mit ihrem Handy rumspielte. Der Empfang hier draußen war schon jetzt nicht besonders prall, sie wollte gar nicht erst wissen wie das in Atempo werden würde. Während sie mit einem Ohr Canallis Unterhaltung zuhörte - so gut sie eben konnte aus ihrer Position - schrieb sie diverse SMS an die verschiedensten Leute um ebenfalls diverse Termine für die nächsten Tage abzusagen. Bedauernd, sicherlich, aber wenn Canalli sie hier haben wollte, würde sie eben hier bleiben. Als hätte sie da irgendeine Wahl.

[Homer Canalli]

Canalli wanderte bis zum Barbereich seines gemütlichen Wohnzimmers an Bord, während er Santiago aufmerksam zuhörte. Sein Puls verlangsamte sich wieder. Dies war eine wesentlich positivere Nachricht als Wir haben gerade die Expedition erledigt; leider ist Ihr Neffe dabei mit in die Luft geflogen. Wohin schicken wir die Asche?

Zwei Männer, ein Boot, Senor Lemaitre... interessant, Williams Geldgeber reiste also ab? Ob sich da neue Möglichkeiten öffneten? Zumindest waren es Nachrichten, bei denen Canalli Santiago seinen sachlichen Stil verzieh. Es gab doch auch wenig Schlimmeres als Menschen, die dauernd um den heißen Brei herumredeten! Das war so - ermüdend.

*** "Kennen Sie den Namen des zweiten Mannes?" ***, erkundigte er sich. Gut, die beiden würden vermutlich nicht schwer auszumachen sein, aber ein Name würde vieles erleichtern. Außerdem würde es leichter sein, den Mann für ein paar Tage aufzuhalten als das Boot. Boote waren ersetzbar - außer, es fehlte einem an Geld; bei Menschen traf dies in der Regel auch zu, aber es gab schließlich niemanden mehr von Williams' Leuten, der sich um neues Personal hätte kümmern können.

[Santiago]

*** "Nein. Laut ihrem Neffen einer der Träger. Kontaktieren sie ihn, wenn sie es noch genauer brauchen", kam es kurz und knackig zurück. Zugegeben, Santiago hatte sich für den zweiten Mann nicht weiter interessiert- Schließlich war der aus dem Dschungel kommende Bootsverkehr in San Palabra nicht so dicht, als dass anzunehmen war, dass man dieses bestimmte Boot mit zwei Mann und ohne Fracht verfehlen könnte.
Wie dem auch sei- Weiter im Programm. Trotz seiner rauen Art war Santiago Geschäftsmann genug, um zu wissen, dass man zahlende Kunden bei einem Mindestmaß von Laune halten musste. "Darüber hinaus haben wir die Dinge im Griff, und die Expedition mittels Sabotage an einem der Boote bereits um einen vollen Tag zurückgeworfen, den sie für Reparaturen aufwenden mussten. Ihr Neffe ist vor Ort, seine Tarnung intakt, sie ahnen nichts." Das musste in aller sachlichen Kürze reichen und war, was die Dinge betraf, von denen Canalli wissen musste, mehr als genug. Routinegemäß hätte Santiago nun aufgelegt, aber er tat dem Professor den Gefallen, ihn noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Vielleicht würde er den Einfluss des Mannes noch mehrfach brauchen. Unnötige Komplikationen ihrer Geschäftsbeziehung waren vorerst nicht angebracht. So eilig hatte er es gerade ohnehin nicht. ***

[Catarina Bolivar]

Vermutlich war sie gar nicht in der Position um auch nur ansatzweise Misstrauen gegenüber Canalli durchschimmern zu lassen, aber seine Durchwanderung des Salons machte sie ein klein wenig nervös. Wie sie bereits vermutet hatte, schien er weitaus besser informiert zu sein, als er zugeben wollte und im Stillen fragte sie sich, ob es irgendeinen bestimmten Grund gab, weswegen er ihr die Arbeit schwerer machte, als sie ohnehin schon war, oder ob er sie einfach nur quälen wollte. Sie bewunderte Canalli, brachte ihm auch jeglichen erdenklichen Dank entgegen, aber als besonders zuvorkommender Mensch war er ihr nie aufgefallen.
Stumm blieb sie an ihrem Platz, betrachtete mal ihr Handy, mal ihre Nägel, nippte hin und wieder an ihrem Eistee und überlegte sich bereits jetzt, wen sie als erste Anlaufstelle für diese kleine Sabotage nutzen würde. Eigentlich fiel ihr da nur eine einzige Person ein.

[Homer Canalli]

Also wie sprach der Mann denn mit ihm? Kontaktieren Sie ihn, wenn Sie es noch genauer brauchen? Der Mann war immerhin sein Angestellter, und was Canalli bei ihrem Treffen im Piranha noch amüsiert als Rückfall in die alten Jugendtage voll Abenteuerlust empfunden hatte, als Luca noch gesund und munter neben ihm gestanden bzw. gesessen hatte, wirkte jetzt doch eher unverschämt! Ein Homer Canalli musste sich so etwas nicht bieten lassen!
Allerdings war die Alternative, am Ende gar nicht mehr von Santiago unterrichtet zu werden.. nun, einen gewissen Spielraum konnte er ihm wahrlich einräumen.
*** "Gut, gut. Dann weiterhin viel Erfolg." *** Canalli nahm das Handy vom Ohr, blinzelte aufs Display und suchte wie üblich kurz den Knopf zum Ausschalten.
Nachdenkllich blieb er an der Bar stehen und zwirbelte das Ende seines Schnurbarts zwischen Zeigefinger und Daumen. Vielleicht sollte er Luca tatsächlich einmal anrufen; der kluge Junge würde schon niemandem auf die Nase binden, mit wem er gesprochen hatte. Vielleicht später, wenn der Großteil der Expedition schon brav in den Schlafsäcken schnarchte. Luca würde doch gewiss ein eigenes Zelt haben? Seufzend erkannte Canalli, dass er einfach nicht genug informiert war. Schrecklich. Er hätte dem Jungen auftragen sollen, sich täglich zu melden und ihn auf dem Laufenden zu halten!
Er drehte sich um. "Meine Liebe, es scheint, als hätten Sie zuvor noch etwas anderes zu tun", verkündete er Catarina im Plauderton und watschelte langsam zurück zu seinem Platz.

[Catarina Bolivar]

Prompt setzte sie sich ein wenig aufrechter hin, wobei sie aus Versehen eine der Katzen verscheuchte, die grade Anstalten gemacht hatte auf ihren Schoß zu springen. Das zufriedene Schmunzeln musste sie sich verkneifen. Das fehlte ihr noch, dass eines der Drecksviecher ihr Kostüm vollhaarte.
"Ich bin ganz Ohr." Das Telefonat war anscheinend alles andere als erfreulich gewesen. Sie war sich grade nur nicht sicher, ob Canalli sich mehr Sorgen um seinen Neffen machte, oder doch eher um das Scheitern seiner Sabotage von Williams Expedition.

[Homer Canalli]

"Im Laufe der nächsten Stunden wird ein junger Mann namens Sébastien Lemaitre San Palabra erreichen, vermutlich in der Gegenwart eines weiteren jungen Mannes und eines Bootes." Canalli ließ sich auf seinem Platz nieder und, da er Pollux' Blick bemerkt hatte, machte eine einladende Bewegung, sodass der Kater elegant auf seinen Schoß sprang und sich dort mit einem Blick an Catarina niederließ, als wollte er 'Ätsch' sagen.
"Dieser zweite junge Mann, dessen Namen ich derzeit leider noch nicht kenne, ist als Träger bei der Expedition beschäftigt", fuhr Canalli im Plauderton fort, während er Pollux zwischen den Ohren kraulte. "Insofern wäre es günstig, wenn sich sein Aufenthalt in diesem Städtchen um ein paar Tage verlängern wurde. Vielleicht könnten Sie mit der örtlichen Polizei oder Hafenkommandatur einen passenden Grund finden." Er lächelte schmal. "Zur Not bieten Sie ihm Geld."