Schlauchboot 2

[Elvis Strindberg]

"So schnell beißen die Piranhas nicht", lachte Elvis, dem Teddys Zuversicht runter ging wie Öl. Gut, dass der Frischling ihn als Autorität schon mal anerkannt hatte, Elvis war sicher, dass das noch einmal Teddys Leben retten würde. "Dei..die Finger werden noch dran sein, wenn Sie die Hand wieder rausziehen, muchacha." Er warf noch einmal einen Blick nach hinten und musterte Viktorias Beinbekleidung - diese Shorts hätte er ihr ja nun nicht empfohlen; schon allein wegen des Viehzeugs oder wenn sie doch mal ausstiegen und durch irgendwelches Gebüsch laufen mussten. "Haben Sie auch was Längeres in Ihrem Kleiderbeutel?", fragte er beinahe unschuldig klingend, tauchte das Paddel ein und - wusch - ließ es so aus dem Wasser schnellen, dass Viktoria mit einer kurzen Dusche beglückt wurde - nur ein kleiner Schwall Flusswasser, aber bei der Hitze nichts, woran man starb.
"Besser?" Er lachte und wollte sich dann wieder auf den Fluss vor ihnen konzentrieren. Da vorne am Ufer tauchte wieder ein ziemlich stattlicher Felsen auf. Ob das wohl hieß, dass sie wieder anlegen würden? Oder ob es genügen würde, näher heranzurudern, um vom Wasser aus zu überprüfen, ob das diese Wegmarke sein konnte? Na, er wartete einfach mal ab, was das Boot vor ihnen so tat oder ob die Wissenschaftler im Boot dem Felsen mehr Aufmerksamkeit schenken wollten.

[Sebastien Lemaitre]

Sébastien beglückwünschte Viktoria innerlich zu der Entscheidung, ihre Extremitäten doch sicherheitshalber im Boot zu behalten und lächelte ein wenig schief angesichts der fast schon salomonischen Lösung von Ruderer Elvis, sie zwecks Abkühlung mit etwas Flusswasser zu duschen. Ansonsten konzentrierte er sich aber auf Ted, der interessanteste Kandidat im Boot für ein wenig Small-Talk, wie er fand. Dieses Starren und nach kryptischen Wegmarken Suchen war auf die Dauer etwas langweilig.

"Texas... eh bien, das ist wohl tatsächlich nicht sehr aufregend." Nicht dass er dort schon mal gewesen wäre, aber er assoziierte es mit Cowboys, Rinderherden, Öl, ruppigen Manieren und konservativer Politik. "Was studierst du denn in Texas? Und gäbe es nicht noch die eine oder andere alternative Zerstreuungs-Option abgesehen von Dschungelexpeditionen als Arbeitstier in Südamerika?" Der Typ musste doch noch einen triftigeren Grund haben, ausgerechnet an sowas teilzunehmen - und dann noch in der anstrengendsten Funktion.

[Viktoria Klein]

"Ted?" Viktoria nickte. Das muss sich doch irgendwie merken lassen. Vielleicht mit reimen? Ted ist nett und riecht adrett? Nein. Tablett? Fett? Mett? Ach irgendwie passte das alles nicht so richtig. Gedankenverloren tippte sich Viktoria an das Kinn. Als plötzlich!
"Wuah!" Schrie Viktoria zunächst entsetzt auf, als das kühle Nass sich über ihren Körper ausbreitete. Ein wenig Vorwarnung .. andererseits. Er hatte es sicherlich nur nett gemeint. Und es war in der Tat sehr angenehm auf der Haut zu spüren.
"Danke." Lachte sie und lächelte Elvis beherzt an. "Was für eine tolle Idee." Er schien wohl schon so öfters in einer vergleichbaren Situation gewesen zu sein.
"Aber keine Sorge. Ich hab auch noch lange Hosen dabei. Wissen Sie, als ich damals in der Wüste an einer Ausgrabung teilnahm, hieß es immer, dass Schlangen nicht gerne in Jeans beißen würden." Viktoria zuckte ein wenig ungläubig mit den Schultern. "Keine Ahnung, ob das stimmt. Aber bisher hat mich jedenfalls noch keine Schlange gebissen. Was meinen Sie dazu?"

[Teddy Wilcox]

Als Autorität anerkannt wäre zu viel des Guten gewesen, aber Elvis kannte sich nunmal aus und Teddy so gar nicht. Mal abgesehen davon war es schwierig genug, ohne irgendeine Art der Ahnung ein Schlauchboot zu steuern, wenn man vorher noch nie wirklich Bötchen gefahren war. Eigentlich wär es ihm sogar ganz recht gewesen, wenn er seine volle Konzentration auf die Paddelei legen könnte, aber Sebastien machte ihm da mit Konversationsversuchen einen Strich durch die Rechnung. Wieso war er jetzt der interessante Auserkorene?

„Was ich... erm, Dramaturgie und Literatur. Jah, Shakespeare und so“, er grinste stolz. Das ihn das mit dem Paddel in der Hand noch mehr wie einen Volltrottel aussehen ließ, schien dabei völlig an ihm vorbei zu gehen. „Eigentlich war das hier die Idee eines Freundes von mir, der Archäologie studiert und Fan von Professor Williams ist. Aber der ist natürlich punktgenau zur Abreise krank geworden, deswegen bin ich alleine hergefahren.“ Ted zuckte nonchalant mit den Schultern. Der Unterhaltung über Schlangenbisse zwischen Viktoria und Elvis hörte er mit einem Ohr zu und beschloss dann, sie geflissentlich zu ignorieren. Als hätte er nicht sowieso schon die Hosen voll genug. „Und Sie? Was machen Sie hier?“ Wie kam es eigentlich, dass man als Arbeitskraft – und ja, er war eine, egal wie sehr die anderen es bezweifelten! – Leute automatisch siezte, während man von allen anderen geduzt wurde?

[Elvis Strindberg]

Tja, scheinbar war der Felsen den Forschern in seinem Boot schnuppe - und das vordere machte auch noch keine Anstalten, die Richtung zu wechseln, also schön weiter.
"Kein Thema", grinste er Viktoria über seine Schulter hinweg großzügig an, während er irritiert aufschnappte, dass sein junger Frischling aus einem ganz anderen Themenfeld kam. Tja, es schadete ja nichts, wenn der Junge sich vielfältig bildete. Ganz im Gegenteil: Teddy wirkte auf Elvis, als könnte ihm jedes Schnipselchen Lebenserfahrung helfen, sich nicht aus Versehen in der Kloschüssel zu ertränken oder andere skurrile Todesarten zu erfinden. Zeit also, Viktoria mit einem Pfund Weisheit auszuhelfen, von dem Teddy sich vielleicht ein paar Krümel ausschnappte. Und so wie er das sah, konnten die Krümel dem jungen Franzosen auch nicht schaden. Immerhin kam der aus Frankreich.
"Mit Wüstenschlangen habe ich nicht so die Erfahrung", erwiderte er und grinste breit. "Aber lange Hosen sind immer gut gegen die Viecher, und feste Schuhe auch. Und auch mal feste auftreten, weil die Schlangen dann hören, dass man kommt, und sich verpiseln; die stehen nicht so auf Wadenburger." Er lachte. Wadenburger - manchmal hatte er es doch einfach drauf. Er hatte sogar richtig Mühe, wieder ernst zu werden. "Hauptsache, Sie machen nachts das Zelt zu und hängen den Rucksack auf. Und kontrollieren Ihre Schuhe vorm Anziehen. Ein Kollege von mir - Friede seiner Seele - hat mal eine Viper direkt in den dicken Onkel gebissen." Elvis seufzte schwer. "Tja, und einen Monat später hat ihn ein Truck erwischt. So spielt das Leben."

[Sebastien Lemaitre]

"Shakespeare?" Sébastien nickte anerkennend. Das war ja ein ziemlich heftiger Kontrast zu einer Dschungelexpedition. Immerhin schob Ted dann noch eine Erklärung hinterher, warum er hier gelandet war, die einigen Sinn machte. Derweil Elvis das Boot mit Geschichten aus seinem offensichtlich reichhaltigen Leben beglückte, warf der Archäologiestudent einen Blick auf das vordere Boot, das nun auf einen grossen Felsen am Ufer zuhielt. "Ted, steuer' mal auch Richtung Felsen", sagte er und fügte an: "Du brauchst mich echt nicht zu siezen, ich bin Sébastien. Und ich bin Student von Williams und deshalb ziemlich..."

Er hatte Richtung Ted zum Heck des Boots gesehen und unterbrach sich abrupt, als von vorne ein seltsames Geräusch und erschreckte Schreie erklangen. Sein Kopf fuhr herum, und er sah gerade noch, wie die letzten Reste des Schlauchboots vor ihnen unterging. Der Professor und alle anderen Passagiere zappelten im Wasser und versuchten nicht unterzugehen und das eine oder andere Stück Material zu retten, derweil sie auf ihr Boot zutrieben. "Mon Dieu! Schnell, haltet auf sie zu, wir müssen sie rausholen!" rief Sébastien Elvis und Ted zu. Wie hatte das denn passieren können? "Professor, hier rüber!" schrie er Williams zu und lehnte über den Bootsrand, um sich den nächstbesten Menschen zu greifen, der es nahe genug schaffte. Er hoffte nur, dass die alle gut genug schwimmen konnten. Und es hier nicht doch Piranhas, Alligatoren oder Wasserschlangen gab.

[Viktoria Klein]

Wadenburger... Viktoria lachte. Wobei sie sich nicht ganz sicher war, ob sie das nun wirklich lustig fand oder eher überracht von der Wortschöpfung war. Egal, dieser Elvis war irgendwie drollig und seine Geschichten waren auch nicht ganz ohne. Na gut, sie waren nicht gerade wissenschaftlich und einer gewissen Logik entbehrten sie auch. Aber - sie nahmen unerwartete Wendungen an.
"Ein Truck? Heißt das, dass Sie auch dazu raten würden, auf den Verkehr zu achten?" Viktoria grinste amüsiert, als ihr auffiel, dass sie gerade einen Witz auf Kosten eines Verkehrsopfers machte. Sie wollte schon anheben, sich mit vielen Worten zu entschuldigen, als sie plötzlich auch das Aufklatschen im Wasser und überraschte bis entsetzte Rufe wahrnahm. Was in drei Teufels Namen?
Sofort wandte sie sich dem ersten Boot zu. "Oh nein!" Schrie sie entsetzt auf und schlug ihre Hände über ihren Kopf zusammen. Was war denn da los!? "Professor Williams?" Erschrocken lehnte sie sich über den Bootsrand heraus, um mit ihren Augen das Wasser abzusuchen. Durch die Bewegungen der anderen wurde ihr irgendwann auch bewusst, dass sie genauso helfen könnte.

[Teddy Wilcox]

Auf den Felsen zusteuern. Sicher, kein Ding. Sowas lernte man bestimmt direkt von Geburt an, oder nicht? So wie... atmen quasi. Mit einem Ohr hörte er Elvis’ haarsträubenden Geschichten zu und fragte sich einen Moment, ob er die ganzen Leute wirklich kannte, oder sich einfach nur zur Belustigung von Ms Klein irgendeinen Unsinn ausdachte, als das Platschen weiter vorne ihn ablenkte und im nächsten Moment brach auch schon das Chaos in ihrem eigenen Bötchen aus. „Was zum...!“
Verblüfft betrachtete er einen Moment, wie das Schlauchboot von Williams in sich zusammenfiel und unterging und mit ihm sämtliche Passagiere und die Ausrüstung. „O-okay! Moment! Sekunde!“ Kurz das Ruder neu fassen, konzentrieren, er konnte das. Jawohl. Und noch einen Spruch musste Elvis ihm nun nicht drücken. Tatsächlich schaffte er es irgendwie, das Boot in Richtung der abgesoffenen Kollegen zu manövrieren, wobei er hoffte, dass jemand Scott auf dem Weg aus dem Wasser fischte. Gar nicht so leicht, bei dem Wellengang. „Kann mal jemand... also...“, er wedelte kurz mit einer Hand Richtung Scott, um irgendwem zu Verstehen zu geben, dass er den Kollegen doch bitte aus dem Wasser ziehen sollte.

[Elvis Strindberg]

"Verkehr...", setzte Elvis zu einer neuen, launigen Bemerkung an, als ihm das Unglück des vorderen Bootes das Wort abschnitt. "Holy Moly!", entfuhr es ihm, und ohne zu überlegen, stieß er das Paddel wieder ins Wasser, um dem eigenen Schlauchboot etwas Pinn zu verschaffen und schneller zu den Verunglückten zu kommen. Was war da denn bloß passiert? Ein Nilpferd oder ein anderes großes Vieh, das das Boot gerammt haben könnte, war nicht zu sehen, und außerdem wirkte es mehr, als hätte jemand dem Schlauchboot die Luft abgedreht - und zwar verflixt schnell!
Irgendetwas schlug gegen sein Paddel, und er hoffte mal darauf, dass es nur ein von der Strömung erfasstes Gepäckstück und kein Passagier gewesen war, zog das Paddel aber ein und beugte sich stattdessen über den Rand des Bootes, um Scott seine Hand hinzuhalten. "Hier, Kumpel, halt dich fest." Eigentlich müssten sie es schaffen, zumindest einen oder zwei von ihnen noch ins Boot zu hieven, ohne Gefahr zu laufen, selbst zu kentern...
Elvis warf einen raschen, fürsorglichen Blick in Richtung Ufer. Der Felsen, auf den sie Kurs genommen hatten, war noch ein Stück entfernt, aber das aktuelle Ufer wirkte denn erfreulich krokodil- und dorngestrüppfrei.

[Viktoria Klein]

Viktoria tunkte zunächst ihren Arm ins Wasser, um durch Ruderbewegungen dem Boot Geschwindigkeit zu verleihen. Als ihr die Unsinnigkeit ihrer Tat auffiel. Als würden so ein paar Bewegungen wirklich was auslösen. Nein, da war es doch viel sinnvoller nach Schlangen Ausschau zu halten. Und nach dem Prof! Oh Gott, die Schlangen.
"Professor Williams?" Rief sie, als sie seinen Kopf auch schon im Wasser im wahrsten Sinne des Wortes auftauchen sah.
"Kommen Sie rüber," und winkte ihn aufgeregt zu sich. Nun, ihn konnte sie sicherlich nicht hochziehen, mit seinen nassen Klamotten und Schuhen und allem. Aber sein Rucksack - das musste doch zu machen sein.