Salon

[Narracion]

Der Salon besticht durch ein großes Panoramafenster aus bruchsicherem Glas, durch das man aufs Meer sehen kann, das aber auch mit Vorhängen geschlossen werden kann. Der mit Teppich ausgelegt Bereich dahinter bietet bequeme Sitzmöbel, meist Sessel oder Recamiéres, die dezente Kratzspuren an den Seiten aufweisen. Ein Kratzbaum in der Ecke beweist, dass Canallis Kater bei Seereisen nicht auf Canallis Kajüte beschränkt sind.

Im hinteren Teil des Salons, dem Barbereich, finden sich neben einer äußerst gut bestückten Theke aus edlem Holz auf drei kleine Tische, an denen gespeist wird, wenn es auf dem Sonnendeck zu kalt, nass oder windig ist. Hier ist der Boden mit teurem Parkett ausgelegt.

Eine Treppe führt nach unten zu den Toiletten und den Kabinen der Gäste.

[Narracion]

[Homer Canalli]

cf: An Deck

Canalli verabschiedete seinen Neffen mit ein paar letzten ernsthaften Worten unter vier Augen. Luca würde sein Bestes geben, um diese Expedition zu sabotieren und dafür zu sorgen, dass nicht nur der Ruf von Professor Williams dermaßen verbrannt sein würde, dass niemand auch nur noch einen Cent zur Finanzierung seiner Fantasiereisen ausgeben würde, sondern auch dafür, dass kein ernsthafter Wissenschafter überhaupt mehr auf die Idee kommen würde, sich hier in der Gegen seine Karriere zu verderben, indem er nach irgendwelchen nicht existenten Bauwerken nicht existenter Kulturen suchte. Sollte sich dort wider Erwarten doch ein Gebäude finden, würde er Luca in ein paar Jahren womöglich eine Expedition finanzieren, damit dieser seine eigene Karriere mit einer sensationellen Entdeckung ankurbeln konnte - wenn über Williams' Misserfolg ausreichend Gras gewachsen war. Ein neuer Inka-Tempel in dieser Gegend ... bisher hatte Canalli wie all seine Kollegen angenommen, dass die Boccacciobuch keine relevanten archäologischen Spuren verbarg. Sonst hätte es doch auch nie die Zustimmung gegeben, diese Gegend unter ökologisches Tabu zu stellen!
Wie auch immer. Canalli stellte das Glas Eistee, das er auf der Fahrt genossen hatte, beiseite, bugsierte seinen Kater Pollux von seinem Schoß und watschelte mit gebührendem Abstand hinter seinem Neffen her an Deck. Ein letzter Gruß an Senora Jones, ein freundliches Winken - und dann würde er zurück nach San Palabra fahren, die Abendgesellschaft hinter sich bringen und sich darauf freuen, am Montag wieder in kultiviertere Kreise zurückzukehren.

tbc: An Deck

[Narracion]

[Homer Canalli]

Nicht einmal das Schnurren von Castor und Pollux konnte Canalli heute in einen beruhigten Zustand versetzen. Nervös lief er in seinem Salon auf und ab, zwirbelte seinen Schnäuzer und ließ alle paar Minuten von Lopez nachsehen, ob Catarina schon am Kai zu sehen war, an dem die Paloma Nera nun den ersten Tag unvorhergesehen dümpelte. Eigentlich hatte er in den Morgenstunden den Anker lichten lassen wollen, um sich zum nächsten Hafen mit einem Flughafen bringen zu lassen. Sein Schreibtisch in Primera barst sicher schon vor Anfragen. Aber seit er sich von Luca verabschiedet hatte, quälten Canalli ungewohnte Zweifel. War es wirklich richtig gewesen, den Jungen in diese Angelegenheit hineinzuziehen? Wäre es nicht klüger gewesen, irgendeinen Hallodri zu beauftragen, mit den Söldnern Kontakt zu halten? Dieser Sanchez etwa - für genug Geld und die Aussicht auf ein bisschen wissenschaftlichen Ruhm war er schließlich auch bereit gewesen, die Expedition zu verlassen; für etwas mehr wäre er auch zurückgekehrt!

Canalli zweifelte nicht daran, dass Luca ein gewitzter Bursche war, der ein bisschen Abenteuer ertragen konnte, aber es hätte doch gewiss elegantere Wege gegeben, die Expedition zu stoppen - immerhin war es ihm gelungen, sie zu verlangsamen. Canalli zupfte an den Manschetten seines eleganten, weißen Seidenhemdes. Bestimmt hatte er vor Sorge schon abgenommen! Vor Sorge oder wegen dieser Hitze, die außerhalb seiner klimatisierten schwimmenden Räumlichkeiten herrschte. Jedenfalls hatte er heute morgen den Entschluss gefasst, es doch noch einmal anders zu versuchen. Das Gesicht vor diesem Senor Santiago zu verlieren, indem er ihn nach nur 48 Stunden zurückrief, sich am Ende gar erpressbar für ihn machen - das sah Canalli nicht ein. Aber wenn die Expedition durch andere Gründe zum Rückzug gezwungen wurde, konnte er Santiago großzügig für seine Mühen entlohnen, und alles wurde gut. Nur waren seine kleinen grauen Zellen durch Sorge und Hitze so abgelenkt, dass es ihm klug erschien, jemanden herzuholen, dem er auch in solchen Angelegenheiten vertraute - und der sich an seiner Stelle erkundigen oder mit Verwaltungsangestellten treffen konnte. Vielleicht würde er sich zwar im Anschluss von Catarina trennen müssen, aber mit Kollateralschaden musste man leben. Ja, war sie denn immer noch nicht da? "Lopez!"

[Catarina Bolivar]

[Einstieg]

Es war zum Mäusemelken.
Da nahm man sich vor lange, lange Zeit nicht mehr in die Nähe der heimatlichen Gefilde zu kommen, hatte sich in Primera grade einen wunderbaren Haufen Arbeit besorgt - ja, Catarina mochte Arbeit tatsächlich - und dann, ausgerechnet dann, kam ein Anruf vom Chef, der sie ganz woanders hin beorderte. Canalli war ein Weilchen auf Reisen gewesen, ohne sie diesmal, und sollte eigentlich in den nächsten Tagen nach Primera zurückkommen, weswegen sie mit seinem Anruf nicht gerechnet hatte. Vorzeigeassistentin die sie war, hatte sie allerdings postwendend ihre Sachen gepackt - ein Koffer von den Ausmaßen eines Kindersarges, man wusste ja nie wie lange man blieb - und war in einer dieser fliegenden Streichholzschachteln nach San Palabra gereist. Die Landebahn war beinahe noch holpriger gewesen, als der Flug an sich und sie war denkbar froh, als sie festen Boden unter den Füßen hatte. Hoffentlich konnte sie hier bleiben und musste nicht weiter nach Atempo.

Nach einigen anreisetechnischen Strapazen erreichte sie also, zumindest halbwegs pünktlich den Steg, an dem die Paloma Nera ankerte. Selbstverständlich wie aus dem Ei gepellt und augenscheinlich vollkommen stressfrei, wie auch immer sie das hinbekam. "Lopez", ein Gruß mit eher schmalem Lächeln, bevor sie über die Gangway an ihm vorbei auf die Yacht stratzte. 'Im Salon, Senor Canalli wartet bereits', sie nickte und steuerte zielsicher den Salon an. Vielleicht gab's da ja auch was kleines, Kühles. Beim Verlassen des Flugzeuges hatte es sich angefühlt, als hätte ihr jemand ein nasses, warmes Handtuch ins Gesicht geschlagen. "Entschuldigen Sie die Verspätung", tadaa, da war sie. Und nun?

[Homer Canalli]

Wie schön es doch war, wenn statt eines höflich lächelnden Lopez', den man mit wachsender Verzweiflung nach dem Verbleib einer Person fragte, die besagte Person selbst in der Kabinentür auftauchte!
"Catarina!" Canalli breitete die Arme aus, als er auf seine Assistentin zuwatschelte, ergriff dann mit der einen kühlen und etwas feuchten Hand Catarinas und tätschelte mit der anderen Hand ihren Handrücken. "Wie gut, dass Sie endlich da sind; ich habe Sie schon sehnsüchtigst erwartet. Setzen Sie sich, setzen Sie sich! Lopez, bringen Sie Senorita Bolivars Gepäck in die Kabine und anschließend frischen Eistee; die letzte Karaffe ist sicher schon auf Zimmertemperatur gestiegen."
Als er Catarinas Hand losließ und selbst einem der Sesselchen zuwandte, wandelte sich seine Miene zu einer leidenden Grimasse. "Es gibt unglaublich viel zu tun, und Sie können sich nicht vorstellen, was für Zustände in dieser Stadt herrschen! Allein die Soirée gestern... eine Zumutung, meine Liebe, eine Zu-mu-tung!" Und das war nicht einmal übertrieben. Canalli war immer noch fest davon überzeugt, dass die Historische Société der Stadt erst mit der Nachricht von seiner Ankunft gegründet worden war. "Aber deshalb sind Sie nicht hier - es geht um eine Familienangelegenheit, die striktester Diskretion zu unterliegen hat! Mein Neffe Luca - er hat sich da einer dummen Sache angeschlossen."

[Catarina Bolivar]

"Sie bestanden darauf, die Einladung anzunehmen", erinnerte sie ihn höflich aber mit leichtem Tadel versehen.
Tatsächlich konnte sie sich lebhaft vorstellen, was für Zustände in San Palabra herrschten, schließlich war sie hier mehr oder minder aufgewachsen, aber sowas rieb man seinem Chef natürlich nicht unter die Nase. Sie ließ sich auf einem der Sessel Canalli gegenüber nieder und sah Lopez einen Moment sehnsüchtig hinterher. Allein die Aussicht auf Eistee machte die Hitze ein wenig erträglicher. Eine von Canallis Katzen - welches der Viecher das jetzt wieder war, wusste sie auch nicht so genau - wollte ihr, als angetraute Dosenöffnerin, schon direkt auf den Schoß hüpfen, aber dank jahrelanger Übung verjagte sie das Tierchen so diskret, dass Canalli es nicht mitbekam. Katzenhaare auf ihrem Kostüm, das fehlte ihr noch.
"Aber doch nichts gefährliches, oder?"
Ob ihre Bestürzung nun echt war oder nicht wusste sie vermutlich selbst nicht.

[Homer Canalli]

"Oh doch, sehr gefährlich." Canalli nickte, während der Sessel unter seinem Gewicht leicht ächzte. Sein Gesicht hatte sich zu einem Ausdruck gesteigert, der darum bat, von Beileidsbekundungen am Grab Abstand zu nehmen. "Sogar in mehrfacher Hinsicht." Er ließ ein abgrundtiefes Seufzen folgen, das nicht ganz zu dem nervösen Trommeln einer Finger auf der Lehne des Sesselchens passen wollte.
"Bis zuletzt hatte ich gehofft, er würde es sich noch einmal anders überlegen, aber die Jugend.. die Jugend! Er träumt von großen Abenteuern, was verständlich ist, und bemerkt dabei nicht, in welche Gefahr er seinen Hals und seine wissenschaftliche Anerkennung bringt! Er - er hat sich dieser grässlichen Willams-Expedition angeschlossen!"
Canalli hatte oft und offen darüber gesprochen, für welche Geldverschwendung er diese Expedition hielt; darüber, dass Williams' Ernennung schon nur unter Protest seinerseits erfolgt war, dass er ihn gerade noch von der Veröffentlichung hanebücherner Theorien hatte abhalten können... und überhaupt, in dieser Gegend einen Inka-Tempel finden zu wollen! Er hatte auch über seine Vermutung gesprochen, die durch viele fleißige Mäuschen belegt eigentlich längst Tatsache war, dass Williams wieder seinen entrückten Phantasiekulturen nachjagte.
"Und jetzt befindet er sich mit einer Handvoll Amateure mitten im Dschungel! Stellen Sie sich nur vor, was mit seinem akademischen Ruf passiert, sollte er wieder herauskommen!"

[Catarina Bolivar]

Sie hatte ja mit einigem gerechnet, aber nicht damit. Dementsprechend verblüfft musterte sie Canalli für einen Moment, weniger bedauernd sondern vielmehr ein wenig verdutzt.
"Aber wieso sollte er das tun? Er weiß doch wie Sie zu Williams stehen."
Sie selbst kannte Luca nur flüchtig, war ihm vielleicht erst zwei-, dreimal begegnet und hatte ihn eigentlich als jungen Mann kennen gelernt, dem das Verhältnis zu seinem Onkel immens wichtig war. Wieso sollte er sich also absichtlich der Expedition eines Mannes anschließen, den Canalli so offensichtlich verabscheute?
Lopez tauchte wieder auf, zwei, mit Eis gefüllte Gläser und eine Karaffe Eistee auf einem Tablett und servierte die Erfrischung, von Catarina vollkommen ignoriert. Mit Personal sprach man nur wenn es nötig war. Ungeachtet der Tatsache, dass sie selbst auch nur Personal war.