Hafenkneipe "Piranha"

[Des Carter]

„Dann weißt du ungefähr so viel wie ich.“ Komplett gelogen war das nichtmal. Tempel, ja. Inka irgendwie auch, wenn die Theorien stimmten, dass der Selenismus eine Abzweigung des Inkakults war. Nur hatte der Selenismus nicht mehr besonders viel mit den Inka gemein. „Archäologische Forschung steht immer irgendwie auf wackeligen Beinen, weil sichere Quellen eher selten gegeben sind.“ Schmunzeln nahm er noch einen Schluck Bier. „Ob es einen Tempel gibt oder nicht, können wir zum derzeitigen Punkt noch gar nicht wissen. Und falls es ihn gibt, ist auch nicht sicher, dass wir ihn finden.“ Jedenfalls nicht, wenn ihre Quellen aus Liedern und alten Erzählungen bestanden, die sowohl Wahrheit, wie auch schlichte Märchen sein konnten.
Optimist der Des war, glaubte er natürlich an die Existenz eines Tempels – selenistisch wohlgemerkt, nicht Inka – und war auch fest davon überzeugt, dass sie ihn früher oder später finden würden, nur wann genau stand in den Sternen. Und vor allem wie.

Er konnte es kaum abwarten, Rays bisherige Forschungsergebnisse und Quellen im Original in den Pfoten zu haben. Ob er sich nun mehr auf die Expedition, oder doch auf seinen alten Freund freute, wusste er grade selbst nicht.

[Teo Howard]

Ja super. Ihre Fähigkeiten darin, jemanden Wissen zu entlocken, waren entweder gleich null, oder sie sollte damit anfangen, die Leute auszuhorchen, die auch wirklich was zu sagen hatten, sonst wurde das auf die Dauer doch deprimierend! Vermutlich würden Sébastien, der Professor, Desmond und die anderen eher über das Rad des Mondes stolpern, ehe sie es schaffte, irgendwem aus der Nase zu ziehen, was sie wussten. Apropos..
"Und wenn ihr ihn doch findet", Teo stützte ihr Kinn auf ihre Hand und musterte Desmond mit ehrlichem Interesse, "was macht ihr dann? Ich meine, so ein Tempel ist ja nicht gerade etwas, was man in die Hosentasche steckt, mitnimmt und in irgendein Museum stellt." Es könnte sich auch als schwierig erweisen, die Bewohner in den Koffer zu stecken, von den Furien und Schatten ganz zu schweigen. Aber vielleicht machten die dann ja nur ein paar Bilder und verschwanden dann wieder! Das wäre doch sicher etwas, was sich einrichten ließ.

[Des Carter]

"Das Ding wird vermutlich eine ganze Weile zur Forschungsstätte ernannt werden und von vorne bis hinten, bis ins klitzekleinste Detail dokumentiert." Nachdenklich sah er einen Moment zur Decke, dann wieder schmunzelnd zu Teo. "Wer weiß, wenn der Tempel tatsächlich noch aktiv genutzt werden sollte, kann man sich vielleicht mit ein paar Leuten unterhalten." Er selbst zweifelte nicht daran, dass der Tempel genutzt wurde. Selenismus war zwar uralt, wurde aber nach wie vor betrieben - eine Überzeugung, die ihm den meisten Spott und Hohn an der Universität eingebracht hatte.
"Wenn du weiter so fragst, nehm ich dich auch mit. Für so neugierige Mitreisende hat Onkel Williams bestimmt immer gern ne Märchenstunde parat." Er grinste und wusste schon jetzt genau, dass Ray ihn für die Behauptung vermutlich mit einem Bierdeckel erschlagen hätte.

[Teo Howard]

Unter den gräulichen Restschlieren des Öls in ihrem Gesicht wurde Teo blass, als Desmond ihr da so fröhlich erklärte, dass sie sich auf Monate hin einen anderen Ort würden suchen müssen, vielleicht sogar auf Jahre hin! Wenn der Tempel wirklich gefunden... und wenn er dann noch akribisch erforscht... also - Katastrophe traf es da ja nicht mal ansatzweise!
Teo nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Bierglas und wünschte sich das vermutlich erste Mal in ihrem Leben, dass das Zeug stärker und keine bessere Bitter-Limonade wäre. Seine zweite Bemerkung nahm sie schon allein deshalb lieber nur als Scherz auf, um nicht ihr Glas zerdeppern zu wollen. Kein Selenist würde je mit dem reden, es auch gar nicht erst wollen! Also in seiner Funktion als Selenist jetzt. Sie hatten Jahrhunderte damit verbracht, nicht aufzutauchen - ja, meinte der denn, sie hätten das vollkommen grundlos getan, und nur, weil jetzt wer quasi klingelte, würden sie... Runterkommen, Teo, runterkommen!, befahl sie sich in Gedanken. Schließlich musste sie da jetzt irgendwie wieder ihren Kopf aus der Schlinge ziehen.
"Nein, nein", lachte sie schief und kratzte sich am Kopf. "Märchenstunden im Dschungel sind nichts für mich. Nur - wenn da jetzt dauernd Leute kommen und Richtung Handelsposten wollen, dann müssen wir uns am Ende noch eine Flotte zulegen." Sie verfiel in ein nicht ganz ehrliches, aber doch recht überzeugend klingendes Lachen. Das war doch mal eine vollkommen logische Erklärung. Das Geschäftsherz ihres Onkels würde bei dieser Aussicht ja tatsächlich Freudensprünge machen, während sie eher den Wunsch verspürte, im Dreieck zu springen.
"Außerdem: Wer weiß schon, wie lange sowas dauert? Also wenn ihr jetzt erst mal nichts findet, dann lauft ihr doch sicher trotzdem erst mal eine Weile da rum..."

[Des Carter]

Schon bemerkenswert, dass er so gar nichts Böses oder Störendes an ihrer Arbeit sah. Sie wollten den Tempel ja nicht ruinieren oder den Selenisten ihre Religion madig machen, sondern sie lediglich erforschen. Vielleicht war es sein Ehrgeiz, der ihn absolut nichts Schlechtes darin sehen ließ.
"Wär doch ne gute Investition für die Zukunft", er grinste munter gegen sein Bierglas, ohne auch nur im Ansatz etwas von Teos wachsender Panik mitzubekommen.
"Ein ganzes Weilchen wird's mit Sicherheit dauern. So wie's immer dauert, wenn man den genauen Weg nicht kennt."
Er zuckte nonchalant mit den Schultern, bevor er sich wieder auf dem knarzenden Stuhl zurücklehnte.
"Spätestens wenn die Vorräte zur Neige gehen, müssten wir wieder zurück. Aber ich denke nicht, dass Professor Williams so schnell aufgeben wird. Und wenn's zwei oder drei Expeditionen werden." Ray war hartnäckig, was seine Forschung betraf. Eine Eigenschaft, die er bereits seit Jahren mit Des teilte, nur war Letzterer nach wie vor direkter und offener, was sein Forschungsgebiet betraf. Zumindest hätte er nie so frevelhaft von einem bloßen Inka-Tempel geredet.

[Teo Howard]

Das wurde ja immer besser, und ihr Bier wurde immer weniger. Das war keine gute Kombination. Teo grinste fast schon aus lauter Verzweiflung. Wenn sie das gewusst hätte, hätte sie die Vorräte doch über Bord gekippt, solange sie noch auf der Caminante waren. Jetzt war es dafür natürlich zu spät, wie blöd! Aber wenn Miguel sie weit genug wegführte und ihre Vorräte auf diese Weise zur Neige gingen...
Tapfer umschloss Teo ihr Bierglas und hielt es Desmond zum Anstoßen hin. "Das klingt auf jeden Fall nach einer längeren Geschichte. Von daher würde ich mal sagen: auf die Zukunft!"
Blieb nur zu hoffen, dass sie nach selenistischen und nicht nach denen der Forscher verlief.

tbc: nächster Tag

[Narracion]