Irgendwo im Dschungel

[Raphael Healy]

c.f. Vortag

Ein Kater war für einen Iren ja nichts Neues. Nichtmal so eine ausgewachsene Monster-Raubkatze wie die, die ihn momentan heimgesucht hatte. Neu war allerdings ein Kater, ohne davor was gesoffen zu haben. Was genau passiert war wusste Healy immer noch nicht. Im Lager hatte er sich plötzlich dusig gefühlt, hatte es zuerst auf den ständigen Schlafentzug und auf den ein oder anderen Mitternachtsumtrunk geschoben und als es dann irgendwo im Urwald um sie herum deutlich geknackt und gekracht hatte, hatte er nachsehen wollen. Nicht mehr als das, nur kurz nachsehen und dann direkt wieder zurückgehen. Tatsächlich erinnerte er sich noch an Santiagos Befehl, das Lager nicht zu verlassen.
Und heute morgen war er irgendwo im Dschungel wieder aufgewacht mit nichts ausser seinem Gewehr im Gepäck. Er hatte keine Ahnung wo genau er war, nichts kam ihm bekannt vor und ohne Machete ließ es sich nur schwer durch den Dschungel wandern, so viel hatte er inzwischen mitbekommen. Als wär das alles nicht schlimm genug, hatte er Durst und sein Schädel wummerte, als hätte er am Vorabend einen kompletten Pub leer gesoffen. Beschissener Start in einen beschissenen Tag, eindeutig. Aber wenigstens Zigaretten hatte er noch.

[Dante Powell]

cf: Santiagos Lager

Ein Blick auf den Kompass verriet Dante, dass er immer noch die richtige Richtung eingeschlagen hatte: zur Küste. Da er den Fluss überquert hatte, musste er sich ja eigentlich nur noch strikt gen Osten richten, um dann der Küstenlinie zur nächsten Ortschaft folgen zu können - so jedenfalls der Plan. Vielleicht fand er auch ein herrenloses Boot, das ihm den Heimweg verkürzen konnte und half, diesen seltsamen Ort schneller zu verlassen.
Dante wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und verstaute den Kompass sicher wieder in der Hosentasche. Gerade, als er weitergehen wollte, spürte er es: Da war jemand. Er spürte es, ehe er etwas hörte oder eine Bewegung sah, und angesichts von Panthern, die einen bis in die Träume hinein verfolgte, ständig verschwindenen Kollegen und dem ewigen Grün um sich herum war Dante entschlossen, solche Gefühle nicht zu ignorieren. Ob vielleicht Payne.. hoffentlich nicht dieser Spinner!
Er lauschte angestrengt, bemühte sich, die Bewegungen des Dschungels zu verstehen, und als er dann eine Silhouette in dem dämmrigen Zwielicht ausgemacht hatte, begann er damit, sich vorsichtig anzupirschen. Erst mal sehen, wer oder was da war. Natürlich mit entsicherter Waffe - seinem Gewehr. Die Pistole verbreitete ihr freundliches Gewicht dicht an seinen Rippen.

[Raphael Healy]

'Angespannt' wäre eine leichte Untertreibung seines Gemütszustandes gewesen. Wie sollte er auch nicht vorsichtig sein, in einem Dschungel voller, mal mehr mal weniger, giftiger Viecher, Raubkatzen die nun entweder paarweise unterwegs waren oder auch nicht und Simon, dem Irren, vor dem er vermutlich noch am meisten Respekt hatte.
Healy sah sich um, suchte schon halbwegs verzweifelt nach irgendwelchen bekannten Marken aber außer durchdringendem Grün und diesem nervtötenden Gezirpe um hin herum war da nichts. Rein gar nichts. Kein Wunder das Leute sagten, der Dschungel könne einen verrückt machen.
Als es einige Meter entfernt knackte und raschelte fackelte er nicht lang, zog und entsicherte seine Waffe und richtete den Lauf direkt in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. "Ein Schritt weiter und du endest als Krokodilfrühstück!" Wer auch immer das war.

[Dante Powell]

Irgendwie war das mit dem lautlosen Bewegen im Dschungel trotz der Geräuschkulisse und des Trainings durch Payne nicht Dantes Ding - aber wenigstens war es keine seltsame Katze, sondern nur ein seltsamer Mensch. "Krokodile gehen nich' so weit in den Dschungel", brummte er und ließ sein Gewehr sinken, um sich nun seinen Weg etwas schneller und leichter zu bahnen.
Und überhaupt: Aus welchem Loch war der jetzt gekrochen? Mitten am hellichten Tag verschwinden, kaum dass man ihm den Rücken zukehrte, einen ganzen Tag verschwunden bleiben, und dann hier auftauchen und mit der Waffe herumwackeln, typisch! Da konnte man doch echt ärgerlich werden! So ärgerlich, dass er sogar noch etwas hinterherschob! "Was machst du hier, Healy?" Vorwurfsvoll hob er die Brauen. Irgendwie war er zwar erleichtert, dass er einen Bekannten traf - wie oft konnte man sowas mitten im Dschungel schon schaffen? - doch leichter wäre es wohl gewesen, wenn Healy erst gar nicht die Fliege gemacht hätte!

[Raphael Healy]

"Powell." Verblüfft ließ er die Waffe sinken. Na gut das er nicht geschossen hatte, auch wenn er es bei dem wummernden Schädel nicht unbedingt schätzte, so angepampt zu werden. Schonmal gar nicht von dem da.
"Wenn ich das wüsste wäre ich vermutlich nicht hier", kam's demnach entsprechend patzig zurück. Er schulterte sein Gewehr und zog an seiner Zigarette. Erstmal die Nerven beruhigen. Hielt ja keiner aus den Stress hier. "Kompletter Blackout seit gestern Mittag. Ich hab keinen Plan wie ich hierher komm, aber ich bin heut morgen irgendwo im Dschungel aufgewacht und mein Schädel dröhnt wie nach nem Jahrhundertsuff." So konnte man einen Kollegen natürlich auch über die Umstände aufklären.
Skeptisch musterte Healy den schwer bepackten Kameraden. Das waren eindeutig nicht nur Dantes Klamotten, die er da rumschleppte. "Und du? Gehst stiften?"

[Dante Powell]

Dante hörte schweigend zu und ließ seinen Blick über Healys Erscheinung wandern. Sah wirklich nicht aus, als hätte er die Nacht bei irgendeiner Edelnutte mit extremvegetierten Bordstein verbracht, sondern eher nach zu intensivem Kontakt mit Grünzeug. Und Blackout klang nicht gut. Es erinnerte Dante unfreundlich an seine erste Begegnung mit dem Jungen, da hatte er auch sowas gehabt. Nur nicht komplett.
"Vielleicht", antwortete er ausweichend und griff an seine Seite, um die frisch gefüllte Feldflasche in Healys Richtung zu halten. Immerhin hatte sich mit Healys Auftauchen die Situation ziemlich verändert, denn jetzt saß er nicht mehr allein im Dschungel. Das war etwas, worüber er einen Moment nachdenken wollte. "Du bist nicht der einzige, der weg war."

[Raphael Healy]

Edelnutte wär grad schön, egal wie viel Bordstein da involviert war. Im Zweifelsfall bedeutete Edelnutte nämlich auch ein Bett und er war sich recht sicher, dass er die letzte Nacht mit einer massigen Wurzel im Rücken verbracht hatte. Zumindest tat ihm momentan alles weh.
"Hm?" Mit fragendem Ausdruck nahm er Dante schon recht dankbar die Feldflasche ab. Ihm war so ziemlich danach den gesamten Inhalt runterzustürzen, aber die Plörre war hier kostbar und er hielt sich zurück. Jetzt noch ne Dusche und ein Frühstück und man könnte ihn beinahe schon wieder als Mensch bezeichnen.

[Dante Powell]

Okay, für eine Runde Labern, bei der er selbst nicht so schrecklich viel zusteuern wollte, sollte er vielleicht großzügiger mit seinen Infos umgehen. Obwohl es irgendwie auch eine angenehme Erfahrung war, Healy mal eher still zu erleben, und sei's nur, weil er mit Trinken beschäftigt war.
"Santiago ist nicht zurückgekommen", begann er mit seiner Aufzählung, "also auch nicht der Kontakt zu unserem Maulwurf oder unserem Auftraggeber. Kurz nach dir hat sich Payne verpisst, und dann hat sich auch noch der Kleine in Luft aufgelöst. Und Evans ist ja eh verschütt."
Das einzig Unangenehme war, dass Healy jetzt unter Garantie fragen würde, wie ihm das passieren konnte, dass sich eine halbe Portion, die noch dazu gefesselt war, einfach so verpisste. Tja, und da war die Wahrheit doch eher unschön.

[Raphael Healy]

"Der Kleine hat sich verpisst?" Tadaaa, da kam es schon.
Wie Santiago und Payne verschwinden konnten, war ja irgendwo noch nachvollziehbar. Die hatte auch niemand an einen Baum gefesselt. Aber der Lackel von der Expedition? "Wie hat er das denn geschafft?"
Naja, zumindest war es nicht halb so anklagend wie Dante vermutlich erwartet hätte. Die größte Frage schwebte allerdings nach wie vor unausgesprochen im erm... Dschungel. Und weil Powell sich sowieso schon beinahe selbst verletzte beim Versuch eine ordentliche Konversation zu halten, war es natürlich Healy, der sie letztendlich stellte.
"Und jetzt?"

[Dante Powell]

"Blackout", brummte Dante und blickte nahezu herausfordernd zu Healy. Sollte der ruhig das Maul aufmachen und darüber lästern, dass er den Jungen verloren hatte. Zumindest hatte er sich dabei nicht verlaufen. Und hey: Selbst er hatte langsam das Gefühl, dass hier irgendwas Komisches im Busch war, und von Ammenmärchen hielt er normalerweise ebenso viel wie von Frauen in seinem Job.
Allerdings stellte Healy die Frage, die er mit seinem Auftauchen selbst aufgeworfen hatte..
"Eigentlich wollte ich nach San Palabra", gestand Dante, nahm den Rucksack ab und suchte nach den Vorräten. Natürlich hatte er einen Teil im Lager vernichtet; er konnte ja nicht das ganze Zeug mitschleppen, aber für ihn und Healy würde es erst mal reichen. "Kein Team, kein Boss, kein Job." Er zuckte mit den Achseln und hielt Healy anschließend eine Büchse und einen Dosenöffner hin.