Haus des Verwalters

[Catarina Bolivar]

Zucker und Milch eigentlich, ja. Von Garcia ungesehen verdrehte sie die Augen. "Schwarz, danke." In der Not fraß der Teufel eben Fliegen und was hatte sie schon erwartet?
Sie wartete noch ab, bis die Kaffeemaschine aufhörte zu rattern, dann konnte das kleine Schauspiel losgehen. Obwohl sie eigentlich davon ausging, dass sie Garcia nur die nötige Summe hinlegen müsste und er würde sich selber einen kleinen Kriminalfall zusammenbasteln. Aber wo blieb da der Spaß für sie? "Es scheint so, als wäre diese Expedition mit nicht ganz koscheren Absichten hierhergekommen. Wie vermutlich erwartet. Allein, dass die Dorfgemeinde diese Leute aufgenommen hat. Ungewöhnlich." Sie gehörte eigentlich nach Hollywood. Ganz klarer Fall von Beruf verfehlt.

[Garcia Blanco]

"Haben sie das?", brummte Garcia in der Küche vor sich hin, während er auch die Kanne noch auf das Tablett bugsierte. Im Prinzip war ihm die Expedition bis gerade eben so gleichgültig gewesen wie Fußpilz, denn immerhin hatte es den Eindruck erweckt, als könnte er mit denen keinen müden Cent mehr verdienen. Ob die also im Dorf angekommen waren oder nicht, ob die sie da freundlich begrüßt hatten oder nicht - bis gerade eben wurscht. Jetzt aber nicht mehr.

Das Geschirr auf dem Tablett klapperte leicht, als Garcia es humpelnd in den Wohnraum trug und auf dem Couchtisch abstellte. "Die stecken also unter einer Decke?", mutmaßte er, befeuchtete sich die Lippen und ließ sich auf dem anderen Sofa gegenüber Catarina fallen, dass die Federn leise quietschten. Hm, ob das Bolivar-Mädchen, dessen Vorname ihm einfach nicht einfallen wollte, der Familie ans Bein pinkeln wollte? Denn wenn die das Dorf jetzt unter Generalverdacht stellte, würde das doch die ganze Bande da treffen. War der Kerl, der den Kollegen von der Prüfstelle die Gelder übergab, damit das Dorf überhaupt hier bleiben durfte, und der ihm auch gelegentlich ein paar Mäuse vorbeibrachte, nicht sogar auch ein Bolivar? Nicht, dass Garcia es interessiert hätte, in welcher Beziehung der nun wieder zu Senorita Hochnäsig hier stand, aber die waren doch alle irgendwie miteinander verwandt!

[Catarina Bolivar]

"Alle mit Sicherheit nicht, nein. Aber bedauerlicherweise gibt es ja in jeder Familie irgendein schwarzes Schaf." Mit geheucheltem Bedauern nippte sie an ihrer Kaffeetasse und musste sich schon sehr zusammenreißen, um nicht plötzlich zu husten. So eine dermaßen starke Plörre hatte man ihr noch nie vorgesetzt! Und das auch noch ohne Milch und Zucker. Wunderbar. Aber zumindest die Nebenhöhlen waren jetzt völlig frei.
"Meine arme Familie wäre völlig erschüttert, wenn sie erfahren würde, dass jemand aus den eigenen Reihen gegen die Interessen des Dorfes agiert. Das verstehst du ja sicherlich." Sie lächelte wieder. Von ihrer armen Familie sprach sie grade sowieso nur, weil es ja eigentlich nur zwei Familien in Atempo gab. So grob über den Daumen gepeilt. "Wer genau sich mit der Expedition eingelassen hat, weiß ich nicht. Ob nun jemand aus dem Dorf, jemand aus San Palabra... nur, dass er angeblich ein paar Artefakte bei sich hat, das scheint recht sicher zu sein."

[Garcia Blanco]

"Artefakte.." Langsam wiederholte er das Wort, nahm einen tiefen Schluck von seinem Kaffee - ja, das weckte doch wenigstens die Lebensgeister und war nicht nur gefärbtes Wasser! - und leckte sich anschließend über die Lippen, während er sich zurücklehnte, beiläufig sein Knie kratzte und Catarina nachdenklich musterte. Ob sie in Wahrheit nicht doch mehr wusste? Ein Hühnchen mit irgendeinem buckligen Verwandten zu rupfen hatte? Na, eigentlich konnten ihm ihre Gründe auch egal sein. Seine alten Instinkte erwachten nur manchmal, bis sie sich von Geld beruhigen ließen, zusammen mit diesem elenden Quälgeist namens Gewissen.
"Da müsste man doch eigentlich was unternehmen, wenn jemand Artefakte schmuggelt. Welcher Art auch immer." Und wenn es nur ein paar Kieselsteine waren - zur Not würde er auch die zu Artefakten erklären! "Weiß die Polizei schon bescheid?"

[Catarina Bolivar]

"Nein." Sie war sich nicht sicher, ob ihr Lächeln sich nur wegen dem unseeligen Kaffee auf ihre Lippen geätzt hatte, aber irgendwas stellte das Zeug grade mit ihrem Magen an. "Du bist der Verwalter dieses-", beinahe hätte sie 'Kaff' gesagt, riss sich im letzten Moment aber noch zusammen: "Örtchens, solche Angelegenheiten und der damit verbundene Lohn fallen ja für gewöhnlich in deinen Aufgabenbereich." Was Garcia klar machen durfte, dass tatsächlich eine recht ordentliche Summe auf ihn wartete und er die auch tatsächlich komplett behalten durfte. "Ich dachte, es steht somit auch dir zu, den Herrn selbst zu ertappen und dann die Polizei zu rufen. Oder auch nicht." Vielleicht konnte Garcia dem armen Träger ja nochmal einen nicht grade geringen Obolus abquatschen.

[Garcia Blanco]

"Gut." Er grinste etwas breiter. Solange keine Polizei eingeschaltet war, war sein Verdienst tatsächlich etwas größer. Da machte er sich auch nicht die Mühe, ihr zu erklären, dass er ja eigentlich für die gesamte Bucht zuständig war mit all ihren offiziell nicht vorhandenen Örtchen - von denen Atempo allerdings das größte war.
"Allerdings weiß ich nicht ganz, was Sie jetzt von mir erwarten, Senorita Bolivar." Also eigentlich schon. Irgendeinen armen Teufel, der mit diesen Irren durch den Dschungel lief, so richtig den Arsch aufzureißen. Da ergaben sich nur ein paar Probleme.. "Ich kann meine Stelle hier", wie zufällig strich er sich dabei über das lädierte Knie, das ein sehr viel wichtigeres Argument als etwaige Loyalität war, "schließlich nicht für Tage oder länger verlassen, um jemanden im Dschungel ausfindig zu machen." Dass es theoretisch auch nicht mehr in seinem Ermessen lag, jemanden zu verhaften oder festzuhalten, zählte nicht. Zum einen war er zumindest mal Polizist gewesen, und zum anderen - wen juckte es schon, was hier geschah? Und wenn's einer aus Atempo war, würde er sich das Jüngelchen einfach gut genug zur Brust nehmen, dass der den Schwanz schon einkniff und gar nicht erst auf blöde Ideen kam. Jawohl.

[Catarina Bolivar]

"Mach dir darüber mal keine Gedanken." Einen Schluck riskierte sie noch, dann stellte sie die Tasse vorsichtig auf den - überraschenderweise sogar irgendwie passenden - Unterteller zurück. "Der Herr ist samt der Hehlerwahre bereits auf dem Weg nach San Palabra. Anscheinend musste ein Mitglied die Expedition verlassen, ein Senor Lemaître. Besagter Senor ist allerdings uninteressant für uns, du solltest dich um den Träger kümmern, der ihn begleitet."
Garcia wüsste schon, was er mit dem Kerl und den nicht vorhandenen Artefakten tun musste. Die Polizei würde vermutlich aus dem ganzen Gewusel rausbleiben, aber ob nun Garcia oder die Bullerei den Kerl aufhielt war ihr piepegal und dürfte auch Canalli nicht weiter interessieren.

[Garcia Blanco]

Lemaitre... Garcias Hand verharrte mit der Kaffeetasse auf halber Höhe. "Tjaaa...", sagte er gedehnt, während seine Laune langsam gen Null sank, weil er sich innerlich bereits von einigen Bündeln Dollar verabschiedete. Das Leben war doch ungerecht! Hätte er es nicht mal verdient gehabt, ein bisschen mehr zu bekommen von dem Reichtum, der ihm vorenthalten wurde? "In dem Fall haben wir ein Problem."
Er beugte sich vor und stellte seine Tasse auf dem Tisch ab, ehe er sich wieder zurücklehnte. "Gestern nacht, ziemlich spät, kamen zwei Männer hier an. Einer von ihnen hieß Lemaitre, der anderen war ein Junge aus Atempo. Und der hat Lemaitre dann nach San Palabra gerudert."
Und ihm hatte er noch ein bisschen was abgeknüpft, weil er in der Zwischenzeit das alberne Schlauchboot in Verwahrung genommen hatte, mit der sie hergepaddelt waren. Hätte er gewusst, was ihm dadurch entging... "Macht wohl keinen Sinn, ihn erst bei seiner Rückkehr festzunageln, was?", brummte er.

[Catarina Bolivar]

Es war nicht sonderlich ladylike zu fluchen, das wusste Catarina, weswegen das gedachte 'Verfickt noch eins!' auch nicht ihre Lippen verließ, aber ein Weilchen in ihrem Kopf nachhallte. Sie hatte Lemaître um ein paar Stunden verpasst. Die paar Stunden! Für einen kurzen Augenblick wurden die roten Lippen zu einem schmalen Strich, dann hatte sie sich schon wieder gefangen. Sie wäre nicht Canallis Assistentin, wenn sie sich so einfach aus der Bahn werfen lassen würde.
"Ein Junge aus Atempo? Welcher Junge?"
Wenn sie gleich direkt Lopez anrief, konnte der das Schlauchboot in San Palabra behalten, sie würde sich diesen Träger vorknöpfen, sobald er wieder am Handelsposten vorbei kam.

[Garcia Blanco]

Hm, da war jetzt interessant. Garcia blinzelte langsam. Wenn sie jetzt erst nach dem Namen fragte, dann hatte sie vorher gar nicht gewusst, wer Lemaitre begleitete? Was sollte dann dieses ganze Getue über Hehlerware? Warum wollte sie einen festnageln, der ihr unbekannt war? Da musste doch noch was im Busch sein! Und was immer es war: Es roch nach Dollarnoten.
"Welcher?" Er zog die Luft zwischen den Zähnen ein und schüttelte mit deutlich gespieltem Bedauern den Kopf. Sollte Senorita Nasehoch ruhig kurz schmoren und anfangen, die ersten Scheine locker zu machen. So ein Kaffee verursachte ja auch Kosten. "Es war ziemlich spät, und ziemlich dunkel. Ich bin nicht sicher, ob ich mich an den Namen - erinnere." Vielsagend zog er die Brauen hoch.