Hafenbezirk

[Elvis Strindberg]

Puh, er hatte jetzt schon erwartet: 'Wenn ich ein Schiff nur sehe, muss ich reihern wie ein Pelikan'. Das hier war doch wirklich relativ harmlos. Nichts, was man mit etwas Aufmunterung nicht lösen konnte.
"Ach, dann verfüttern wir dich einfach an die Haie", erklärte Elvis munter. Natürlich würden die armen Tiere vor dem Anti-Brumm die Flucht ergreifen, weil Haie ja sehr empfindliche Geruchsorgane hatten. "Das wird sicher halb so wild."
Er ließ seine Blicke vorauseilen und über die Schiffe gleiten, die da hinten am Zielpier vor sich hin dümpelten. Eigentlich suchte er ja was Schwarzes, aber das einzige Yachtmäßige.. Donnerwetter. Elvis pfiff durch die Zähne, als er ihr vermutliches Transportmittel entdeckte. Jep, das würde er auch als Luxusschiffchen bezeichnen.
"Sieh es pragmatischer: Hier geht es nicht um Sympathie, sondern darum, noch halbwegs pünktlich zur Expedition zu kommen. Canalli junior ist auch Archäologe, und so häufig spazieren die ja nun nicht in der freie Wildbahn herum, dass der dann nicht auch zu unserer Expedition gehören würde." Elvis zuckte mit den Achseln. "Ich hab früher schon mit dem zusammen gearbeitet; ein ziemlicher Schnösel, wenn du mich fragst, aber bei dem musst du auch keine Angst haben, dass er sich zu dir ans Lagerfeuer setzt und einen auf Kumpel macht. Zeig ihm ein bisschen, dass er ein gaaaaaaanz toller Hund ist, und er lässt dich in Ruhe." Elvis grinste breit. "Oder lässt dich sogar mit seinem Bötchen mitfahren."

[Teddy Wilcox]

Eventuell würde es auf ‚Wenn ich ein Schiff nur sehe, muss ich reihern wie ein Pelikan’ hinauslaufen. Das wusste Ted ja jetzt noch nicht. „Haie?“, grummelte er wenig begeistert. „Haha, sehr witzig.“ Ein kleiner Hopser um bei Elvis riesigen Schritten mithalten zu können. Wo der Typ einen machte, brauchte Teddy zwei. „Gibt’s hier Haie?“ Man konnte sich ja mal erkundigen.
Als das sanft vor sich hinschaukelnde Ungetüm von Schiff am Ende des Piers sichtbar wurde, zog sein Magen sich probeweise schonmal unsanft zusammen. Vermutlich eher aus Schiss, aber man wusste ja nie so genau. Er. Auf so einem Luxusdampfer. Mit einem Pornostar und einem Prinzen, äh pardon, Archäologen und dessen böser Stiefmutter. Verdiente man damit tatsächlich so viel Geld oder war das alles von Papa beziehungsweise Onkel?
„Also haben wir den jetzt vermutlich wochenlang dabei, ja?“ Er musste sich nur dran erinnern, vorurteilsfrei und freundlich auf Leute zuzugehen, so wie es seine Mutti ihm beigebracht hatte. Dann würde das schon hinhauen. „Der wirkt auch nicht grad wie jemand, der sonderlich dschungelfest ist“, kam’s von der wandelnden Mückensprayreklame mit Strohhut und Camouflage-Knickerbockern.

[Elvis Strindberg]

"Klar, aber du musst dir keine Sorgen machen: Das einzige, was Haie anlockt, ist der Geruch von Anti-Brumm." Elvis lachte breit und schlug seinem Schützling, da der gerade passenderweise auf gleicher Höhe war, kräftig auf den Rücken - wobei ihm gleich auffiel, dass der Frischling nicht sonderlich viel an Gepäck mit sich herumschleppte. Wie hatte der bloß alles Nötige in diesen kleinen Rucksack gekriegt? Vermutlich, schwante es Elvis, indem er nicht alles Nötige eingepackt hatte. Na, das würde sich halt noch zeigen. Der Junge hatte ja sicher ein Abenteuer gewollt.
"Oh, vertue dich da mal nicht." Elvis zuckte mit den Achseln, als das Gespräch auf Luca kam. "Ich hab schon Kerle gesehen, die wie aus Eisen geschnitzt schienen und im Dschungel ihre Weichei-Seite entdeckt haben. Und Canalli ist Wissenschaftler - wie sein Onkel. Wenn die sich mal was in den Kopf gesetzt haben - also Wissenschaftler jetzt - dann werden die vollkommen irre." Elvis grinste. "Auf die gute Art. Die hält dann nichts mehr ab, kein Schnee, kein Matsch, kein Sturm, kein Krokodil."

[Teddy Wilcox]

Ein Schlag auf den Rücken, der Ted direkt mal einen halben Meter vortaumeln ließ und ein weiterer Witz auf seine Kosten. Konnte der Kerl nicht einfach bei ‚Batata’ bleiben und ihn ansonsten wenigstens ein bisschen schonen? Er grinste schief, während er sämtliche Selbstbeherrschung aufbrachte, um sich nicht über die schmerzlich vor sich hinpochende Stelle zu reiben, die Elvis bei seinem ‚freundschaftlichen Schlag’ erwischt hatte – wobei er ihm das Mückenspray nur noch tiefer in die Wirbelsäule gerammt hatte. „Das Zeug wird uns alle noch retten, ich prophezei es dir.“ Womit der Herr dann wieder den Mund zu voll genommen hätte.
„Wenn er so ist wie die Wissenschaftler in den Filmen, dann opfert er alle irgendwann um seine Theorien zu bestätigen und am Ende von irgendeinem Helden irgendeine Klippe runtergestoßen zu werden.“ Wonach ihn dann vermutlich die Krokodile fraßen. Teddy wirkte einen Moment so nachdenklich, als ob er diese Option für das Ende von Canalli Junior tatsächlich realistisch fand, zuckte dann aber nonchalant mit den Schultern.
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir eher Schnee begegnen, als Krokodilen?“ Höchstwahrscheinlich gleich Null, aber fragen tat ja keinem weh.

[Elvis Strindberg]

Ja, er konnte die Schlagzeilen förmlich vor Augen sehen: Wieder rettet Anti-Brumm den Tag! Anti-Brumm, das Spray der Helden. Tollwütige Dschungelbestie von heldenhaftem Anti-Brumm-Sprayer in die Fluch geschlagen! Anschließend würde die Industrie Teddy Batata Wilcox als Werbeikone entdecken, und schon in wenigen Monaten stank jede Straße von hier bis zum Nordpol wie das Versuchslabor von Anti-Brumm, woraufhin alle Mücken mutieren würden, die Menschheit auffraßen und gemeinsam mit den Kakerlaken eine neue Weltherrschaft gründeten - mit Teddy als Maskottchen.
Grinsend zuckte Elvis mit den Achseln. "Wenn wir die Flüsse meiden und gleich auf einen sehr, sehr hohen Berg klettern - etwa bei 1 zu einer Million. Aber", er legte den Kopf schief, "erzähl mir doch mal lieber, wie ein Archäologe alle für seine Theorien opfert. Buddelt er uns in einer Pyramide ein, bis wir ihm einen Beweis dafür erbracht haben, dass die Pyramide mindestens 3000 Jahre alt ist?"

[Teddy Wilcox]

Das wären Schlagzeilen die zumindest einen Anti-Helden wie Teddy zum träumen brachten. Und hey, Peter Parker war ja auch eher eine schmalbrüstige Figur und trotzdem rettete er regelmäßig ganz New York und das alles quasi im Vorbeigehen, während er sich lässig von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer schwang und... ja, vermutlich sah Spiderman in diesem hautengen Latexanzug besser aus als Teddy es je könnte, allerdings stank das Ding bestimmt genauso schlimm wie Anti-Brumm.
„Flüsse meiden klingt gut, aber den Berg können wir meinetwegen auch weglassen.“ War er nicht ein fleißiges Bienchen?
Er räusperte sich einmal – eigentlich eine Warnung für Elvis, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war um die Flucht zu ergreifen – und erklärte dann in hoheitsvollem Tonfall: „Quatsch.“ So, womit das direkt geklärt wäre. „Er könnte uns in einem überfluteten Grab eines alten Mayagottes ertrinken lassen während er in letzter Sekunde mit den wichtigen Aufzeichnungen entkommt. Mit Krokodilen und allem. Er könnte auch ein ungeheuerliches Geheimnis aufdecken und uns aus dem Weg räumen um alleine die Lorbeeren einzustreichen. Oooooder“, er holte theatralisch aus, „er überlässt uns den Pygmäen, denen wir mit Sicherheit noch begegnen werden, um seinen eigenen Arsch zu retten.“ Jawohl.

[Elvis Strindberg]

Teddy war eindeutig ein Held der Arbeiterklasse; einer, dem man noch Denkmäler bauen würde, wenn die gesamte Menschheit längst zu humanoide Batterien geworden in die Matrix eingespeist worden war. Und er hatte ebenso eindeutig zu viele Abenteurerromane gelesen. Aber konnte Elvis es denn übers Herz bringen, und ihm seine Illusionen rauben, dass irgendetwas Spannendes passieren würde? Ihm kaltherzig offenbaren, dass die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen nur für Wissenschaftler interessant waren? Nun, er selbst war ja quasi so etwas wie ein Wissenschaftler, nur ohne Diplom oder akademischen Titel oder all den Kram, den sich die, die die Wahrheit verhüllten, so ausdachten, um die Menschen, die die Wahrheit kannten, von den Beweisen für die große Verschwörung fernzuhalten. Aber Teddy war ja nur ein armer kleiner Träger - der vermutlich verloren gehen würde, wenn ihn Elvis nicht fürsorglich an die Hand nahm. Also metaphorisch jetzt. Sicher klebte der Anti-Brumm-Gestank an jedem, der Teddys Haut tatsächlich berührte.
"Nur gut", grinste Elvis, "dass wir die Maya dieses Mal links liegen lassen und uns mit den Inka herumärgern werden - in pygmäenfreiem Raum."
Wobei sich Maya und Inka ja eigentlich nur geografisch unterschieden. Ihr Wissen hatten sie von derselben Quelle erhalten, und 2012, wenn der Maya-Kalender endete, würde diese Quelle sicher wieder Kontakt mit ihnen aufnehmen - soweit zumindest Elvis' Theorie.

[Teddy Wilcox]

Ehrlich gesagt träumte Teddy manchmal von Denkmälern. Also, nicht nur einem, sondern direkt mehreren für die unterschiedlichsten Verdienste die er in seinem Leben noch leisten würde. Welche genau das waren, wusste er nicht, aber zumindest hatte er daheim bereits Skizzen von Taubenabwehrmechanismen rumfliegen, damit die Viecher ihm später nicht aufs polierte Haupt kackten. So vorrausschauend war er da und allein das verdiente schon eine Statue!
„Oh du, glaub mal, diese Pygmäen gibt es irgendwie überall. Laut Hollywood zumindest“, er winkte nonchalant ab, wohlwissend dass er hier irgendwie Blödsinn quatschte, aber was sollte er tun? Er war nach wie vor nervös und die Aussicht auf dem Boot eines Typen mitzufahren der so aussah als hätte er private Kontakte zum Paten persönlich, machte es nicht unbedingt besser.
„Wo genau hast du eigentlich mit diesem erm... Canalli zusammengearbeitet?“ Mal vorsichtig nachfragen konnte man ja, während man sich dem Luxusdampfer näherte, der sie in ihr Verderben bringen würde.

[Elvis Strindberg]

Elvis lächelte leicht. Sollte er Teddy darauf hinweisen, dass die meisten Hollywood-Autoren Eingeweihte waren? Dass sie durch das Auftreten von andersartigen humanen Lebensformen für alle Suchenden und Wissenden Hinweise einbauten, die auf die Existenz extraterrestrischen Lebens deuteten? Na, noch kannte er ihn einfach nicht gut genug dafür. Aber gut zu wissen, dass Teddy den Hollywoodfilmen hörig war wie andere Leute den pseudo-wahren Aussagen von 'Wissenschaftlern', die Angst vor der Belanglosigkeit ihres originären Menschseins hatten!
"Wir waren auf einer Expedition im Landesinneren und haben alte Deichanlagen der Inka untersucht. Ein Teil von denen steht immer noch." Und waren eindeutige Beweise einer überlegenenen Technologie, die unmöglich dem begrenzten Wissen der Menschheit zu jener Zeit zuzuordnen war! "Die lief unter Schirmherrschaft von seinem Onkel, auch wenn der da nie seine Nase gezeigt hat." Elvis zuckte mit den Achseln, ehe er einen etwas argwöhnischen Blick auf seinen jungen Padawan sandte. "Du weißt doch, wer Onkel Canalli ist, oder?" Der Ami an sich galt jetzt ja nicht als Experte der Kulturen jenseits seiner eigenen Begrenztheit, aber Canalli war doch jetzt echt oft genug in den Medien. Klar, vor allem in den narracitischen, und ab und an auch in der Fachpresse... nur reichte das für US-amerikanische Verhältnisse zu etwas wie Bekanntheit?

[Teddy Wilcox]

Besser, wenn Elvis ihn nicht darauf hinwies. Sonst müsste Teddy im Stillen an das ‚Pornostar’ noch ein ‚esotherisch versuppt’ dranhängen und er begann grade, den Älteren irgendwie zu mögen. Auch wenn ihm die Kombination aus Machete und muskulösen Oberarmen nach wie vor irgendwie Angst machte.
„Also“, Teddy kratze sich verlegen am Hinterkopf. „Den Namen hab ich schonmal gehört.“ Aufgrund seines werten Kommilitonen, der von Canalli schwärmte und deswegen ja an dieser Expedition hatte teilnehmen wollen. Ted selbst war nur dummerweise angehender Schauspieler und kein Archäologe und Inkas interessierten ihn in seiner Freizeit auch eher weniger. Vielleicht sollte er das hier allerdings nicht so offen zugeben. „Das ist doch der Kerl der die ganzen Bücher über hier, dingens... und so. Selenismus! Ja, über Selenismus geschrieben hat.“ Wow, konnte er doch noch ein bisschen angeben. Nach wie vor natürlich mit beeindruckendem Halbwissen, aber mit mehr konnte Teddy derzeit eben nicht dienen. Nicht nur weil er Amerikaner war, sondern primär eher weil er sowieso nie so genau wusste was er da eigentlich machte.
Sie blieben vor dem Hausboot von Canalli stehen und Ted musterte mit leicht zusammengekniffenen Augen das Schiffchen, während sich unbemerkt ein leidlicher Ausdruck auf sein Gesicht legte. Noch konnte er rennen. Noch konnte er einfach zum Flughafen zurück und ins sichere Texas zurückkehren, das ihm nur dann Schwierigkeiten bereiten würde, wenn er an einem Donnerstag seine Frau betrog... oder mit einer Ziege schlief. Zumindest gab es da keinen Dschungel, keine gefährlichen Tiere und auch keine Pygmäen. „Mir wird schlecht...“ Nein, es lag nicht am Boot.