Steg

[Teo Howard]

Whoa, da war sie wohl in ein Wespennest getreten! Entschuldigend hob Teo die Hände, konnte sich ein vielsagendes Grinsen aber nicht verkneifen. Tja, wer wollte den schon aufs Auge gedrückt bekommen, also so als Beziehung jetzt. Teo sicher nicht - dafür war er auch einfach zu alt.
Vor Sofia spazierte sie zur Gangway und schüttelte entschuldigend den Kopf. "Nein, das geht leider nicht -außer, wir nähen ihn in einen Sack, und ich hab meinen Fingerhut vergessen." Sie grinste breit und hielt Sofia im Gehen ihre Hand entgegen, die zwar nicht völlig fleckenfrei war, sondern noch ein paar grauen Stellen hatte, wo sie das Öl von gestern nicht ganz abbekommen hatte, aber doch beinahe sauber war. "Ich bin übrigens Teo."

tbc: MS Caminante/Vorderdeck

[Des Carter]

Einen Grund. Natürlich. Was passte besser zu einem zwielichtigen Verwalter, als zwielichtige Gründe.
Aus dem Augenwinkel sah er Teo mit irgendeiner fremden Frau rumwuseln und fragte sich, ob sein leidender Ex-Mitreisender auch noch mit Garcia aneinander rasseln würde. Armer Kerl, sowas hatte wirklich niemand verdient. Wenn er es von seinen Reisen nicht schon kennen würde, dass man hin und wieder kleinere erm... Summen lassen musste...
Er fischte sein Portemonnaie aus der Hosentasche und drückte Garcia mit einem, nach wie vor happy klingenden, "Sie finden bestimmt einen Grund", einige Scheine in die Hand. Wenn das nicht für einen wirklich guten Grund reichte, wusste er auch nicht weiter. Nur würde er vermutlich vollkommen pleite am Ende dieser Expedition sein, er sah's schon voraus.

[Garcia Blanco]

Hätte er nicht bereits das Geld des Gringos riechen können, hätte Garcia sich durchaus dafür interessiert, wer da gerade angekommen war - vielleicht ein Fischer, der eine Ladung abholen wollte, oder irgendein anderer nerviger Anwohner? Zumindest den Kerl mit dem Fahrrad war er wohl erst mal los.
Seine Blicke verfolgten jede von Desmonds Bewegungen begierig, und kaum hatte Des ihm die Scheine gereicht, waren sie auch schon zwischen Garcias FIngern verschwunden, wo sie ebenso zärtlich wie zügig durchblättert und gezählt wurden. Das war etwas, was Garcias bereits mit nur einer Hand konnte, weil er ja irgendwie auch noch mit Stock und Klemmbrett umgehen musste.
"Ja, da bin ich mir auch sicher, Senor Carter." Garcia nickte mit fast entspanntem Grinsen, stopfte das Geld in seine Hosentasche und zückte das Klemmbrett, um geschäftig auf dem obersten Blatt darauf herumkritzeln zu können. Es hatte ein paar Fettflecken, aber abgesehen davon war es knitterfrei, und jetzt stand darauf auch in schönster Sonntagsschrift Desmonds Name und ein Zahlencode. "Wenn Sie das hier nur noch eben unterschreiben würden.." Er reichte das Klemmbrett an den Gringo weiter.

[Sofia Pereira]

Sofia beäugte Adam unauffällig aus den Augenwinkeln heraus und fragte sich, ob er schon so weit war, daß sie ihm erklären konnte, daß die kleine Nusschale die da so friedlich auf den Wellen trieb, ihr Transportmittel sein würde. Und das ihm die große Ehre zu Teil wurde, sie darin nach Hause zu rudern. Ihr gefiel die Art, wie er heute mit ihr umging nicht sonderlich, so daß sie beschloss, keine weitere Rücksicht mehr auf ihn und zunehmen und direkt auf das kleine Bötchen zu zusteuern. Weitaus eleganter als bei ihrer Ankunft ließ sie sich am Steg hinab und tat zumindest so, als wäre es für sie nichts besonderes auf einem schwankenden Ruderboot zu stehen. Schauspielerisches Talent mußte man ihr wirklich zugestehen, denn sie fühlte sich immer noch alles andere als wohl. Allein die Vorstellung, daß es Adam wahrscheinlich noch schlechter ergehen würde, tröstete sie. Mit einem freundlichen Lächeln sah sie zu ihm auf und streckte die Arme aus, um sein Gepäck in Empfang zu nehmen.
"Wir sind noch nicht ganz zu Hause."
erklärte sie aufmunternd, auch wenn es sich für Adam wahrscheinlich eher nach einer Drohung anhörte. Dabei beobachtete sie seine Reaktion mit beinahe diebischer Freude und hoffte ehrlich für ihn, daß er jetzt nicht vor hatte, ihr hier eine Szene zu machen. Auf der anderen Seite... besonders viele Menschen waren nicht anwesend. Sie sah zwei Männer, scheinbar ins Gespräch vertieft, die nicht weiter Notiz von ihnen zu nehmen schienen, einen Fischer, der ebenfalls mit völlig anderen Dingen beschäftigt war und sonst nichts. Vielleicht würde es sogar ganz unterhaltsam sein, wenn Adam anfing herum zu zehtern. Sofia würde ganz sicher ihre Rollen vertauschen und so tun, als wäre er es, der ihr etwas Böses antat. Und wer bitte, hätte ihr das nicht abgekauft? In dem Versuch, ihn als den Schuldigen hin zustellen und sich selbst als unschuldiges Opfer hatte sie einfach definitiv die besseren Karten.
"Kommst du?"
wieder dieser zuckersüße Tonfall, von dem einem selbst dann schlecht werden konnte, wenn man ihn für echt hielt.

[Des Carter]

"Sicher", er hatte keine Ahnung was genau er da unterschrieb, aber wenn es dafür sorgte, dass der Kerl ihn mit weiteren unlauteren Bestechungsversuchen übers Ohr haute, unterschrieb er so ziemlich alles. Er kritzelte seinen, zugegeben ziemlich unleserlichen Namen auf den Wisch und schulterte sein Gepäck nochmals nach. "Dann Danke für den freundlichen Empfang." Dass er trotz diesem Palaver nach wie vor so gute Laune hatte, grenzte auch beinahe an ein Weltwunder.
Mit einem kurzen Wink verabschiedete er sich auch von seinem, nach wie vor etwas käsig wirkenden, Mitreisenden und rechnete fast damit, ihn und seine Begleitung früher oder später in Atempo wiederzusehen.
Apropos Atempo. Vor ihm lag ein zirka einstündiger Fußmarsch und er war sich nicht wirklich sicher, ob er sich darauf freute oder nicht. Rumwandern prinzipiell immer gern, aber irgendwie war ihm grade mehr nach einem kühlen Bier und einer Gelegenheit, sich mal zu waschen. Na, würde er spätestens in Atempo schon Beides finden.

tbc: irgendwo in Atempo

[Garcia Blanco]

"Adios, Senor Carter", verabschiedete Garcia den Fremden vergnügt. Das war doch ein wirklich erfreulicher Abend! Er rückte sein Klemmbrett zurecht und sah Des hinterher, wie dieser sich mit seiner frisch erworbenen Erlaubnis auf den Weg nach Atempo machte. Erstaundlich, was ein bisschen Bürokratie für Idioten aus Menschen machen konnte - und irgendwie ziemlich niederschlagend, wenn er so darüber nachdachte. Aber hatten es die Menschen denn besser verdient? Nein. Es musste halt jeder zusehen, wie er selbst am besten zurecht kam, und die Fremden der letzten Tage hätten Garcia ausgezeichnet zurechtkommen lassen, wenn die blöde Sache mit der Vollständigkeit ihrer Papiere nicht wäre!

Garcia wandte sich wieder dem doch recht übersichtlichen Treiben auf dem Steg zu. Ja, und was sahen seine scharfen Augen da? Da versuchte doch tatsächlich ein Gringo, ihm über den Wasserweg zu entkommen! "Eh! Holá, Senor!", rief er, schob sich das Klemmbrett unter den freien Arm und hinkte rasch auf Adam und Sofia, die allerdings schon ins Ruderboot geklettert war, zu. "Sie haben mir Ihre Papiere noch nicht gezeigt, Senor!"
So ging das hier ja nicht! Zumal er das Blondchen, das wohl zu dem Kerl gehörte, auch nicht kannte - aber sie war ja nicht mit der Caminante gekommen, und da es Abmachungen mit den umliegenden Bewohnern gab, würde er sie daher nicht mit der Frage nach ihren Papieren belästigen. Für Adam galt das aber nicht, und so blieb er etwas atemlos neben ihm stehen, die Brauen hochgezogen und mit erwartungsvollem, fast strengem Blick.

[Adam Turpin]

Noch ehe er sich zur Art ihrer Weiterreise äußern konnte - und nein, er war keineswegs und nichtmal so'n bisschen mit ihr einverstanden! - wurde er von einem, ebenfalls eher ungepflegt aussehenden Gesellen unterbrochen, der anscheinend auch noch irgendwas von ihm wollte. Papiere sehen... also gab es diesen Verwalter tatsächlich, sieh mal einer an. In seinem lädierten und angeschlagenen Zustand brauchte Adam ein kleines Weilchen länger, um zu reagieren, schaffte es dann allerdings doch mit einem halbwegs freundlichen Lächeln seine Mappe zu zücken.
"Entschuldigen Sie. Wasserfahrten liegen mir anscheinend nicht so."
Womit er einen kurzen, beinahe tödlich anmutenden Blick in Sofias Richtung abfeuerte. Er überreichte dem Mann einen Pass, der ihn als Robert Orwell auswies, eine Einreisegenehmigung, Übernachtungsgenehmigung für drei Wochen, eine Genehmigung seiner Arbeit als "Fotograf" nachgehen zu dürfen, eine Genehmigung mit Blitz fotografieren zu dürfen und einen ganzen Batzen diverser anderer Genehmigungen, die er dem noch nachkommenden Kollegen bereits übermittelt hatte, mit der Notiz, dass es wirklich wichtig wäre, dass er die nicht verliert. Falsche IDs für Sofia hatte er sowieso dabei, auch wenn er bezweifelte dass sie sie brauchen würde.
"Wäre das dann alles?", er lächelte nach wie vor tapfer.

[Sofia Pereira]

Sofia hielt der erneuten Atacke in Form von unfreundlichen Blicken ruhig stand und tat so, als würde sie es nicht bemerken. In Wirklichkeit war sie allerdings doch ein kleines bißchen beunruhigt. Ganz einfach, weil sie sich Adams Genöle würde anhören müssen, sobald die Beiden alleine waren und weil er sich ganz sicher langatmig und theatralisch darüber auslassen würde, wie sehr er ihretwegen gelitten hatte. So ganz stimmte das ihrer Ansicht nach allerdings nicht. Immerhin hatte sie ihn nur angerufen und nicht mit vor gehaltener Waffe dazu gezwungen, ihr nach zureisen. Er war freiwillig hier, auch wenn er schon jetzt so tat, als hätte sie ihn genötigt, nur um ihn zu ärgern.
Als der fremde Mann auftauchte um sich nach Adams Papieren zu erkundigen, ließ Sofia die eben noch ausgestreckten Arme sinken und ahnte, was da kommen würde. Adam anscheinend nicht, denn er reichte dem Mann seine wahrscheinlich nicht ganz echten Ausweispapiere, eben so wie einen Stapel an Genemigungen. Scheinbar glaubte er wirklich, damit aus dem Schneider zu sein, aber Sofia, die sich nun schon ein bißchen länger hier aufhielt, wußte es besser. Wahrscheinlich ging es gar nicht um seine Papiere, deren Echtheit niemanden so wirklich interessierte, sondern darum, daß er eine Art Provision für die Bearbeitung der selbigen bezahlte. Vielleicht hätte sie ihm das vorher sagen sollen. Wenn er jetzt kein Geld dabei hatte oder sich weigerte zu zahlen würden sie hier fest sitzen, denn Sofia besaß so gut wie nichts mehr und schnorrte sich mehr oder weniger bei ihrem angeblichen Großvater durch.
"Gibts ein Problem?"
erkundigte sie sich freundlich bei Garcia, einfach nur um sich irgendwie in das Gespräch ein zubringen und im Notfall (also falls Adam vor hatte sich dämlich zu benehmen) eingreifen zu können. Das etwas an den gefälschten Papieren Aufmerksamkeit erregte, glaubte sie nicht. Adam war überaus geschickt in dem was er tat und sie hatte seine "Kunstwerke" schon in der Vergangenheit das ein oder andere Mal bewundern dürfen.

[Garcia Blanco]

Ja, das war tatsächlich alles. Genau das war ja das Schreckliche, und es verschlug Garcia erst einmal die Sprache.
"Problem?", brummte der Verwalter schließlich, der ein grässliches Deja-Vu hatte von sich, wie er mit einem Stapel von Papieren dastand, die ihm jemand reichte, und in denen erst mal alles zu finden war, was sich in den im Internet einsehbaren Listen von notwendigen Bescheinigungen und Formularen und Genehmigungen so aufgeführt war. Verdammt, waren die denn plötzlich alle zu Hobby-Bürokraten mutiert?! Erst diese Expedition, und jetzt der hier...
"Nein, nein, kein Problem." Es klang kleinlaut, denn wie auch schon zwei Tage zuvor fühlte sich Garcias Kopf sogar zu leer an, um sich etwas auszudenken. Es war bisher nie nötig gewesen, sich etwas auszudenken, denn irgendein Papier hatte der Besuch immer nicht dabei; daher fehlte Garcia darin die Übung. Noch einmal durchblättertete er den Haufen in der Hoffnung, dass doch etwas fehlen könnte - doch schließlich schnaubte er enttäuscht und reichte den Packen wieder an Adam, wenn er ihn dabei auch mit wenig freundlichem, dafür fast vorwurfsvollem Blick taxierte. "Gehören Sie etwa auch zu dieser Expedition, Senor.. Orwell?" Das war doch sicher eine heimtückische Verschwörung!

[Adam Turpin]

"Mit viel Glück eventuell", lächelte er höflich weiter und freute sich im Stillen, dass er dem Herrn anscheinend irgendwie den Abend verhagelt hatte. Für gewöhnlich war er kein schadenfroher Geselle, aber heute durfte er mal ein bisschen Frust ablassen. Wenn auch auf eher ungeahnte Weise.
Die 'Journalist und sein Fotograf'-Nummer war schon beinahe so alt, dass sie staubte, aber sie hatte bisher jedes Mal tadellos funktioniert. Also hatte er sich drangemacht und Mitarbeiterpapiere des National Geographic gefälscht, die ihn und seinen Kumpanen als Journalisten des Magazins auswiesen und ihnen so hoffentlich in die Expedition verhalfen. Sofia war vielleicht, oder vielleicht auch nicht, tatsächlich die Urenkelin des Dorfgreises, wer wusste das schon genau. Er fand sie sympathisch, traute ihr allerdings nicht weiter, als er sie werfen könnte.
"Sind wir dann hier fertig?" Sein Magen rebellierte immer noch still und leise, aber wenigstens hatte er wieder halbwegs Gefühl in den Beinen. Allein beim Anblick des, fröhlich vor sich hinschaukelnden, Ruderbootes wurde ihm mulmig in der Magengegend.