Die Tempelchronik von Narracion

Na jetzt wurde es spannend. Kaffee und Whiskey waren vergessen, er lauschte aufmerksam dem Telefonat und war sich nicht ganz sicher, ob ihn das ganze beunruhigen oder erheitern sollte. Und falls es ihn erheitern sollte, was erheiterte dann mehr; die Tatsache, dass die beiden Anfänger ihre Sache anscheinend verschissen hatten, oder dass Payne angeschossen worden war? Vermutlich irgendwas dazwischen. Wieder halbwegs munter kramte er nach einer weiteren Zigarette und steckte sie an, wobei in seinem Gesicht kaum erkennbar war, ob er das ganze jetzt völlig witzig fand, oder es ihm doch eher gepflegt an der irischen Kehrseite vorbei ging.

*** Dante beschloss, den Gedanken zu verschweigen, dass niemand überhaupt nach diesen Spuren suchen würde, wenn der Junge einfach verschwand; er würde Santiagos einmal getroffenen Befehle nicht in Frage stellen, denn immerhin war Santiago derjenige, der die Verantwortung für das Unternehmen trug.

"Das kriege ich hin", erklärte er entschlossen, und jetzt hoffte er doch, dass Payne nicht zu weit verschwunden war. Andererseits - mit seiner Verletzung würde der mehr Spuren verursachen als ihnen beiden lieb war. Aber das würde er auch allein hinkriegen. Sollte Payne den Gefangenen schon mal zu den anderen.. Moment. Genau genommen hatte Santiago darüber noch nichts verlauten lassen.

"Sollen wir den Typen mit ins Lager bringen oder entsorgen?" Wäre ja vielleicht die eleganteste Möglichkeit von allen. Ein toter Zeuge konnte keine Angaben mehr machen. ***

*** "Bringt ihn mit. Abmurksen und entsorgen können wir ihn immer noch. Zweiteres bei etwas Licht und mit Distanz zur Expedition bedeutend besser." Am Ende würde der Leichnam ein Stück stromabwärts noch hängenbleiben, ohne dass es im Dunkeln zu sehen war, und spätestens bei der Rückkehr des zweiten Bootes- Wenn nicht gar schon früher- würde er gefunden werden. Zu riskant. Ebenso wie verbuddeln im Dschungel- zu nahe am Lager der Opposition, zu schwer zu kaschieren, wenn Williams' Expedition unvermeidlicherweise den Umkreis nach ihm absuchen würde. Ebenso wenig traute er dem Maulwurf zu, eine überzeugende Geschichte zu basteln, die darauf hindeutete dass der Knabe einfach über Nacht spontan abgehauen wärr... Williams' Trupp war schließlich keine Gefangegenkolonne, verdammt. Niemand würde doch ernsthaft auf die Idee kommen, sich ohne Boot und Licht Nachts im Urwald auf die Rückreise zu machen, wenn er jederzeit einfach abspringen konnte- Und sogar noch Stunden zuvor die Gelegenheit gehabt hatte, einfach gemeinsam mit Lamaitre (der ebenfalls einfach ausgestiegen war) das Boot zu nehmen. "Überlass' das Spurenfälschen und die Ansagen Payne. Er wird wissen, wie man das ganze am überzeugendsten hindreht. Seht zu dass er nicht aufwacht, ehe es uns in den kram passt. Und jetzt los." Damit legte er auf. ***

Und tauscht einen vielsagenden Blick mit Healy.
"Irgendwer geht dafür 'drauf", knurrte er, spuckte geräuschvoll den Kippenstummel aus seinem Mundwinkel ins Feuer, und zückte eine Neue. "Dornröschen. Powell. Payne. 'Weiß noch nicht."

cf: Irgendwo im Dschungel

Langsam wurde der Bursche auf seiner Schulter richtig schwer, und so war Dante erleichtert, als er erkannte, dass er sich dem Lager näherte - auch wenn das bedeutete, Santiago jetzt alles erklären zu müssen, und zwar ehe Payne ankam und sich zur Kugel auch noch einen unverdienten Anschiss abholen musste. Dass seine Kleidung noch recht feucht an ihm klebte, machte es auch nicht angenehmer. Zwar war Dante der letzte, der wegen so etwas öffentlich zu leiden begonnen oder sich auch nur beschwert hätte, aber besonders prickelnd fand er es dennoch nicht.

So trat Dante, nachdem er Simon mit seiner Arbeit am Fluss zurückgelassen hatte, in den Lichtschein des Lagers und auf Santiago zu. Nicht sonderlich sanft lud er ihren Gefangenen ab - war der eigentlich wirklich immer noch bewusstlos? Payne musste ihm ziemlich eins verpasst haben! - und suchte Santiagos Blick. Besser, er brachte es schnell hinter sich.
"Es war mein Fehler. Ein Scheiß-Unfall." Er sparte sich hier Entschuldigungsfloskeln. Natürlich tat es ihm leid, was geschehen war, auch wenn selbst die Wanderung durch den nächtlichen Dschungel mit der damit verbundenen Chance zum gründlichen Nachdenken ihm nicht dabei geholfen hatten herauszufinden, was verflucht eigentlich wirklich passiert war. Was hätte es allerdings gebracht, wenn er sein Bedauern jetzt geäußert hätte? Das machte nichts ungeschehen.

Der Blick, mit dem Santiago Powell empfing, war erwartungsvoll und zurückhaltend. 'Zurückhaltend' nicht im Sinne von 'ruhig und unaufdringlich', sondern mehr 'lauernd und unter der Oberfläche stinkwütend', aber immerhin bereit, ihn aussprechen zu lassen- Niemand würde hier gerade von cholerischen Anwandlungen profitieren, selbst wenn das seinem Stil entsprechen würde. Sein Blick zuckte nur kurz zu dem übel zugerichteten Typen, den der Neuankömmling da ablud, ehe er Healy zunickte. "Durchsuchen. Schau' mal ob du eine ID findest", knurrte er knapp, ehe er sich wieder Powell zuwandte. Mit etwas Glück würde der Knabe irgendwelche Papiere mit sich führen, die Schlamm und Blut nicht völlig ruiniert hatten- Es wäre in mehrfacher Hinsicht interessant zu wissen, mit wem sie es zu tun hatten.

Dann wandte er sich wieder Dante zu und überbrückte die Distanz zu ihm mit drei Schritten, die Daumen nun am Gürtel eingehakt, merklich vor ihm aufgebaut.
"Und nun eins nach dem anderen. Wo zur Hölle steckt Payne? Warum schleppst du den Scheißer alleine durch den Urwald?" Das unterdrückte Beben in der Stimme war kaum wahrnehmbar subtil- die drohend lngsame Betonung der Worte und das begleitende Nicken, wie auch der bohrende Blick, hingegen überhaupt nicht. Er war stinksauer. Aber die Jury tagte noch hinsichtlich der Frage auf wen am meisten.

Passierte hier also doch nochmal was! Endlich!
Seine Freude wollte Healy sich nicht anmerken lassen - und nein, Mitleid mit dem bewusstlosen Herrn hatte er nicht - allerdings konnte er seine Belustigung nicht verbergen, als er erst den etwas mitgenommen aussehenden Powell und dann den sehr mitgenommen aussehenden Fremden musterte, der nonchalant fallengelassen wurde, wie ein Sack Kartoffeln. Er verkniff sich sämtliche Kommentare, die sich so unnachgiebig übers Rückenmark in sein Hirn brannten, dass er beinahe Kopfschmerzen bekam und passierte Dante mit leichtem Grinsen, bevor er sich zu der armen Sau am Boden hockte.
Sorgfältig ging er die Taschen des Fremden durch, oder das, was von den Taschen übrig geblieben war. Kein Zögern, kein gar nichts. Sogar Hosensaum und Schuhränder wurden untersucht, aber er fand nichts. Keine Zettelchen, keine Notizen und schonmal gar nicht sowas wie eine ID. Der Kerl musste mit völlig leeren Taschen vom Lager weggewandert sein.
"Hat nichts dabei."
Er zuckte leicht mit den Schultern und sah fragen zu Santiago auf. Was nu mit dem Kerl?

Junge, Junge, das sah irgendwie nicht gut aus; in so einer Laune hatte Dante Santiago noch nie erlebt. Unwillkürlich spannten sich seine Muskeln an, während er mit der ihm eigenen Ernsthaftigkeit Santiagos Blick standhielt. Manchmal war es zumindest von einem kleinen psychologischen Vorteil, größer zu sein.
"Payne beseitigt die Spuren, die bei dem Transport hierher entstehen, damit uns niemand folgen kann. Er kommt gleich." Einen Hinweis darauf, dass Payne darin wesentlich begabter war als er selbst, ersparte Dante sich; Santiago hatte Payne immerhin fürs Dschungelige angeheuert, da würde der dessen Begabungen doch sogar noch besser kennen als er.
Er wandte den Blick nicht einmal ab, als Healy an ihm vorbeiging, sondern schluckte nur einmal kurz trocken. "Der Typ", er musste ja wohl nicht erklären, wen er damit meinte, "entfernte sich vom Lager und kam in unsere Nähe; und ich - ich bin gestolpert. Der Schuss hat sich gelöst, und Payne hat reagiert, ehe der Junge wen warnen konnte. Hatte den Schalldämpfer drauf; den Schuss hat keiner gehört."

´Gott, mein Schädel.´ Alejandro blinzelte und hob die Hand, um sich an die schmerzende Schläfe zu fassen. Besser gesagt, er WOLLTE die Hand heben, aber… das ging nicht – und der junge Student war mit einem Schlag hellwach. Er saß auf dem Boden, den Rücken an einen Baumstamm gelehnt und seine Hände waren gefesselt. Was zum Henker war passiert? Wo WAR er? Alejandro sah sich panisch um und schluckte, als ihm bewusst wurde, dass er nicht einmal um Hilfe schreien konnte. Man hatte ihm ein dreckiges Stück Stoff in den Mund gesteckt und…

… wer zum Teufel war überhaupt ´man´?!

Dann kamen die Erinnerungen. Schlag auf Schlag. Sein Spaziergang. Das Knacken. Der Schuss. Dann das Messer an seiner Kehle und der Typ, der ihn zu Fall gebracht hatte. Gut, den hatte er eigentlich nicht gesehen, weil er in seinem Kreuz gesessen hatte, aber egal. Es war ein Typ gewesen und noch einer, der auf ihn geschossen hatte. Alejandro sah an sich hinunter. Wie sah er überhaupt aus?? Seine Klamotten waren zerrissen, überall war Blut… war das alles SEIN Blut? So weh tat es eigentlich nicht! Wessen Blut war das, da auf seinem Hemd??

Alejandro rappelte sich an dem Baumstamm hoch und ignorierte die Striemen, die der raue Baumstamm auf den Innenseiten seiner Oberarmen hinterließ. Es schmerzet, ja, aber viel wichtiger war jetzt, dass er schnellstmöglich herausfand, was hier los war.
Nur WIE, wenn man gefesselt an einem Baumstamm lehnte?


[ooc: ... ich hab Alejandro mal an einen Baumstamm gefesselt, da ich nicht davon ausgeh, dass man ihn "frei rumliegen hat lassen". Falls doch, sagt Bescheid, dann entfessle ich ihn - und schick ihn frische Luft schnappen. ]

c.f: Vortag

Erstaunlich wie gut man schlief, wenn Payne nicht im Lager war. Tatsächlich hatte Healy nach Ende seiner Wache gepennt wie ein Baby und schob es einfach mal darauf, dass der durchgeknallte Crocodile Dundee nicht in greifbarer Nähe gewesen war. Gewissensbisse wegen des leidlich angebundenen und geknebelten jungen Herrn da draußen am Baum? Hielten sich auch irgendwie in Grenzen. Jedenfalls war er recht früh am Morgen aufgewacht - nach Dante allerdings, der war schon wieder unterwegs - und kam nun von einer behelfsmäßigen Katzenwäsche wieder zurück zum Lager, die gelockten Haare noch feucht und natürlich schon wieder mit der obligatorischen Zigarette im Mundwinkel.
"Na schau mal einer an."
War ihr unfreiwilliger Besuch also auch mal aufgewacht. Der Kerl war so dermaßen regungslos die Nacht über gewesen, dass Healy schon immer mal wieder nachgesehen hatte, ob er vielleicht verreckt war. Wer wusste schon, was Simon genau mit ihm angestellt hatte?

Belustigt trat er zu ihrem Entführungsopfer und zupfte vorsichtig den Knebel aus seinem Mund. Wenn der Junge wollte, konnte er hier ruhig rumbrüllen, die Wahrscheinlichkeit, dass man ihn bis zur Expedition hörte war mehr als gering. Der Dschungel schluckte irgendwie jedes Geräusch.
"Gut geschlafen?" Haha.