Die Tempelchronik von Narracion

"Freut mich, Scott." Kannte den Namen der Adressatin - Check. Hatte ihr selbst einen Namen genannt - Doppelcheck. Teo ließ den Karton los, auch wenn sie Scotts Ankündigung, seine berufliche Laufbahn zu ändern, stutzen ließ. Ach Mist. Hatte sie nicht beschlossen, dass es hier in der Gegend sicher nicht einen geben würde, der freiwillig Expeditionspackesel werden würde? Da machte ihr Scott jetzt aber einen fetten Strich durch die Richtung!
"So, so", grinste sie und hakte die Daumen wieder unter die Gürtelschnallen. "Dann pass mal auf, dass du dich nicht zufällig im Dschungel verläufst. Oder wenigstens Brotkrumen streust, um den Rückweg zu finden."
Die Gringos waren doch auch nicht mehr das, was sie mal waren. Früher waren sie höchstens hergekommen, um sich davon zu überzeugen, wie langweilig es hier war. Heute liefen sie freiwillig in den Dschungel. Das war doch - schattig.

Scott nahm das Paket an sich und verstaute es mit einer Hand an seiner Seite. "Danke, für die guten Wünsche." Grinste er und wischte sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn. "Wenigstens werde ich keinen Sonnenbrand im Dschungel kriegen.. Aber vielleicht.." Scott zog eine Augenbraue hoch. "Sollte ich lieber Steine statt Brotkrumen streuen. Nur um sicher zu gehen."
Er steckte seine Hand in die Hosentasche und nickte mit dem Kopf zum Frachtunterstand.
"Kommst du mit nach Atempo oder bleibst du beim Boot?"

"Sicher, wenn du Steine streust? Ha, ha!" Triumphierend hob Teo ihre Augenbrauen. "Da kennst du aber unsere Vogelfreunde schlecht, Scott. Die nehmen erst mal alles mit, was sie nicht kennen. Könnte ja noch mal nützlich sein."
Warum waren eigentlich immer die netten Typen dabei, doofe Sachen zu machen? In den Dschungel zu ziehen, wo sie überhaupt nichts verloren hatten, zum Beispiel? Wenn die Expedition aus lauter Dumpfnasen bestanden hätte, hätte es am Ende noch Spaß machen können, sie zu vergraulen, aber netten Leuten wie Sébastien oder Scott etwa den Magen zu verderben... da meldete sich beinahe so etwas wie ein schlechtes Gewissen in Teos Bauch.
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, nein, wir machen das Schiff jetzt klar und fahren gleich zurück nach San Palabra." Sie beugte den Kopf vertraulich in Scotts Richtung und fügte flüsternd hinzu: "Sonst kommt Garcia noch auf die Idee, uns Pacht als Dauercamper abzuverlangen." Teo zwinkerte Scott zu und richtete sich augenscheinlich vergnügt auf. "Von daher: Viel Spaß! Und wenn ihr zurück seid und du noch ein paar Tage in der Gegend bist, erwarte ich einen Bericht."

"Steine gibt es hier nicht?" Scott grinste. "Oder meintest du Edelsteine? Die würde ich nicht wegwerfen, sondern zu Geld machen." Und was meinte sie überhaupt mit Vögelfreunde? Vögel, die Freunde waren, oder Freunde von Vögeln? Bevor er weiter abschweifte, hiefte er doch lieber nochmal das Paket weniger ungemütlich hoch und betrachtete kurz das Schiff, um dann Teo wieder seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Schade, dass Teo nicht mitkommen würde. Sie wirkte so unkompliziert. Mit ihr konnte man sicherlich eine Menge Spaß haben.
"Und falls dir in San Palabra langweilig werden sollte, kannst du ja einfach den Steinen folgen." Er zwinkerte ihr amüsiert zu. "Und wenn ich die Vogelfreunde überlebe, kriegst du deinen Bericht."
Er nickte ihr nochmal zu, ehe er sich umdrehte - Dr Buenos Stimme noch in den Ohren -, ein "Man sieht sich" über die Schultern rief und losging.
Er müsste jetzt nur noch ein paar Sachen an seinem Fahrrad geschickt auftürmen und dann ging es auch schon los. Mal sehen, was der neue Karrierezweig mit sich bringen wird.

tbc: Atempo /Dorfwege

"Kapitalist." Teo schüttelte grinsend den Kopf und winkte Scott zu, wie dieser mit seinem Fahrrad zum Frachtunterstand abschob. Tja, da tauchte einmal jemand Neues auf, den sie nicht kannte - was in der Boccacciobucht eine echte Sensation war! - und dann entpuppte der sich als kleines Ärgernis, weil er sich dem großen Ärgernis anschloss.
Nachdenklich beobachtete sie, wie sich die kleine Gruppe Menschen in einen Haufen wandelnden Gepäcks verwandelte, und zum ersten Mal seit langem bereute sie wirklich, Teil der MS Caminante zu sein. Sie liebte ihren Job, wirklich, aber die Chance, jetzt mit denen in den Dschungel zu gehen und sie für ein paar Tage ordentlich in die Irre zu führen, von Blutegeln zu Spinnen, über Kletterpartien und ziemliche feuchte Tauchgänge in kaltem Wasser und in der Nachbarschaft von Krokodil und Anakonda.. klar, sie würde natürlich auf sie aufpassen, und.. Teo lachte über ihre eigenen Gedanken. Da hatte sie sich in ihrer Vorstellung ja schon in eine richtige Dschungelabenteuererin verwandelt! Dabei war sie jedes Mal froh, den Tempel zu erreichen, weil sie jeden Moment befürchtete, sich nun endgültig im Dschungel verlaufen zu haben.
Sie kratzte sich am Nacken, während sie langsam zurück zum Steg ging. Sie konnte Miguel und Delia nur alles Gute bei ihrer Mission wünschen und hoffen, sie in fünf Tagen am Tempel zu treffen - im Idealfall mit der Nachricht, dass die Expedition schon aufgegeben hatte. Teo seufzte. Hoffentlich ging das gut!

tbc: mal sehen

cf: vor zwei Tagen (?)

Die Caminante war spät, selbst für einen Wochentag in den Ferien. Normalerweise konnte Garcia spätestens um die Mittagszeit herum entspannen und davon ausgehen, dass niemand mehr aufkreuzte und seine Ruhe störte - doch heute war das Tuckern unüberhörbar durch die gerade angenehm abgekühlte Abendluft näher und näher gekommen. Es weckte gemischte Gefühle in Garcia: Zum einen hatte er sich auf einen ruhigen, menschenarmen Abend gefreut, an dem er seiner Leidenschaft für Modelleisenbahnen nachgegangen wäre und sich in Ruhe etwas gekocht hätte. Zum anderen war niemand aus Atempo hier, um lästigerweise Post oder Lieferungen entgegenzunehmen. Lagergebühren, frohlockte Garcias inneres Sparschwein, und so hatte er den Topf vom Herd genommen und war hinaus gehinkt, um die schon dicht herangekommenden Caminante mit einem erwartungsvollen Lächeln zu erwarten.

Die Tatsache, dass die Caminante einen Passagier an Bord hatte - schon wieder - irritierte Garcia dann aber doch, und nachdem das Schiff sicher vertäut war, die Gangway auslag und Kapitän Howard Garcia begrüßt hatte, blickte der Verwalter mit leicht zusammengekniffenen Augen dem Mann entgegen, der jetzt von Bord gehen durfte, während Howard und seine Nichte an der Ladeluke herumhantierten, unter der sich irgendeine Lieferung für den Laden aus Atempo verbarg.
Hm. Also, wenn Garcia es nicht besser wüsste, würde er sagen, dass der da schon wieder so ein Forscher war. Nur einer mit weniger Gepäck. "Buenas tardes Senor!" Er rang sich sich sogar ein freundlich gemeintes, aber gefletscht wirkendes Lächeln ab. Die letzten Mitglieder der Expedition hatten zwar zu viel Papier dabei gehabt, aber dank des Materiallagers in seinem Unterstand doch für Bargeld gesorgt.

c.f: letzter Tag

"Vielen Dank nochmal. Ohne Sie hätte ich doch schwimmen müssen." Herzlich und freundlich verabschiedete er sich von Captain Howard und Teo, die sowieso schon recht bald wieder Richtung Ladeluke wuselte. Ein wenig geschlaucht war er ja schon. Der Vorabend in der Bar war lang gewesen und er war spät ins Bett gekommen. Wenig betrunken zugegeben - irgendwie war das Bier bloß eine bessere Limonade gewesen - aber geschafft und totmüde. Der Hafenbetrieb hatte ihn früh mit seinem Krach geweckt und nach drei starken Espresso und einer weiteren Schmandlektüre des Wirts vom "Piranha", hatte er sich dann mit der Caminante auf den Weg nach Atempo gemacht. Die Überfahrt war wahrlich nichts für Leute mit schwachem Magen. Zwar hatte er sich blendend mit der Crew unterhalten - Teo eingeschlossen - aber trotzdem war er recht froh darüber, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

"Buenas tardes!" Guter Dinge stapfte er die Gangway hinab und wunderte sich ein wenig, dass er prompt von irgendwem angesprochen wurde. Irgendwie konnte man sich hier nie sicher sein, ob die Leute einfach nur nett waren, oder ihm irgendwas verkaufen wollten. Jedenfalls lupfte er zur Begrüßung freundlich den Hut und ignorierte sogar das gruselig anmutende Lächeln. "Sie sind...?" Vermutlich irgendwer Wichtiges, dass er sich so breit in seinen Weg stellte.

"Garcia, Senor. Ich bin hier der örtliche Verwalter." Er vollführte beinahe so etwas wie eine halbe Verbeugung mit dem Oberkörper. Unfreundlichkeiten konnte er sich immer noch für zahlungsunwillige Störenfriede oder regelmäßige Kundschaft, die auf seine Dienste dauernd angewiesen war, aufsparen. "Sie wissen, dass die Bucht unter strenge Naturschutzauflagen fällt? Ich bräuchte daher Ihre Reisegenehmigung und Ihren Ausweis, den Grund Ihres Aufenthaltes und die damit verbundenen Reiseunterlagen, Senor."

Immer noch grinste Garcia breit. Hoffentlich gehörte der wirklich nicht zu der Gruppe von vorgestern - selbst deren Nachzügler, der so unverfroren spät an seine Tür geklopft hatte, hatte kaum einen Grund zur Klage gegeben - Klagen, die sich in klingende Münze oder besser noch: knisternde Dollarnoten übersetzen ließen.

"Verwalter, natürlich." Einen noch zwielichtiger aussehenden Typen hatten sie für den Job wohl nicht gefunden. Ihm war schon klar gewesen, dass er einige Papiere brauchte und Ray hatte ihn freundlicherweise auf die Sache mit dem Naturschutzgebiet hingewiesen, aber dass da so viel Bürokratie von Nöten war, damit hatte er nun nicht gerechnet.
"Sicher, kleinen Augenblick", so wie er sich kannte hatte er garantiert nicht alle nötigen Unterlagen dabei. Er hatte nie alle nötigen Unterlagen dabei. Er zog eine unversehrte Klarsichthülle aus seinem Rucksack und überreichte Garcia seinen Reisepass und die Reisegenehmigung, die er sich tatsächlich recht spontan und unter Verlust eines nicht grade geringen Sümmchens 'erworben' hatte. "Ich besuche einen alten Freund. Verstößt das gegen irgendwelche Auflagen?", er schmunzelte freundlich. Vielleicht funktionierte die Masche ja.