Schlauchboot 1

[Ray Williams]

[Miguel Bolivar]

Miguel runzelte angestrengt die Stirn und tat so, als ob er sehr ernstlich über diese Worte nachdachte, die der Professor nun rezitierte. Zum Glück war das alles derart kryptisch, dass er sich wohl kaum grosse Sorgen zu machen brauchte, dass die Gruppe damit je irgendwie weiterkam. "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was mit diesen Dingen gemeint sein soll", murmelte er und legte sich am Ruder wieder ins Zeug. "Einen See gibt es hier jedenfalls nicht."

Wenn die auch nur ahnen würden, dass er sie auf dem direktesten Weg zum Tempel führen könnte, wenn er wollte... vermutlich würde der Professor dafür seine Grossmutter verkaufen - oder gleich beide. Miguel unterdrückte ein Lächeln bei dem Gedanken und hielt seinen Kopf zur Seite als die nächsten Chemieschwaden des Insektensprays an ihm vorüber zogen. Immerhin: Wenn er das Zeug schon so furchtbar fand, würde es den Mücken wohl genauso gehen.

[Scott Mitchell]

Scott nahm das Zeug entgegen und sprühte sich großzügig die freien Hautpartien ein. Sollten die Mücken sich wen anders suchen, er würde heute nicht auf dem All-you-can-eat-Programm stehen.
Dankend reichte er es dann an Alejandro zurück.
Und ja! Das Zeug war furchtbar! Aber er war sich sicher, dass er es bald nicht mehr riechen würde. Oder dass er bald nicht mehr riechen könnte. So oder so.
Aufmerksam hörte er dem Professor zu, musste dann aber doch leicht belustigt den Kopf schütteln. Das klang ja schaurig. Warum haben die eigentlich keine Karten vermittelt. Von mir aus auch auf Kindern, wie bei Waterworld.
Scott seufzte: "Was soll denn in der zweiten Zeile überhaupt das sie? Warum plötzlich Singular? Das macht doch keinen Sinn."
Und zumindest war das mit dem See vorstellbar, nur eben nicht, dass er aus dem Nichts auftauchen sollte..

[Ray Williams]

"Einen Teil des Codes haben wir bereits entschlüsselt", grinste Ray aufmunternd angesichts von Miguels offensichtlicher Verwirrung. "Die Inka waren astrologisch selbst im Vergleich zu modernen Kulturen erstaunlich bewandert; sie haben aber natürlich andere Namen für die Sternbilder benutzt, und es ist uns gelungen, in diesem Fall eine Matritze anzufertigen, um aus den Sternbildern Richtungsangaben zu machen." Was ihnen allerdings erst etwas helfen würden, wenn sie diese Hand... Ray verzog das Gesicht, als nun neben Alejandro auch Scott noch olfaktorische Akzente setzte. Besser, er konzentrierte sich auf die Aussagen seiner Mitreisenden als auf deren Ausdünstungen.
"Das Lied ist die Beschreibung einer Gruppe, die zu diesem 'Mondenrad', dem Chiffre des Tempels, reist. Daher das 'sie'." Etwas umständlich wandte er sich wieder nach vorne. "Diese Gruppe wird von der Großen Hand 'empfangen', also vermutlich gesehen, worauf die Gruppe dann weiß, wohin sie zu gehen hat. Es gibt auch noch ein Märchen, in dem diese Hand vorkommt, aber Dr. Bueno ist besser darin, das zu erzählen." Oh, und was war das da vorne, dieser große Felsen, der am Ufer hervorragte.
"Fahrt mal näher dahin", sagte er und deutete mit der Hand darauf. Zwar sah er nicht aus wie eine Hand, aber groß genug, um etwa mit einer Inschrift versehen zu werden, war er allemal.
"Jedenfalls", fuhr Ray fort, während er sich erwartungsvoll auf dem Bootsrand abstützte, "geht es in dem Märchen grob um ein Mädchen, das seinen Weg nach Hause verloren hat und viermal Hilfe bekommt, einmal vom Fluss, indem nämlich eine große Hand aus dem Wasser auftaucht, sich öffnet, und..." Und im selben Moment gab der Bootsrand unter Rays rechter Hand nach. Dem Archäologen blieb nicht einmal mehr Zeit, seiner Überraschung Ausdruck zu verleihen, weil mit dem unerwarteten Abrutschen der Hand auch sein Gleichgewicht aus den Fugen geriet, weil der gesamten rechten Seite des Bootes mit einem Mal die Luft auszugehen schien, und mit lautem Platschen ging Ray, Schulter voraus, in der Laete unter.

[Miguel Bolivar]

Es war ja geradezu rührend, wie der Expeditionsleiter weiterhin versuchte so zu tun, als wären sie hier auf der Suche nach einem Inka-Tempel, aber Miguel liess sich nichts anmerken. Auch nicht als Williams davon sprach, dass sie doch schon so einiges entschlüsselt hatten, obwohl das eine eher unerfreuliche Nachricht war. Stattdessen hörte er den weiteren Erklärungen aufmerksam zu, bis die Aufforderung kam, näher an diesen grossen Felsen ran zu rudern.

Miguel beäugte den Steinbrocken, von dem der Professor sich offensichtlich irgendwelche Zeichen erhoffte, derweil er mit halbem Ohr der Erzählung des Märchens folgte, die abrupt abbrach. Eh er sich versah, bekam das Schlauchboot Schlagseite, scheinbar aus dem Nichts, kippte und kenterte. Alle Passagiere und sämtliches Material landeten im träge dahin strömenden Fluss. Miguel war ein exzellenter Schwimmer, aber der Sturz ins Wasser war derart überraschend passiert, dass er erst mal abtauchte. Und als er prustend wieder an die Oberfläche kam, war er schon ein Stück weit flussabwärts getrieben, am zweiten Schlauchboot vorbei, deren Insassen aufgeregt und erschrocken versuchten, Passagiere und Material des ersten Boots einzusammeln.

Der junge Fischer entschied, direkt zum Ufer zu schwimmen, das war einfacher als gegen die Strömung zum anderen Boot zu kommen, das ohnehin zu voll sein würde. Und noch während er Richtung Land zu crawlen begann, machte sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht breit. Was immer da gerade passiert war, es würde für eine kräftige Verzögerung sorgen. Es schien, dass selbst die Mondgöttinnen auf seiner Seite waren!

tbc Unterer Lauf der Laete

[Scott Mitchell]

Aufmerksam hörte Scott dem Professor zu, wobei er spontan an einige Lagerfeuergeschichten erinnert wurde. Auch dort, und vor allem in Südamerika, erzählten sich die Wanderer von unsäglichen Schätzen, die man mit dem richtigen Code finden könnte - ganz einfach, ganz schnell - wenn man nur die entsprechenden Karten hätte. Oder andere packten zu später Stunde die abenteuerlichsten Reiseberichte heraus, die sie vorgaben mal erlebt zu haben. Nicht, dass er nicht an wie Diamanten-glitzernde Seen glauben würde. Er hatte auch seinen Teil an beinahe unglaublichen Naturerfahrungen gemacht. Aber diese mystizierende Art und Weise von diesen Erlebnissen und Informationen zu erzählen, befremdete ihn immer wieder. Ja, selbst wenn man Schätze finden sollte. Warum sollte man so nach Materiellem streben? Warum sollte seinen eigenen Erfahrungsschatz so darstellen wollen.
Scott wollte gerade den Professor nach seinen Absichten befragen, als er unvermittelt das Gleichgewicht verlor. Kaum eines Gedanken mächtig, befand sich Scott plötzlich im Wasser. Unter dem Boot.
Ohne groß darüber nachzudenken, merkte er wie ein kleiner Strudel ihn packte und ihn Richtung Ufer, weg vom Boot zog. Erst als er blubbernd, nach Luft schnappend auftauchte, wurde ihm die Situation bewusst. Sämtliche Reisepassagiere des Bootes waren im Wasser, wie auch ihr Gepäck.
Ziellos paddelte Scott im Wasser und ergriff die nächste Reisekiste, um sich halb darauf zu stützen. Atemlos versuchte Scott die Lage zu überblicken. Wo war eigentlich der Professor?

[Ray Williams]

Einen Augenblick lang war er komplett baff, hielt aber instinktiv den Atem an. Er schaute zur Wasseroberfläche hinauf, von wo aus hellem Glitzern ein klobiger Gegenstand heruntersank, den Ray auf den zweiten Blick als seinen Rucksack erkannte. Bis vor wenigen Sekunden hatte der noch direkt hinter ihm gestanden.
Verärgert ließ Ray die Luft aus seinen Nasenflügeln und Mundwinkeln entweichen, packte den ihm entgegenkommenden Rucksack und trat verbissen Wasser. Er hätte statt der Schlauchboote doch Kanus nehmen sollen! Der Transport wäre schwieriger gewesen, aber zumindest hätten sie mehr ausgehalten!
Rays Kopf durchbrach die Wasseroberfläche und stieß gleich daraus einen Wust an Schimpfwörtern aus. Er hörte die Stimmen aus dem anderen Boot und blickte sich um, während er weiter Wasser trat. Er war ein guter Schwimmer, was ihm jetzt zugute kam, auch wenn er nie trainiert hatte, mit Schuhen oder Gepäck zu schwimmen. "Hier!", rief er und machte sich auf den Weg zum letzten verbliebenen Boot.

tbc. Boot 2

[Scott Mitchell]

Scott drehte sich um, als er ein 'Hier!' vernahm und strich sich eine vom Wasser verklebte Haarsträhne unters Cap. Cap! Wow! Er hatte es immer noch. Musste sein Glückstag sein.
Er sah dem Professor hinterher, wie er zum anderen Boot strampelte und sobald er wieder zu Atem, griff er einen der Bügel und schwamm zumindest mit einem starken Arm ebenfalls auf das andere Boot zu. Immerhin war er als Träger eingestellt. Gut, jetzt war er eher Zieher. Oder so.

tbc. Boot 2

[Alejandro Cortez]

Mit dem Gedichtchen oder was immer das sein sollte, an das sie sich da klammerten, konnte Alejandro nun so GAR nichts anfangen. Zumindest war keine wirklich neue Aussage dabei, fand er. Das mit der Hand war bekannt und den Rest... nun ja, den konnte man interpretieren, wie man wollte, oder? Schlangen, Schillerminen und Goldenhaar, klang alles irgendwie undurchsichtig. ‘Mondenrad, mhm. The sky’s the limit, oder wie?‘ Aber nein, er sagte nichts. Der Professor sah so überaus stolz aus, das wollte er ihm nicht madig machen. Auch Miguel und Scott sagten nur wenig, auch wenn Alejandro nicht wusste, ob sie sich absichtlich zurückhielten, oder einfach genauso wenig Ahnung hatten wie er selbst.

Nur der Professor schien wieder voll in seinem Element zu sein. Sternbilder, ominöse Reisegruppen, Mädchen, Märchen... das war doch schon mal was... Handfestes, oder? Alejandro grinste. Und ja, das hier war wieder einer dieser Momente, in denen er sich fragte, was zum Teufel er eigentlich hier machte...

Pflichbewusst sah er in die Richtung, in die Professor Williams zeigte, und machte ebenfalls Anstalten, sich etwas aufzurichten, als das Boot plötzlich abkippte. ´Scheiße!´, war alles, was der junge Student noch denken konnte, als er auch schon im Wasser landete. Besser gesagt, in der Dreckbrühe, die ein Fluss sein wollte. Zum Angewidert-das-Gesicht-Verziehen kam er allerdings nicht, denn jetzt war einfach nur Luftanhalten angesagt. Und das tat er. Gut, dass er gerade das Insektenspray wieder hatte wegpacken wollen, denn wenigstens hatte er seinen Seesack noch an der Kordel und konnte nur hoffen, dass das Teil nicht nur stylisch aussah, sondern auch... wasserdicht war. Wie man es von einem SEEsack eigentlich erwarten sollte.
Dann erreichte er die Wasseroberfläche und hörte den Professor rufen.

„Ja, ja, bin unterwegs“, sagte er und schwamm gemächlich, den Seesack im Schlepptau, auf das zweite Schlauchboot zu. ‘ Du hast echt die Ruhe weg, Cortez‘, schüttelte er über sich selbst den Kopf und blies sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht, auch wenn sein Aussehen nun WIRKLICH nebensächlich sein sollte.

„Was ist mit Miguel?“, rief er, während er sich am Bootsrand festhielt und mit den Beinen dezente Schwimmbewegungen machte. Der war als Einziger irgendwo verschwunden und... man ließ niemanden zurück, oder?

tbc: Boot 2

[Narracion]