Tropfsteinhöhle

[Viktoria Klein]

"Oh.." Entfuhr es Viktoria aus Enttäuschung, während ihr Blick zum Ausgang glitt. Das konnte bestimmt dauern. Also... Nicht soo lange. Aber doch zu lange für ihre keimende Ungeduld.
Viktoria strich sich eine Strähne aus der Stirn und ließ ihren Blick über das wenig Erkennbare wandern. Nun, aber was sollten sie denn auch ohne Licht machen? Weit würden sie mit dem bisschen Tageslicht, welches eindrang, nicht kommen. Und allein ihren ausgestreckten Armen als Vorsichtsmaßnahme wollte sie nun auch nicht vertrauen. Hmpf..
Abwartend betrachtete sie ihren Professor. Er wirkte auch nicht sehr begeistert von der Warterei, dafür aber von den Möglichkeiten.
Viktoria lächelte bereitwillig ihren Professor an. "Nur einen Blick..." Grinste sie. Und ein paar Meter könnten sie ja schon mal vorgehen. Das würde ja keinem schaden.

[Ray Williams]

Ray zwinkerte seiner Assistentin zu. Es war doch wesentlich einfacher, jemanden hinter sich zu haben, der auch für ein bisschen Neugier empfänglich war. Für einen Moment stellte er sich vor, wie es ausgesehen hätte, wäre seine Expedition schon zu Zeiten realisiert worden, an denen Dr. Bueno noch an Viktorias Stelle gestanden hatte. Vermutlich hätte sie ihn erst einmal ein Formular ausfüllen lassen.
Sorgfältig leuchtete er den Boden des Tunnels aus, der sich hinter dem Loch erstreckte - jedenfalls so weit, wie seine Taschenlampe das zuließ. Es genügte allerdings, um ihn nachdenklich die Stirn runzeln zu lassen. "Sieht ziemlich glatt aus", murmelte er, während er die ersten Schritte bergeinwärts wagte. Die Fingerspitzen seiner freien Hand streiften vorsichtig über die Felswände. Auch die waren recht glatt - und relativ eng für jemanden mit Rays Schulterbreite. "Ich denke nicht, dass Teddy der erste war, der hier hergegangen ist", rief er Viktoria über seine Schulter hinweg zu und erfreute sich gleichermaßen am Widerhall und dem Timbre der eigenen Aufregung in seiner Stimme.

[Viktoria Klein]

Viktoria beobachtete automatisch den Lichtkegel, den Prof Williams über den Boden und die Wände gleiten liess. Das sah verdammt glatt aus.
"Ich warte hier noch ein Sekündchen." Rief sie ihm hinterher. Ihm in den Rücken zu rutschen, war nun wirklich das Peinlichste, was ihr passieren konnte. Viktoria beobachtete, wie sich ihr Professor vorsichtig vorwärts bewegte.
Viktoria merkte, wie ihr Mut sie allmählich verließ, das war alles so dunkel und es sah so furchtbar glitschig aus. Was wenn sie hinfiel? Sie hatte kein eigenes Licht und sie würde auf Stein fallen und wer weiß, was sonst noch alles da auf dem Weg war. Vielleicht eklige Tiere, Spinnen oder .. Größeres!
Einen Fuß langsam ausstreckend, tastend, suchend nach festem Stand, begann Viktoria langsam ihren Schatten zu überwinden. "Wirklich?" Fragte sie konzentriert nach. "Woran erkennen Sie das?"

[Ray Williams]

"Hier." Ray leuchtete auf eine Stelle an der Steinwand und legte eine Hand daran. "Das sind Spuren von Meißeln oder anderem Werkzeug." Natürlich hätte ein Fluss auch einen guten Gang ausspülen können, aber das hier war Ray alles zu eben, zu glatt und viel zu leicht gangbar. Der Felsen direkt hinter dem Wasserfalls war deutlich unebener gewesen! "Ich würde glatt darauf wetten, dass jemand dafür gesorgt hat, dass man hier besser rein und raus kann." Und das hob seine Hoffnungen, dass diese Höhle vielleicht mehr bot als das Bild der Hand - was, wenn die Zeilen, die darauf hinweisen, dass der Weg von hier an durch einen Tunnel führten, nur noch nicht von ihnen entziffert oder im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen waren?

"Sehen wir nach, was dieser Ort noch für uns birgt", grinste Ray optimistisch. Er würde sich da jetzt jedenfalls nicht hetzen lassen, sondern sorgfältig studieren, was am Ende dieses Ganges lag. Vielleicht war es ein Wegweiser geradewegs zum Tempel!

tbc: nächster Tag

[Narracion]

[Ray Williams]

cf: letzter Tag

Vorsichtig ließ Ray den Schein der Lampe über die Wand gleiten, doch wie all die Male zuvor war alles, was er entdeckte, eine Felswand. Keine Inschriften, keine noch sichtbaren Malereien - kein Durchgang. Sie hatten die Höhle vermessen, Proben genommen und Fotos gemacht, und Ray war sich sicher, dass die geologische Fakultät mit Freuden die Zusammensetzung der glitzernden Quarzflöße bestimmen würde, aber es war eindeutig weniger, als er erhofft hatte. Legte man die Koordinaten zugrunde, die sie aus den Sternbildern berechnet hatten, führte deren Weg von hier aus zu einer massiven Felswand, und auch, wenn die Wände eindeutig Spuren von Bearbeitung zeigten, war es leider keine Bearbeitung, die mit Runen oder Malerei jedweder Art verbunden gewesen war.
Ray seufzte. Es war eine Sackgasse - oder zumindest nicht mehr als das, was die Große Hand von Anfang an hatte sein sollen: eine Wegmarke. Zwar war er fest entschlossen, die Lichtung nahe des Wasserfalls sowie den Teich zu dessen Füßen untersuchen zu lassen, aber wenn er vorher nicht die Existenz eines nahen Tempels belegt hatte, würde er kaum Gelder dafür erhalten.
"Wir sollten langsam zusammenpacken", sagte er mit einer gewissen Wehmut in der Stimme. Eine Sackgasse. Und dafür hatte er ihre Suche nach Alejandro in.. nun ja, freundlich formuliert hatte er sie verzögert und auf andere Wege verlagert. Ray spitzte die Ohren. Nein, durch den Wasserfall war Teddys Gebrüll gerade nicht zu hören. Erstaunlich, was für eine Ruhe dieses ständige Brausen verbreiten konnte!

[Viktoria Klein]

"Schade,.." Ließ Viktoria von sich vernehmen, ehe sie sich herunter beugte und ein paar der Instrumente einsammelte.
"Was hat das nun zu bedeuten? Einfach, dass man auf dem richtigen Weg sich befindet?" Sie steckte sich eine der Taschenlampen in eine der vielen Hosentaschen.
"Aber warum wurde dann die Wand bearbeitet? Das macht ja keinen Sinn. Oder haben sie das hier auch als Übernachtungsort genutzt, damit sie draußen nicht entdeckt werden?"
Sie schaute sich langsam um, aber für so viele war ja hier eigentlich auch nicht Platz.

[Ray Williams]

Bedauernd ließ Ray seine Fingerspitzen über die Felswand gleiten. Wenn dieser Stein doch nur sprechen könnte! "Das wäre möglich", antwortete er langsam, ehe er sich mit einem schiefen Grinsen seiner Assistentin zuwandte. "Andererseits könnten diese Spuren hier auch rein gar nichts mit den Selenisten zu tun haben. Seit ihrem Verschwinden sind hunderte von Jahren vergangen; vielleicht haben sie diese Höhle auch nie betreten und die Spuren sind später oder viel früher entstanden." Sie würden alle Testergebnisse abwarten müssen; womöglich enthielten einige Proben verwertbare Informationen über ihr Alter.
Langsam ging Ray zu Viktoria hinüber und legte ihr schwer eine Hand auf die Schulter. "Kopf hoch, Vik. Vielleicht haben wir zu viel erwartet, und vielleicht sind wir jetzt auch zu sehr enttäuscht. Wir haben die Hand gefunden, und auch, wenn sie nicht das ist, was zumindest ich erwartet habe, bedeutet das einen Schritt nach vorne, nicht nach hinten." Aufmunternd nickte er. "Wir können von hier aus weiterziehen, und das ist schon sehr viel mehr, als wir gehofft hatten, als wir hier unser Lager aufgeschlagen haben. Das heißt", ein Schatten legte sich über sein Gesicht, "wir können von aus weiterziehen, sobald wir uns um Alejandro gekümmert haben." Der Junge hätte vorgestern, spätestens gestern aber schon Priorität haben sollen!

[Viktoria Klein]

"Das stimmt." Viktoria nickte fest, sammelte die restlichen Instrumente ein und richtete sich auf.
Während sie sich die Hände an den Hosen abklopfte, warf sie nochmal einen Blick auf die Hand. "Ich werde irgendwie das Gefühl nicht los, dass wir was übersehen."
Schade, dass sie hier keine Dusche hatte. Beim duschen hatte sie sonst noch immer die besten Ideen. Vielleicht sollte sie sich das nächste Mal eine mobile Dusche mitnehmen. Wasserkanister, Schlauch dran und.. einen Vorhang. Jawohl. Das klang doch nach einem Plan.
"Tja, und jetzt eben Alejandro. Hat er nicht zufällig eines der Weltempfängerhandys mitgenommen?" Hoffte sie.

[Ray Williams]

"Das wäre zu schön." Ray grinste schief, während er sich mit einigen Taschen belud und einen fast sehnsüchtigen Blick zurück zur Felswand warf. Konnte Viktoria recht und sie etwas übersehen haben? Er würde wiederkommen, wenn sie den Tempel erst einmal gefunden hatten, und dann würde er diese Höhle Zentimeter für Zentimeter umkrempeln! "Aber Alejandro hat nichts mitgenommen; alle seine Sachen sind noch da." Selbst das Essen, das er sich reserviert hatte, hatte noch eine geraume Zeit unangetastet auf seinen Besitzer gewartet, bis es doch zu viele Insekten angelockt hatte.
"Wir werden wohl zurück müssen." Bedrückt zuckte Ray mit den Achseln. "Einen Suchtrupp organisieren, vielleicht einen Rettungshelikopter." Zu dumm, dass er seine Karte mit dem entsprechenden Aufdruck Sébastien mitgegeben hatte! Und selbst, wenn jetzt alles reibungslos verlief, würde er sich die unangenehme Frage stellen lassen müssen, warum er so lange gezögert hatte, um die Behörden einzuschalten.