Frachtunterstand

[Mercedes Bueno]

Das kurze Lächeln, mit dem Dr. Bueno Viktoria nachsah, verschwand bei Miguels Einschränkungen des Angebots ebenso schnell wieder, wie es gekommen war. Das klingt nicht gerade so, als gäbe es in diesem Gasthaus auch ein paar Betten für die Nacht. Aber sie hatte sich ja selbst ausgesucht, diese Expedition live zu erleben und nicht nur als Expertin daheim in Primera zu bleiben und auf Nachrichten zu warten.
"So viele sind wir ja auch nicht", murmelte sie halbherzig und nahm kaum wahr, dass Teo sich entfernte. Wenn diese Leute für ihre Familien fischten, konnte man sie ja vielleicht auch einfach mit Lebensmitteln bezahlen. Es konnte ihr doch niemand erzählen, dass ein Schiff kaputt ging, wenn man damit mal ein paar Wochen nicht hinausfuhr! Oder dass man Fische wie eine Herde Schafe bewachen musste. Wenn sie eh in diesem Gasthaus aßen, konnten sie ja vielleicht die Dorfbewohner einfach alle einladen und ihnen ihr Anliegen vortragen. Das wäre auch recht praktisch für ihre Informationssuche.
"Höchstens für drei Monate", antwortete sie schließlich, auch wenn ihr Blick auf den Kisten ruhte. Sie hatte schließlich zwei Freisemester genommen; im September wollte sie wieder im Hörsaal stehen. "Aber so lange wird es hoffentlich nicht dauern." Sie zog die Brauen zusammen. Sie brauchten die Träger ja nur, bis sie den Tempel gefunden und die Ausrüstung hingebracht hatten. Apropos finden...
Sie richtete ihren Blick fragend wieder auf Miguel. "Sind Sie eigentlich ab und an im Dschungel unterwegs?"

[Miguel Bolivar]

Miguel sah Teo kurz hinterher und nutzte dann Buenos Bemerkungen zum Nachfragen: "Wie viele sind Sie denn genau? Vielleicht lassen sich ja noch ein paar privat unterbringen. Aber hier leben alle in sehr einfachen Verhältnissen", fügte er noch an. Erstens sollten keine übertriebenen Erwartungen entstehen und zweitens würde das weitere Durchfallattacken absolut plausibel machen.

Drei Monate?!! Der Tempelwächter versuchte, sein Entsetzen zu verbergen. So lange würde es ihnen unmöglich gelingen, die Expedition aufzuhalten und falsche Fährten zu legen. Es bedeutete ausserdem, dass die verdammten Gringos nicht nur ein, sondern möglicherweise bis zu drei Rituale gefährdeten. Wie kamen sie nur heil aus all dem wieder raus? Die Priesterinnen mussten unbedingt so schnell wie möglich erfahren, was los war - sie würden schon wissen, was zu tun war. Buenos Stimme drang durch seine Gedanken, und er fokussierte wieder auf sie. "Im Dschungel? Ab und zu. Ich bin aber viel häufiger auf dem Meer. Was suchen Sie denn?" Tja, das war sie nun also, die alles entscheidende Frage.

[Mercedes Bueno]

"Das ist ein sehr freundliches Angebot, aber wir wollen ja keine Umstände bereiten", erwiderte Dr. Bueno lächelnd. Sehr einfache Verhältnisse klang nicht unbedingt wie eine lohnenswerte Alternative zu ihrem Zelt - aber wenn sich alle Dorfbewohner als so hilfsbereit erwiesen wie dieser junge Mann hier, würde die Informationsbeschaffung doch sicher erfreulich schnell gehen!
Daher überging sie auch die Frage nach ihrer Anzahl, um sich fast begierig auf diese sich eröffnende Möglichkeit zu stürzen - und suchte hastig nach ihrem Notizbuch.
"Oh, wir suchen einen Tempel - vielleicht auch nur eine ziemlich große Ruine. Ziemlich tief im Dschungel verortet." Sie befeuchtete sich die Lippen. Dass er den Tempel kannte, war ja nun unwahrscheinlich, danach brauchte sie ihn ja gar nicht fragen. "Und auf dem Weg dorthin muss sich etwas befinden, dass als man eher poetisch als 'große Hand' bezeichnen könnte. Diese Wegmarke muss sich nahe der Laete befinden - bekommen Sie da irgendwelche relevanten Assoziationen, Senor ..." Sie stutzte kurz. Wie hieß der Junge denn noch mal? Hatte sie das schon gefragt? Es nur vergessen? Das musste sie doch verzeichnen, damit sie ihn nicht aus Versehen doppelt befragte, oder um Informationen, die er womöglich zu verschiedenen Zeiten gegenüber verschiedenen Personen machte, miteinander in Verbindung setzen zu können! "Wie war noch einmal Ihr Name, Senor?"

[Miguel Bolivar]

Miguel zuckte mit den Schultern. Leider war es bei weitem zu spät, um zu verhindern, dass die Gringos ihnen Umstände bereiteten. Enorme Umstände sogar. Verglichen damit war es ein Klacks, sie im Dorf unterzubringen und eine kollektive Magenverstimmung zu verursachen.

Und dann rückte sie also mit ein paar Informationen raus. Von wegen Ruine... Der Tempelwächter bemühte sich um einen neutralen, leicht interessierten Gesichtsausdruck, runzelte die Stirn und echote nachdenklich: "Grosse Hand...? Mhhh..." Joder! Die hatten Anhaltspunkte, HInweise..., die hatten einen verdammten Plan! Auch wenn sie ihn offensichtlich noch nicht entschlüsselt hatten. "Miguel, nennen Sie mich Miguel", sagte er ein wenig geistesabwesend. Es wurde wirklich immer schlimmer. Auf der anderen Seite... möglicherweise konnte man sie so auch auf komplett falsche Fährten locken, schliesslich liessen diese Dinge einen grossen Interpretationsspielraum. "Es gibt hier im Dschungel alle möglichen Ruinen, wieso sind die so interessant?" wollte er dann wissen. Möglicherweise konnte er ihr ja noch ein paar weitere Informationen entlocken.

[Mercedes Bueno]

"Wirklich?" Dr. Bueno horchte auf. Alle möglichen Ruinen - das klang doch verheißungsvoll? Vielleicht gab es noch mehr Bauwerke der Selenisten hier, eine ganze Stadt am Ende, denn das würde auch erklären, warum sich überhaupt jemand die Mühe machte, eine Beschreibung dorthin zu machen, und.. nein, nein, sie durfte jetzt nicht übermütig werden. Contenance bewahren, zumindest bis sich erste Verdachtsmomente ergaben, dass sie sich tatsächlich Hoffnungen machen durfte.
Sie schluckte und blätterte hastig in ihrem Notizbuch. "Wenn es hier so viele Ruinen gibt, wissen Sie doch sicher, wo die zu finden sind. Eine Karte oder etwas in der Art haben Sie nicht, Miguel? Oder könnten Sie uns hinführen?" Sie lächelte bemüht. Jemand hatte mal gesagt, ein Lächeln würde helfen. Haltlose Behauptungen, aber sie war bereit, jeden Strohhalm zu ergreifen!
"Jede dieser Ruinen könnte ein Hinweis auf den eigentlichen Tempel sein."

[Miguel Bolivar]

Die fast schon gierige Euphorie war unübersehbar. Warum nur mussten sich diese Gringos immer überall einmischen? Warum konnten sie sie nicht einfach in Ruhe lassen? Miguel zuckte mit den Schultern und machte eine vage Handbewegung Richtung Dschungel. "Man stolpert dauernd über ein paar Reste, aber ich glaube nicht, dass jemand eine Karte hat. Es sind alte Steine... was soll daran so wichtig sein?" wiederholte er seine Frage, in der Hoffnung, mehr darüber zu erfahren, wie viel diese Leute über den Tempel wussten.

"Aber kann schon sein, dass jemand im Dorf mehr weiss", fügte er dann an. Damit hatte sie einen Strohhalm, an den sie sich klammern konnte, und der die Gruppe hoffentlich dazu brachte, mit ins Dorf zu kommen. Dort würden sie dann schon einen Weg finden, die Gringos erst mal aufzuhalten oder in die falsche Richtung zu manövrieren. Und wenn die Zeremonie erst mal vorbei war, dann hatten sie wieder etwas mehr Luft, um sie ganz von ihrem Vorhaben abzubringen.

[Mercedes Bueno]

"Es sind alte Steine, die uns mehr über die Geschichte unseres Landes erzählen können, als der äteste noch lebende Einwohner", belehrte Dr. Bueno Miguel mit hochgezogenen Augenbrauen. Es war doch erschreckend, was für eine Naivität einem immer wieder begegnete. Alte Steine - ts! Wegweiser, Augenzeugen, versteinerte Mythen! Das waren es nicht, nur alte Steine.
Sie würden wohl doch ein wenig Zeit im Dorf verbringen müssen, wenn sich die Hinweise dort verdichten ließen. Oder vielleicht konnten sie sich auch aufteilen - solange sie die große Hand noch nicht gefunden hatten, würden sie sich sowieso am Ufer der Laete aufhalten müssen, und sicher konnte man einander dann rasch wiederfinden...
"Sie haben also keine Idee, was mit eine großen Hand gemeint sein könnte?", hakte sie noch einmal bei Miguel nach und sammelte ihre Gedanken damit wieder im Hier und Jetzt. "Vielleicht eine Felsformation? Oder eine hohe Ruine, ein Bauwerk oder ein Baum?"

[Miguel Bolivar]

Miguel zuckte mit den Schultern und gab sich desinteressiert an Geschichte. "Wir haben hier andere Probleme, Senora", hielt er lakonisch fest. Und tat dann so, als ob er über ihre nochmalige Nachfrage dennoch ernsthaft nachdenken würde. Er legte die Stirn in Falten, schüttelte dann jedoch den Kopf. "Perdon, keine Ahnung. Ich kenne das Wasser, nicht den Dschungel."

Er sah Richtung Steg, wo inzwischen die letzten Passagiere von Bord gegangen waren. "Aber wenn Sie möchten kann ich Sie jetzt ins Dorf bringen. Vielleicht weiss dort jemand mehr." Was nur machte er aber inzwischen mit seinem Boot und dem Fang? Der würde verderben, wenn er hier noch länger rumlag. Ganz abgesehen davon, dass er dem Verwalter nicht wirklich traute.

[Mercedes Bueno]

Enttäuscht ließ Dr. Bueno ihr Notizbuch sinken. Sollte sie ihn darauf hinweisen, dass ein Fluss ja auch Wasser war, und noch einmal wiederholen, dass die Große Hand irgendwo am Ufer der Laete zu finden sein musste? Oder sollte sie ihn auf diese Unlogik hinweisen, dass er zwar wusste, dass es Ruinen im Dschungel gab, aber vorgab nicht zu wissen, ob eine von ihnen einer Hand ähnelten? Himmel, manchmal fragte sie sich wirklich, wie die Landbevölkerung eigentlich durch die Welt ging - mit geschlossenen Augen?! Sie hatte den Folkloristen noch nie ihr Vertrauen geschenkt, die vom friedlichen Leben in den Dörfern schwärmten und die angebliche Unruhe in den Städten tadelten. Offenbar hielt man Geschichte hier für ein Problem. Madre de Dios!
"Erst müssen wir noch die Frage nach unserem Gepäck klären", erklärte sie entschlossen, klappte ihr Notizbuch zu und ließ es nach kurzem Zögern in einer der Taschen verschwinden, die diese unförmigen Hosen, die man ihr für die Reise empfohlen hatte, seitlich hatten - groß genug waren sie ja, aber da spürte man so ein Buch doch fast bei jedem Schritt! "Danach können Sie uns in Ihr Dorf bringen, Miguel."
Aber hier ließe sich das wohl kaum bewerkstelligen..
Dr. Bueno nickte Miguel knapp zu - das Zucken ihrer Mundwinkel ließe sich mit viel Wohlwollen auch als Lächeln interpretieren - und machte sich wieder auf den Weg Richtung Steg und Prof. Williams.

tbc: Steg

[Sebastien Lemaitre]

cf: Handelsposten / Steg

Sébastien war gemächlich zum Frachtunterstand geschlendert, nickte dort dem jungen Einheimischen zu und machte sich an seinem Gepäck zu schaffen, das zusammen mit dem Gepäck der anderen sowie der gesamten Ausrüstung der Expedition im Schatten lagerte. Hitze und Luftfeuchtigkeit waren inzwischen ziemlich heftig, und praktisch jede Bewegung erwies sich als entsprechend schweisstreibend. Es war ziemlich klar, dass es kaum jemandem aus der Expedition zuzumuten war, das alles selbst zu tragen, während sie durch den Dschungel stapften und nach Spuren einer untergegangenen Zivilisation suchten.

Der Archäologiestudent fischte eine Art Strohhut aus seiner Tasche, setzte ihn sich auf, rearrangierte ein paar Dinge, schloss sie dann wieder und sah hoch, ob die anderen denn nun auch bald soweit waren.